Seite auswählen

Antonietta und die Stadt der morbiden Romantik

Antonietta und die Stadt der morbiden Romantik

Bei einer Umfrage, welche die schönste Stadt der Welt ist, würden die Antworten sehr vielfältig ausfallen. Bei der Frage nach der ungewöhnlichsten Stadt der Welt, sollte die Antwort eindeutig sein: Venedig! Eine Stadt aus 127 Inseln, deren Häuser zum überwiegenden Teil auf Holzpfählen im Wasser stehen – das ist nicht leicht zu übertreffen. Seit Jahrhunderten zieht die morbide Schönheit dieses Ortes Scharen von Besuchern an, jedoch nur wenigen ist es vergönnt auch dort zu leben. Diese seltene Freude widerfuhr der Künstlerin unseres heutigen Beitrags: Antonietta Brandeis (1848-1926).

 

1848 im kleinen Ort  Miskovice, Böhmen – das zu jener Zeit Teil des österreichischen Kaiserreichs war – geboren, erhielt sie bereits in ihrer Schulzeit Malunterricht beim tschechischen Künstler Karel Javurek. Nach dem Tod ihres Vaters heiratete ihre Mutter den Venezianer Giovanni Scaramella und bald darauf zog die Familie in seine Heimatstadt.

 

Dass Antonietta künstlerisches Talent besaß, bewies die Tatsache, dass sie 19-jährig als eine der ersten Frauen in der Venezianischen Akademie der schönen Künste zum Studium zugelassen wurde. Ein gesetzliches Recht auf den Unterricht bekamen Frauen erst 1875, und da hatte die Studierende ihre Ausbildung bereits abgeschlossen.

 

Bereits im ersten Studienjahr erhielt Brandeis Preise auf den Gebieten Aktzeichnen und Perspektive. Laut den Listen der preisgekrönten Studenten der Akademie folgten in den nächsten fünf Jahre weitere hohe Auszeichnungen für Landschaft, Anatomie, Kunstgeschichte und Zeichnen von Skulpturen.

 

Bis zum Ende ihrer Studienzeit entwickelte die Künstlerin eine akribische Perfektion in der Landschaftsmalerei, aber auch bei Städtebildern in der Tradition der Vedutenmalerei des 18. Jahrhunderts. Noch während ihres Studiums nahm sie bereits an Ausstellungen teil und 1875 verkaufte sie ein Gemälde des Palazzo Falier nach London. Dieser Verkauf war ein erster Fingerzeig auf ihren späteren großen Erfolg mit italienischen Veduten bei internationalen Touristen.

 

In den folgenden Jahren stellt die Künstlerin auch in anderen europäischen Städten aus und wurde gelobt, aber auch kritisiert. Sie nahm Kritik hin, aber als jemand ihre Arbeit bemängelte, jedoch sie als Frau lobte, führte ihr Ärger darüber dazu, dass sie kurzzeitig als „Antonio Brandeis“ ausstellte. Als ihr hauptsächliches Abbildungsmotiv kristallisierte sich Venedig heraus, doch bereiste sie auch andere italienische Städte und malte Szenen aus diesen.

 

Antonietta Brandeis war eine sehr produktive Künstlerin und hielt dieselben Szenen auch mehrmals fest, jedoch mit kleinen Abweichungen. Die große Beliebtheit ihrer venezianischen Motive bei Touristen führte dazu, dass die Bilder der Malerin über die ganze Welt verstreut wurden.

 

Nach dem Tod ihres Gatten 1909 verlegte die Künstlerin ihren Lebensmittelpunkt in ihr Florentiner Haus, reduzierte ein wenig die Ausstellungstätigkeit und arbeitete in ihrem Atelier bis zu ihrem Tode 1926. Da sie ohne Nachkommen blieb, vermachte sie den überwiegenden Teil ihres Besitzes dem Waisenhaus der Stadt.

 

Liebe Leute, der große künstlerische Erfolg von Antonietta Brandeis ist drei Fakten geschuldet: Der Qualität ihrer Arbeit, der großen Produktivität, und der Überfülle an pittoresken Motiven der Lagunenstadt.

Euer Kultur Jack!

Eingangsbild: Basilica San Marco, Dorotheum Wien

Über den Autor

Kultur Jack

Vor längerer Zeit in Wien geboren, und bis heute mit der Ortswahl glücklich! Da man von kultureller Leidenschaft allein schwer leben kann, bin ich, im kaufmännischen Bereich, selbständig tätig. Meiner Meinung nach, sollte man geistige Genüsse, nach deren Entdeckung, teilen und weitergeben, damit so viele Menschen wie möglich davon berührt werden. Es liegt ja auch im Sinne des Künstlers, sonst würde er ja kein Buch drucken lassen, oder Bilder zur Schau stellen. Mehr über mich !