Walk of Fame – Tirol – Franz von Defregger
Im Jahre 1435 schrieb das Multitalent (Mathematiker, Schriftsteller, Architekt, Medailleur, Kunsttheoretiker, Humanist) Leon Battista Alberti in Florenz ein Buch mit dem Titel „De pictura“. Es befasste sich mit dem Thema der Malkunst und erlangte dadurch Berühmtheit, dass es die erste theoretische Abhandlung zur Zentralperspektive beinhaltete.
Albertis Theorien waren für die Künstler der damaligen Zeit ein großer Fortschritt, denn es regelt die Größenverhältnisse der Dinge und Personen zueinander und den Bildaufbau auf einen zentralen Fluchtpunkt hin.
Für den heutigen Beitrag in unserem Kulturblog ist vor allem ein bemerkenswerter Satz aus seiner „De pictura“ wichtig: „ Ein Bild ist ein Fenster, durch das wir auf die Historie blicken.“
Über die Kindheit, des in Stronach, Osttirol geborenen Franz Defregger gibt es wenig Fakten sondern eher nur Geschichten. Eine davon besagt, dass eine von ihm nachgezeichnete Fünfziggulden – Banknote so perfekt war, dass sie nicht als Fälschung erkannt wurde.
Belegt ist, dass er 1860 den ererbten elterlichen Bauernhof verkaufte, seinen Schwestern ihren Teil ausbezahlte und nach Amerika auswandern wollte. Jedoch der Plan „Amerika“ zerschlug sich und Franz begann ein Studium bei dem Bildhauer Michael Stolz an der Innsbrucker Gewerbeschule.
1861 verlegte er seinen Lebensmittelpunkt nach München, indem er die Aufnahmeprüfung für die Königliche Kunstakademie absolvierte und dort Malerei studierte.
Die Jahre 63-65 verbrachte er in Paris, schrieb sich in der „Ecole des beaux – arts“ ein, entwickelte sich jedoch auch autodidaktisch weiter. In dieser Stadt stellte er 1864 im „Salon der Zurückgewiesenen“ aus. Dort fanden sich jene Maler wieder, die vom offiziellen „Salon“ abgelehnt wurden. Aus heutiger Sicht war zurückgewiesen zu werden kein Qualitätsmanko – die Impressionisten wurden allesamt ausgeschlossen – sondern Unverständnis der Jury für Neuerungen in der Malerei.
Wieder zurück in München wurde er, mit anderen, wie Hans Makart, Mitarbeiter des erfolgreichen Historienmaler Carl Theodor von Piloty. Diese Zusammenarbeit war für Defregger richtungsweisend, denn 1868 malte er sein Bild „Speckbacher und sein Sohn Anderl“ über den Tiroler Freiheitskämpfer.
Von da an stellte sich der Erfolg sehr rasch ein und Franz hatte das Motiv gefunden, dass ihn sein Leben lang nicht mehr loslassen wird – Tirol.
Ein unerschöpfliches Thema wurde für ihn der Tiroler Freiheitskampf von 1809. Dieses Jahr war geprägt von der Vertreibung der bayrisch-französischen Truppen durch die Tiroler und der abermaligen Besetzung durch Napoleon und der Hinrichtung von Andreas Hofer.
Gleichbedeutend für ihn wurde aber auch die Abbildung des Alltags und Lebens der Tiroler Bauern.
Herzerwärmend sind vor allem seine Bilder des Kinderlebens in Tirol.
Die lebensnahe Darstellung dieser Welt bescherte ihm sehr rasche Berühmtheit und er erhielt 1878 eine Professur für Historienmalerei an der Münchner Kunstakademie, welche er bis 1910 innehatte.
In den folgenden Jahren wurde Defregger mit Preisen und Auszeichnungen überhäuft, unter anderen mit dem „Pour le Mérite“ für Wissenschaft und Kunst aber auch 1883 mit dem „Verdienstorden der Bayrischen Krone“, der einem Ritterschlag gleichkam und er sich dadurch ab diesem Zeitpunkt Franz von Defregger nennen durfte.
1906 erfuhr sein Werk eine bedeutende Würdigung in der Jahrhundertausstellung Deutscher Kunst in Berlin, und ein Jahr zuvor wurde er Ehrenbürger von München.
Zu seinen Schüler zählte, unter anderen, Lovis Corinth, der sich später zu einem der einflussreichsten Vertreter des deutschen Impressionismus entwickelte.
Ein besonderes Herzensprojekt war für den Maler die Porträtkunst – von seinem 3500 Werke umfassenden Gesamt – Oeuvre sind ca. 450 Bilder Frauenporträts.
1921, nach einem erfolgreichen Künstlerleben, starb Franz von Defregger in München und wurde auch dort zu Grabe getragen.
Möglicherweise werden sich manche fragen: „Was sollte Leon Battista Alberti am Anfang des Beitrags?“
Liebe Leute, Albertis Satz ist von enormer Bedeutung, denn in den vergangenen Jahrhunderten nahmen Maler den Platz der heutigen Fotografen ein, und sie ließen uns alle auf die „Historie“ blicken; Defregger zeigte uns , zum Beispiel, die von 1809. Aber auch seine anderen Arbeiten zeigen uns Geschichte, denn sie machen uns zu Zeugen einer verloschenen Zeit im Leben der Tiroler Bauern, und von den Porträtierten lebt kein Einziger mehr.
Albertis Fenster- Metapher gilt bis heute, denn man kann ein Bild als Fenster sehen, es erweitert theoretisch den Raum, und wir blicken in eine andere Welt. Diese Fenster zeigen uns geschichtsträchtige Persönlichkeiten, Schlachten die das Weltbild veränderten,
Entdeckungsreisen zu fremden Kontinenten aber auch Modetrends weit zurückliegender Zeiten.
Königliche Herrscher erblicken wir, aber auch völlig Unbekannte die erst durch diese Fenster zu Ikonen wurden.
Wer es nicht so pompös will, der kann aber auch gerne ganz normalen Menschen zusehen wie sie lebten, liebten und lachten, oder, wie in unserem Fall, in der Tiroler Bergwelt ihr Leben verbrachten.
Liebe Leute, denjenigen unter Euch, denen das alles noch zu viel Abbild ist, sei der meditative Fensterblick in eine abstrakte Welt empfohlen.
Euer Kultur Jack!