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Eine Kosaken-Fürstin greift zum Pinsel – Marianne von Werefkin

Eine Kosaken-Fürstin greift zum Pinsel – Marianne von Werefkin

Die Welt der Kunst war, bis weit in das 20. Jahrhundert hinein, eine von Männern dominiertes Universum. Frauen wurden, zum großen Teil, Studienplätze verweigert, Lehraufträge nicht einmal angedacht und Ausstellungsmöglichkeiten waren so gut wie nicht existent.
Das geschah aber nicht aus Gehässigkeit oder Neid der Konkurrenz gegenüber, sondern aus noch wesentlich schlimmerem Motiv – die männlichen Entscheidungsträger hielten es für ausgeschlossen, dass die Leistung einer Frau, qualitativ, quantitativ und kreativ, sich dem Können eines männlichen Kollegen annähern, geschweige denn mit diesem gleichziehen kann. Dass sie besser sein kann, wäre sowieso Utopie gewesen.
Doch Begabung, Können und Qualität sind zeitlos, unbestechlich und hartnäckig gegenüber Zeitströmungen – sie überleben Kleingeistigkeit, Dünkel, Selbstüberschätzung und tauchen, wenn ihre Zeit reif ist, strahlend an die Oberfläche des Meeres unsterblicher Schöpfungen.

 

Im Jahre 1860 wurde im Russischen Kaisereich, in der Stadt Tusla, ein Mädchen geboren, welches den Namen Marianne erhielt. Das Schicksal meinte es gut mit ihr, denn ihr Vater war General von altem Adel; die Mutter, Ikonenmalerin, entstammte einer Kosakenfürstenfamilie, und somit verlebte das Mädchen eine sorglose Kindheit in recht begüterten Verhältnissen.
14-jährig wurde ihr zeichnerisches Talent entdeckt und sie erhielt umgehend akademischen Unterricht darin. Dazu bekam sie ein Atelier in St. Petersburg, ein Atelierhaus am Landgut ihrer Eltern und ab 1880 war sie Privatschülerin von Ilja Repin – dem bedeutendsten Vertreter des russischen Realismus.

 

Ab 1883 studierte sie in Moskau und fünf Jahre später durchschoss sie sich bei einem Jagdunfall ihre Maler-Hand. Jedoch ein fehlender Mittelfinger konnte sie von ihrer Sehnsucht und ihrem Vorhaben, Malerin zu sein, keineswegs abhalten.
Eine wirklich schicksalhafte Begegnung hatte sie 1892 mit dem mittellosen Offizier Alexej Jawlensky, denn ihre Beziehung sollte 27 Jahre dauern. Da Jawlensky Maler werden wollte, beschloss Marianne, die sein Talent erkannte, ihn zu fördern und auch teilweise selbst auszubilden. Zu dieser Zeit hatte sie bereits ihre erste wichtige künstlerische Phase hinter sich und war als „Russischer Rembrandt“ bekannt. Viele Werke aus dieser Zeit sind leider verschollen.

Selbstportrait 1893 Foto: © The Anthaneum

 

Als vier Jahre später ihr Vater starb, erhielt sie eine großzügige Zaren-Rente und sie verlegte ihren Lebensmittelpunkt, mit Jawlensky, nach Schwabing in München. Auf Grund der eingangs erwähnten Widrigkeiten für Frauen im Kunstbertrieb, stellte Marianne alle künstlerischen Ambitionen und auch das Malen für zehn Jahre ein und widmete sich gänzlich der Förderung Jawlenskys, damit er, an ihrer Stelle, künstlerisch all das erreichen konnte, was ihr verwehrt blieb. Alexej bekundete seine Dankbarkeit damit, indem er sich an Helene, der zehnjährigen! Gehilfin von Mariannes Zofe, verging.

