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B(r)uchstücke der Literatur XXI – Poesie!

B(r)uchstücke der Literatur XXI – Poesie!

Seit Jahrhunderten versuchen Schreibende für die Schönheit des Lebens, für die berauschende und oft sprachlos machende Erfahrung des Naturerlebnisses, sowie für Glück und Traurigkeit, aber vor allem für das glückselig machende Mysterium der Liebe die passenden Worte zu finden.
Bei weitem nicht alle, aber ein kleiner Teil der wahren Schreib-Künstler schaffen dabei etwas Bemerkenswertes. Sie klopfen an die Tür des Herzens der Leser, öffnen diese, und lassen Schönheitsempfinden, Ergriffenheit und Sprachlosigkeit in breiter Bahn einströmen.
Wenn dann das Buch in den Schoß sinkt, Atemlosigkeit und Verwunderung über das soeben Geschehene einsetzt, das Buch zum wiederholten Lesen gehoben wird, dann, liebe Leute, ist Folgendes passiert – man wurde von der Poesie berührt!
Deshalb, obwohl wir hier auch sonst nicht viel Anderes machen, widmet sich der heutige Beitrag – der Schönheit des Wortes!

Trotz der Kürze dieser Liebeserklärung, wird es fast unmöglich sein, keine Freude zu empfinden, wenn sie von einem geliebten Gegenüber kommt.

Warum kommen mir Worte wie diese so kalt und leer vor? Weil es kein Wort gibt, das zart genug wäre, dein Name zu sein.
Die Toten (James Joyce 1882-1941)

Foto: © Alex Ehrenzweig

 

Nur ein Poet sucht für Nebensächlichkeiten, wie das Murmeln des Wassers, nach ergreifenderen Worten.

Das Wasser aber sprang und funkelte im Sonnenschein so freudig wie nur je. Ein leises Murmeln drang bis zum Fenster des Jünglings und gab ihm das Gefühl, als sei im Brunnen ein unsterblicher Geist, der sein Lied in Ewigkeiten singt und nicht acht hat, was um ihn geschieht, mag ein Jahrhundert ihn in Marmor meißeln, ein anderes dies vergängliche Gewand in Splittern auf den Boden streuen.
Die Blumen des Bösen (Nathaniel Hawthorne 1804-1864)

Foto: © Library of Congress

 

Sucht man das poetische Wort, wird man sehr schnell im Werk von Adalbert Stifter fündig.

Foto: ©: Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 24.1908-1909

Ein Kind, ein Mädchen wuchs in heiterer Fröhlichkeit heran. Das Mädchen wurde zur Jungfrau, welch in gütevoller Unschuld fort blühte. Ehe das zweite Jahrzehent ihres Lebens um war, musste sie sterben – und alle künftigen Jahre voll blühender Himmel, voll geträumter Hoffnungen, voll erwarteter Freuden – das ganze Leben mit schönen Handlungen angefüllt, etwa an der Seite des Gatten, in der Mitte lieblicher Kinder, in dem Walten des Hauses, wo sie als Muster der Güte und Tugend vorleuchten konnte, in dem hohen Alter, wo sie wieder von den dankbaren Kindern und Enkeln gepflegt wird – alles, alles ist abgeschnitten und dahin. Was die Eltern, selber nun einsam über den schon hinabsteigenden Bogen der Lebensbrücke wandelnd, an dem Kinde zu sehen hofften, das erst freudig, die ersten Stufen jener Brücke hinauf zu gehen anhob – ist dahin. Was auch die anderen Kinder, die geblieben sind, bringen mögen; aus dem Kranze der Freuden ist eine Blume hin, und der Schmerz – wenn er auch irrig wäre -. sagt immer: „ Die verlorene Blume wäre die schönste gewesen. 

Der Tod einer Jungfrau (Adalbert Stifter 1805-1868)

 Die Poesie eines Lächeln.

