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Narwalhornbecher

Narwalhornbecher

Betuchte Sammler und Monarchen der Renaissance versuchten in ihren Kunstkammern  die Welt und ihre Mysterien in größtmöglicher Vielfalt zu präsentieren. Da ist es nur natürlich, dass die Seltenheit mancher Objekte die Preise und das Begehren danach steigerte. Kunstobjekte aus dem Horn oder Zahn des Narwals rangierten in den Skalen der Beliebtheit und Sehnsüchten ganz oben, und das hatte besondere Gründe.

Foto: © Kunsthistorisches Museum Wien

Bis zur frühen Neuzeit hielt man den Stoßzahn des Narwals für das Horn des legenden – und mythenumwobenen Einhorns. Durch die Seltenheit dieses Objekts stieg der Wert auf das zehnfache des Goldpreises, und unter dem Begriff „Ainkhürn“ zählte es zu den begehrtesten Materialien für Herrscherinsignien. Erst 1638 wurde vom dänischen Gelehrten Ole Worm der Nachweis erbracht, dass es der Auswuchs des Narwals war.

 

Zum Nimbus der extremen Seltenheit, gesellte sich der Glaube an magische und heilende Wirkungen, wie sie auch den Bezoaren (Magensteine) und Natternzungen (Haifischzähne) zugeschrieben wurden. Der Aberglaube, dass der „Ainkhürn“ bei Berührung mit Gift zu schwitzen beginnt, führte zur Herstellung von Trinkgefäßen und somit zu unserem heutigen Kleinod.

 

Um das Jahr 1600 beauftragte Kaiser Rudolf II. (1552-1612) seinen Hof-Goldschmied Jan Vermeyen, welcher auch die Privatkrone des Herrschers  verfertigte, ein Stück „Ainkhürn“ in  einen exklusiven Trinkbecher zu fassen. Vermeyen ging ans Werk und nur die erlesensten Werkstoffe fanden Verwendung: Gold, Diamanten, Rubine, Elfenbein und Email. Getragen wird der Becher von vier bunt emaillierten, gewundenen Fischkörpern, die in einen edelsteinbesetzten Goldsockel mit vier Gesichtern übergehen.

 

Der Korpus des Gefäßes zeigt sich in der naturbelassenen Form und Struktur, und wird nur durch zwei schlank und dezent gestaltete Handhaben in Form von Schlangen geschmückt, die zugleich beide Teile der Fassung tragen.

 

Der obere Teil der Fassung und der Deckel des Trinkgefäßes sind ähnlich und somit passend zum Sockel gestaltet, und beide zeigen das überragende Können des Goldschmiedes. Jan Vermeyen (1559-1606) avancierte zu einem der berühmtesten Handwerker seiner Zunft und schuf für des Kaisers Tafel und Kunstkammer etliche Gefäße und Kleinode.

 

Für den krönenden Abschluss des Deckelbechers zeichnet ein Mailänder Unternehmen verantwortlich. Die Werkstatt der Steinschneider-Dynastie Miseroni schnitt Porträts in die exquisite Doppelkamee aus Achat. Die Familie Miseroni erarbeitete sich in vier Generationen den Ruf zu den besten Kunsthandwerkern und Steinschneidern Europas zu gehören. Bereits Kaiser Maximilian II. (reg. 1564-1576) war stolzer Besitzer von mehr als 60 Arbeiten dieser begnadeten Meister ihres Fachs.

 

Liebe Leute, die Symbiose aus naturbelassener, erdiger Struktur des Ausgangsmaterials und exklusiver, aufwendiger Fassung desselben, führten zu einem kunstvollen Meisterwerk, dessen sich jede Kunstkammer gerne rühmen würde. Dass es nur magische Anziehungskraft, und keinerlei mystische Wirkungskräfte besitzt, nimmt man dabei gerne in Kauf.

Euer Kultur Jack!

Über den Autor

Kultur Jack

Vor längerer Zeit in Wien geboren, und bis heute mit der Ortswahl glücklich! Da man von kultureller Leidenschaft allein schwer leben kann, bin ich, im kaufmännischen Bereich, selbständig tätig. Meiner Meinung nach, sollte man geistige Genüsse, nach deren Entdeckung, teilen und weitergeben, damit so viele Menschen wie möglich davon berührt werden. Es liegt ja auch im Sinne des Künstlers, sonst würde er ja kein Buch drucken lassen, oder Bilder zur Schau stellen. Mehr über mich !