 

Marianne gründete 1897 in ihrer Münchner Wohnung ihren „rosafarbenen Salon“, in dem bald die Kunstwelt aus und ein ging und die neuesten Entwicklungen diskutierte. Dort entstand die „Bruderschaft von St. Lukas“, die eigentliche Keimzelle des „Blauen Reiters“.
1902 gebar, die jetzt bereits sechzehnjährige, Helene einen Sohn, dessen Vater Jawlensky war. Aber auch das führte nicht zum Bruch des Künstlerpaares, sondern gipfelte darin, dass man vier Jahre später, mit dem neuem Erdenbürger und seiner Mutter, eine Frankreichreise unternahm. Jedoch dort an der Mittelmeerküste begann Marianne wieder zu malen.

 

Ihr großer künstlerischer Umbruch geschah 1907, denn ab dieser Zeit malte sie expressionistisch. Inspiriert dazu wurde sie von Bildern der Künstler Vincent van Gogh, Paul Gauguin, Edvard Munch und Henri de Toulouse-Lautrec. Im Sommer des darauffolgenden Jahres fuhr das Künstlerpaar mit Wassily Kandinsky und Gabriele Münter zum gemeinsamen Malen nach Murnau am Staffelsee und im Winter erfolgte die Gründung der“ Neuen Künstlervereinigung München“, deren Vorsitz Kandinsky übertragen wurde.

 

Am 1. Dezember 1909 wurde die erste Ausstellung des neuen Vereins mit 16 Künstlern eröffnet und Marianne war mit 6 Bildern vertreten. Ein Jahr später schloss sich Franz Marc der Gruppe an, und wieder ein Jahr später lösten sich einige Künstler aus der Gruppe, so auch Marianne, und wurden zur legendären Vereinigung „Der Blauen Reiter“.

 

Als 1914 der erste Weltkrieg ausbrach musste das Künstlerpaar aus Deutschland fliehen und lebten von da an in der Schweiz. Mit der Oktoberrevolution in Russland verlor Werefkin ihre Zarenpension und musste ihren Lebensunterhalt selbst verdienen.

 

1920 stellte Marianne einige Bilder bei der Biennale in Venedig aus und im darauffolgenden Jahr trennte sich Jawlensky endgültig von ihr und heiratete die Mutter seines Kindes, Helene.

 

Da die ehemalige Fürstentochter jetzt verarmt war, malte sie auch Plakate und Postkarten und wurde durch Freunde vor größerer, wirtschaftlicher Not bewahrt.

 

Marianne von Werefkin starb im Februar 1938 in Ancona, Schweiz und wurde, unter Anteilnahme der nahezu gesamten Einwohner der Stadt, am dortigen Friedhof begraben. Ein großer Teil ihres Nachlasses befindet sich heute in der „Fondazione Marianne Werefkin“ in Ancona und wird zum Teil ausgestellt.

 

Liebe Leute, die Bilder von Marianne von Werefkin führen uns in eine seltsame Welt, denn einerseits zeigen sie uns alltägliche Handlungen, die jedoch durch ihre kräftige Farbgebung andererseits fast surreal erscheinen. Normale Geschehen werden durch kontrastreiche Stimmungen zu mystischen, traumhaften Szenen. Die teilweise Flächigkeit ihrer Figuren lässt große Vorbilder erahnen und auch wenn manche Bilder eine fast bedrohliche Atmosphäre besitzen, möchte man sich dem Dargestellten doch nicht entziehen.
Die Qualität des Werkes der Malerin zeigt, dass sich die eingangs erwähnten Hürden für Frauen im Kunstbetrieb, nicht mal im Ansatz rechtfertigen ließen, meint
Euer Kultur Jack!

Über den Autor

Kultur Jack

Vor längerer Zeit in Wien geboren, und bis heute mit der Ortswahl glücklich! Da man von kultureller Leidenschaft allein schwer leben kann, bin ich, im kaufmännischen Bereich, selbständig tätig. Meiner Meinung nach, sollte man geistige Genüsse, nach deren Entdeckung, teilen und weitergeben, damit so viele Menschen wie möglich davon berührt werden. Es liegt ja auch im Sinne des Künstlers, sonst würde er ja kein Buch drucken lassen, oder Bilder zur Schau stellen. Mehr über mich !