Foto: © Claudio Elias

Es war weniger ein Lächeln, als ein Verklärtsein. Ihre Züge beseelten sich auf einmal; es war wie ein plötzliches Tagwerden, gleich jenem purpurnem Glanz in den Hochalpen, der der Morgenröte vorangeht und die schneeige Spitze leise zitternd aus der Nacht in die Sichtbarkeit hinaushebt; gleichsam ein Glänzen in mystischen Farben; und ich dachte auch an den Teich Bethesda im Augenblick da der Engel herabsteigt, das stehende Gewässer zu bewegen.
Die Pastoralsymphonie (Andre Gide 1869-1951)

 

 

Wenige Schriftsteller liebten den Pathos und die Poesie wie E. T. A. Hoffmann.

Foto: © Alte Nationalgalerie

Der wunderbare Geist des Wohllauts, der diesem kleinen seltsamen Dinge befreundet, wohnt auch in meiner Brust, aber eingepuppt, keiner freien Bewegung mächtig; doch aus ihrem Inneren, mein Fräulein, schwingt er sich auf zu den lichten Himmelsräumen, in tausend schimmernden Farben, wie das glänzende Pfauenauge. – Ha, mein Fräulein! Als sie sangen, aller sehnsüchtige Schmerz der Liebe, alles Entzücken süßer Träume, die Hoffnung, das Verlangen wogte durch den Wald und fiel nieder wie erquickender Tau in die duftenden Blumenkelche, in die Brust horchender Nachtigallen!
Lebensansichten des Kater Murr (E.T.A.Hoffmann 1776-1822)

 

 

Ausklang eines Tages.

Foto: ©: Nobel Foundation

Die Welt schien wie in ein Netz von wundervollen, goldenen Fäden eingesponnen. Sie war so ernst und ruhig und dennoch wie von einem seligen Lachen erfüllt. Von dem höchsten Feld, das wir durchschreiten mußten, um zu ihrem Häuschen zu gelangen, erblickten wir das weite Land, über das die Schönheit ihre Flügel ausgebreitet hielt. Eine sanfte, wonnige Musik vibrierte leise in unseren Herzen. Die Luft, aus der sich schon seit einigen Tagen der Heugeruch verzogen hatte, war von einem zarten Lindenduft erfüllt und die Sonne sank hinter unsern Fichten und Buchen in ihre abendliche Ruhestatt.
Gestorben (John Galsworthy 1867-1933)

 

Wenn ein Kulturblog einen Beitrag über Poesie in der Literatur schreibt, sollte dieser wahrscheinlich auch ein Gedicht zu diesem Thema enthalten.

Foto: © www.internationale.it/fot/2016/02/04/annemarie-heinrich-foto

Und es war in diesem Alter…
Da nahte auf der Suche nach
mir die Poesie.. Ich weiß nicht,
woher sie kam, vom Winter oder
vom Fluß. Ich weiß nicht wie
noch wann,
nein da waren keine Stimmen,
war nicht Wort noch Schweigen,
doch von der Straße her rief es mich,
aus dem Gezweig der Nacht,
plötzlich unter anderen,
zwischen heftigen Flammen
oder allein bei der Rückkehr,
dort war sie, gesichtslos,
 und sie rührte mich an.

 Pablo Neruda (1904-1973)

 

Liebe Leute, manchen mag Poesie zu pathetisch und blumig erscheinen, jedoch die Literatur unserer Welt wäre ohne sie um einiges ärmer, meint
Euer Kultur Jack!

Über den Autor

Kultur Jack

Vor längerer Zeit in Wien geboren, und bis heute mit der Ortswahl glücklich! Da man von kultureller Leidenschaft allein schwer leben kann, bin ich, im kaufmännischen Bereich, selbständig tätig. Meiner Meinung nach, sollte man geistige Genüsse, nach deren Entdeckung, teilen und weitergeben, damit so viele Menschen wie möglich davon berührt werden. Es liegt ja auch im Sinne des Künstlers, sonst würde er ja kein Buch drucken lassen, oder Bilder zur Schau stellen. Mehr über mich !