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Glocken läuten in Tirol

Glocken läuten in Tirol

 Liebe Leute, es hat für mich etwas Berührendes, dass vor langer Zeit, irgendwo auf unserem Planeten, ein Mensch in seiner Werkstatt saß, und all sein handwerkliches und künstlerisches Können, plus seine geistige Kreativität, dazu verwendete, ein unvergleichliches Stück Handarbeit zu schaffen. Dass es jetzt noch immer existiert und uns beeindruckt, verbindet uns mit dem Künstler, wie ein unsichtbarer Faden über die Jahrhunderte. Manche Kunstwerke schaffen es noch dazu, nicht nur unsere Seele, sondern auch unseren Geist in Bewegung zu bringen – und das sind für mich Automaten!

Da wir bereits verschiedene Automaten in unserem Kulturblog präsentiert haben, wird mancher aufmerksame Leser vermuten, dass der heute vorgestellte, wieder aus dem Besitz des sammelwütigen Habsburger Kaisers Rudolf II. stammt. Jedoch diesmal war der Eigentümer jemand, aus ebendieser Familie, der Rudolf , in punkto Sammeltätigkeit, das Wasser reichen konnte: Erzherzog Ferdinand II. (1529-1595), Landesfürst von Tirol.

 

Ferdinand II. zählte, wie sein Neffe Rudolf II., zu den bedeutendsten Sammlern der Renaissance und residierte, in seiner Tiroler Zeit auf Schloss Ambras, am Rande von Innsbruck. Er ließ an das mittelalterliche Schloss einen Trakt für seine Sammlung anbauen, und bezeichnete ihn, mit eigenen Worten, als Museum. Somit ist Ambras das älteste Museum der Welt! Die Sammlung ist auch weltweit die Einzige, die, von der Renaissance bis heute durchgehend, Teile der Sammlung am ursprünglichen Ort ausstellt.

 

Das heutige Objekt unserer Freude, ist ein Automat in Form eines Glockenturms. Hergestellt wurde er aus feuervergoldeter Bronze durch den Augsburger Goldschmied und Uhrmacher Hans Schlottheim (1545-1625), der eine Reihe von Automaten für Sammler herstellte. Einen dieser erlesenen Stücke haben wir in unserem Kulturblog bereits vorgestellt:

https://kulturcheck.at/kleinod-des-monats/der-kaiser-als-steuermann/

Getragen wird der fünfstöckige Turm von vier Sphingen, wobei jedes Stockwerk großzügig, von Fenstern oder Durchgängen, durchbrochen ist.

 

Hinter der Balustrade des ersten Stocks stehen zwei zechende Männer, die dem Betrachter zuprosten. Dahinter, im Innenraum, ziehen zwei Figuren, in Kostümen der Commedia dell´arte, an den Seilen, welche die Glocken in Bewegung versetzen.

 

Das Stockwerk darüber ist gleichfalls von ausgelassen feiernden Männern und einer Frau bevölkert. Das Trinken, Winken und die Beschwingtheit der Individuen, wird vom zarten Läuten der Glocken untermalt.

 

Die restlichen Obergeschosse, des sich verjüngenden Turms, dienen der Unterbringung der Glocken und einer Aussichtsterrasse mit Umgang, nahe der Kuppel. Die Mauern des Gebäudes sind einem Ziegelbau nachempfunden und weisen zudem unterschiedliche Dekorationen auf.

 

Der Bau endet in einer Kuppel mit Spitze, welche eine Flagge und Halbmondsichel trägt. Mit 110cm Höhe und etwas mehr als 20cm Tiefe und Breite, hat die Maschine beeindruckende Ausmaße.

 

Um den Automaten besser zu verstehen, sollte man wissen, dass Erzherzog Ferdinand II., ihn von seinem Neffen, dem Herzog von Bayern, als Geschenk bekam. Er sollte als Erinnerung an einen gemeinsamen Theaterbesuch in der venezianischen Commedia dell´arte dienen.

 

Ferdinand erhielt den Turm kurz vor seiner zweiten Vermählung, diesmal mit seiner Nichte Anna Caterina Gonzaga, im Jahr 1582. Da der Tiroler Landesfürst für exzessive Ausschweifungen bekannt war, besteht die Möglichkeit, dass mit diesem Geschenk, auf ein Ende dieses Lebensstils hingedeutet werden sollte. Dafür spräche auch die Derbheit der Schlusssequenz, im Abschluss der mechanischen Darbietung. Diesen unerwarteten Höhepunkt möchte ich jedoch nicht vorwegnehmen, denn in diesem kurzen Video ist er wesentlich eindrucks- und humorvoller.

Glockenturm Automat Video

Video Copyright : Kunsthistorisches Museum Wien, Kunstkammer

Liebe Leute, Automaten zählten vor 450 Jahren zu den Prestigeobjekten eines Herrschers, und dienten auch der Machtdemonstration, aber ich glaube, sie haben, bis in die gegenwärtige, hochtechnisierte Welt, nichts an Ein- und Ausdruck verloren.

Euer Kultur Jack!

Über den Autor

Kultur Jack

Vor längerer Zeit in Wien geboren, und bis heute mit der Ortswahl glücklich! Da man von kultureller Leidenschaft allein schwer leben kann, bin ich, im kaufmännischen Bereich, selbständig tätig. Meiner Meinung nach, sollte man geistige Genüsse, nach deren Entdeckung, teilen und weitergeben, damit so viele Menschen wie möglich davon berührt werden. Es liegt ja auch im Sinne des Künstlers, sonst würde er ja kein Buch drucken lassen, oder Bilder zur Schau stellen. Mehr über mich !