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Das Thron-Wiegenbett des Königs von Rom

Das Thron-Wiegenbett des Königs von Rom

Das beginnende 19. Jahrhundert war für den regierenden habsburgischen Kaiser FRANZ II. (1768-1835) keine glückliche Zeit. Als ob es nicht schon genug wäre, fast alle Schlachten und Kriege gegen NAPOLEON I. (1769-1828) zu verlieren und die Krone des Römischen Reichs zurücklegen zu müssen, erwachten bei seinem Gegenspieler, dem Kaiser der Franzosen, Gelüste nach einer eigenen Dynastie. Da zu diesem Vorhaben nur eine Verbindung mit den erlauchtesten Herrscherhäusern Europas vorstellbar war, hielt der Franzose beim Österreicher um die Hand dessen Tochter an. Um eine mögliche Verbindung Napoleon I. mit der Schwester des russischen Zaren zu verhindern, gab der nun als österreichischer Kaiser FRANZ I. Herrschende schweren Herzens seine Zustimmung und damit die Hand seiner Tochter MARIE LOUISE (1791-1847).

 

Die offizielle Vermählung fand am 1. April 1810 in der Kapelle des Louvre statt und nicht ganz ein Jahr später kam der vom französischen Kaiser ersehnte Erbe zur Welt: NAPOLEON FRANZ JOSEPH KARL BONAPARTE (1811-1832). Dieses Ereignis führt uns zum vorzustellenden Kleinod, das die Stadt Paris dem Herrscherpaar als Geschenk überreichte: „Das Thron – Wiegenbett des Königs von Rom“.

 

Obwohl das „Heilige Römische Reich“ seit fünf Jahren Geschichte war, ließ es sich der französische Kaiser nicht nehmen, traditionsgemäß den Thronfolger zum „König von Rom“ zu ernennen, und Napoleon tat dies sofort nach der Geburt des Säuglings. Das hatte zur Folge, dass die Wiege des Kindes prächtig, wie ein Thron auszustatten war. Dieses Bettchen fungierte jedoch nur für Repräsentationszwecke und stand in den Tuilerien, beschirmt von einem Baldachin, auf einem Podest. Für den alltäglichen Gebrauch verwendete man eine Wiege aus gemasertem Holz.
Die Details des exklusiven Möbels betonen die staatspolitische Dimension der Geburt des Thronfolgers. Getragen wird das Bett von Füllhörnern mit deren Symbolik des Wohlstandes, unterstützt durch die Genien von Gerechtigkeit und Stärke.

 

Der Adler zu Füßen des Kindes zeigt den Versuch dem Sternenkranz entgegenzufliegen, wobei er vornehmlich den Stern mit dem Anfangsbuchstaben des Säuglings als Ziel auserkoren hat. Die Sterne überdecken die Insignie des kaiserlichen Lorbeerkranzes, den die schwebende Personifikation von Sieg und Ruhm mit fliehendem Gewand in Händen hält.

 

Rundumlaufend ist die Wiege mit zahllosen Bienen, dem persönlichen Emblem des Kaisers, geschmückt. Im Grab des Merowingerkönigs Childerich wurden goldene Zikaden gefunden, und dies als Vorbild nehmend, ersetzte Napoleon die bourbonische Lilie durch die Biene. Das Kopfende des Bettes schmückt wiederum der Lorbeerkranz mit der Initiale. Eine mit Bienen bestickte Decke ist nur mehr in Fragmenten erhalten.

 

Materielle Großzügigkeit waren bei dem 216 cm hohen künstlerischen Objekt oberstes Gebot. So wurden 280 Kilogramm Silber, zum Teil vergoldet, verarbeitet. Weiter fanden Perlmutt, Gold, auf Kupfer aufgezogener Samt, Seide, Tüll sowie Gold- und Silberstickereien reichlich Verwendung. Zweck und Herkunft zeigt die Aufschrift: „Offert par la Ville de Paris l ´an 1811“. Ausführende Künstlerhände waren: Pierre Paul Prud ´hon, Henri-Victor Roguier, Jean-Baptiste-Claude Odiot und Pierre-Philippe Thomiere.

 

Und wie kam das Kleinod nach Österreich? Für Marie Louise war diese Heirat ein Pflichtdienst für ihre Dynastie und keine Herzensangelegenheit. Sie war beim französischen Volk nicht sonderlich beliebt, denn dieses bevorzugte Napoleons erste Frau Josephine. Nach dem Sturz des Kaisers und seiner Verbannung 1814 kehrte die Habsburgerin mit Sohn und Wiege nach Schönbrunn zurück. Napoleon II. wurde nur 21 Jahre alt und nach seinem Tod wanderte das Prunkmöbel in die Wiener Schatzkammer.

Napoleon II, Foto: © Wikimedia Commons

Kaiser Franz I. von Österreich bekam am Wiener Kongress, auf Grund der Restauration, seine an Napoleon verlorenen Gebiete zurück, und war um die Erfahrung reicher, die bereits einige seiner Vorfahren gemacht hatten: Auch wenn manche Situationen noch so kompliziert erscheinen, genügt es manchmal, wen man sie aussitzt.

 

Euer Kultur Jack!

Eingangsbild: Thron-Wiegebett des Königs von Rom 1811, Detail, Foto: © Kunsthistorisches Museum Wien, Weltliche Schatzkammer

Über den Autor

Kultur Jack

Vor längerer Zeit in Wien geboren, und bis heute mit der Ortswahl glücklich! Da man von kultureller Leidenschaft allein schwer leben kann, bin ich, im kaufmännischen Bereich, selbständig tätig. Meiner Meinung nach, sollte man geistige Genüsse, nach deren Entdeckung, teilen und weitergeben, damit so viele Menschen wie möglich davon berührt werden. Es liegt ja auch im Sinne des Künstlers, sonst würde er ja kein Buch drucken lassen, oder Bilder zur Schau stellen. Mehr über mich !