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Martyrium des Hl. Sebastian

Martyrium des Hl. Sebastian

Kein anderes Thema ist mit den verschiedensten Varianten der Künste so eng verknüpft wie die Religion. Der gotische Beginn des Kunstschaffens fand ausschließlich religiöse Inhalte für abbildungswürdig, jedoch auch in den folgenden Jahrhunderten waren Altes Testament, Jesusgeschichte und das Leben der Heiligen von enormer Bedeutung. Ein reicher Fundus für Künstler war die Bibel, jedoch woher nahmen sie ihr Wissen über Leben und Wirken der Heiligen, denn außer den Aposteln findet fast keiner von ihnen in der Bibel Erwähnung?

 

Die, mit Abstand, wichtigste Quelle ist die „Legenda Aurea“ des Dominikaners Jacobus de Voragine (1228-1298). Dieser Mönch verfasste eine Sammlung von 182 Traktaten über Kirchenfeste, Lebensgeschichten, aber auch Legenden von Heiligen. Er recherchierte in verschiedensten Quellen und schrieb sein Buch, das später den Namen „Legenda Aurea“ bekam, in einem allgemein verständlichen Schreibstil. Gleich nach dem Erscheinen setzte diese Sammlung einen Siegeszug durch das Abendland an, wurde in viele Sprachen übersetzt und fand bei weitem mehr Leser als die Bibel.
Unzählige Künstler nahmen ihre Anleihen aus dieser Sammlung von Legenden, denn daraus wurden vorrangig die Attribute der Heiligen abgeleitet. So ist auch diese mit 1655 datierte Darstellung des Hl. Sebastians den „Goldenen Legenden“ entnommen.

 

Sebastian war römischer Offizier der sich gegenüber Kaiser Diokletian zum Christentum bekannte. Der Kaiser verurteilte ihn zum Tode und ließ ihn von Bogenschützen erschießen – Sebastian überlebte jedoch und wurde von einer Witwe gesund gepflegt. Nach seiner Genesung bekannte sich der Frühchrist abermals zum Christentum, wurde diesmal auf Diokletians Befehl im Circus Maximus erschlagen, und sein Leichnam in einen Abflussgraben geworfen. Christen bargen ihn daraus und begruben ihn an der Stelle, wo heute eine der sieben Pilgerkirchen Roms steht – „San Sebastiano fuori le mura“.

Foto: © Kultur Jack

Der sogenannte „Meister der Sebastiansmartyrien“ (tätig in Wien um 1655) zeigt in seiner Elfenbeinschnitzerei den Moment vor der geplanten ersten Hinrichtung. im Zentrum der Darstellung ist Sebastian in einer dynamischen Pose bereits an einen Baum gefesselt und richtet seine Augen zum Himmel, während die Vollstrecker seines Urteils ihn von allen Seiten bedrängen.

 

Die Bogenschützen spannen bereits ihre Waffen und treiben dadurch die Dramatik der Abbildung auf den Höhepunkt, denn wir sehen das Geschehen im Moment der Hinrichtung. Umstehende Soldaten sind Zeugen der Handlung und kommentieren sie untereinander. Ein dritter Bogenschütze sitzt im unteren Teil des Bildes frontal zum Betrachter.

 

Der Schrecken des Dargestellten wird dadurch noch gesteigert, dass zwei bereits getötete Kameraden des Märtyrers zu seinen Füßen liegen. Zwei schwebende Putti sind noch zu Zeugen des traurigen Geschehens berufen.

 

Das 80×54 cm große Relief ist eine meisterhafte und gereifte Arbeit, welche die Figuren in fast vollplastischem Realismus zeigt. Sowohl Muskelpartien als auch Mimik und Gestik der Gestalten zeigen das außergewöhnliche Können des Meisters der Elfenbeinschnitzerei. Die gestaffelte Anordnung von den vorderen Protagonisten bis zur entfernten Landschaft im Hintergrund zeugen von den perspektivischen Kenntnissen des Meisters.

 

Verweltlicht und gemildert wird die Szenerie durch die floralen Schnitzereien in der Landschaft, den seitlichen Bäumen und dem unbekümmerten Hund im Vordergrund.

 

Dieses aus zehn Elfenbeinplatten zusammengefügte Relief kann man, auf Grund der Virtuosität der handwerklichen Arbeit und Spannung im Dargestellten, mit Überzeugung bei den Höhepunkten dieser Kunstrichtung einordnen. Abseits vom Künstlerischen ist die Person des Heiligen, auch als Legende, bewundernswert: Für einen Glauben beinahe das Leben zu verlieren, und nach der Genesung dieselbe Position wieder zu beziehen und dadurch den Tod endgültig zu erleiden, ist schon eine beeindruckende Entscheidung.
Euer Kultur Jack.

Beitragsbild: Martyrium des Hl. Sebastian, Kunsthistorisches Museum Wien, Kunstkammer

Über den Autor

Kultur Jack

Vor längerer Zeit in Wien geboren, und bis heute mit der Ortswahl glücklich! Da man von kultureller Leidenschaft allein schwer leben kann, bin ich, im kaufmännischen Bereich, selbständig tätig. Meiner Meinung nach, sollte man geistige Genüsse, nach deren Entdeckung, teilen und weitergeben, damit so viele Menschen wie möglich davon berührt werden. Es liegt ja auch im Sinne des Künstlers, sonst würde er ja kein Buch drucken lassen, oder Bilder zur Schau stellen. Mehr über mich !