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B(r)uchstücke der Literatur XXIII-In der grünen Farbe glänzen, ist die erste Wahl der Welt…

B(r)uchstücke der Literatur XXIII-In der grünen Farbe glänzen, ist die erste Wahl der Welt…

Viele Schreibende haben sich – der Eine selten, der Andere auch sehr oft – über die Schönheit und natürlichen Gegebenheiten unseres Planeten so ihre Gedanken gemacht und zu Papier gebracht. Unser Kultur-Blog folgt heute diesen Kulturschaffenden und versucht zu zeigen, womit sie, ob in Prosa, Poesie oder Dichtung, unsere Sinne anzuregen versuchten.

Karl Heinrich Waggerl war mit Herz und Seele seinem Heimatort Wagrain innig verbunden, und das schlug sich auch in seinen Erzählungen und Beobachtungen nieder.

Selbstporträt Foto: © Karl Heinrich Waggerl

„Es ist eher eine Empfindung von reuevoller Zuneigung für die friedfertigsten und unschuldigsten aller Geschöpfe der Erde. Pflanzen sind Kinder der reinen Elemente, des Lichtes, der Luft und des Wassers aus dem Himmel. Sie atmen nur und trinken, sie fressen nicht, von ein paar Ausnahmen abgesehen, die aus der Art schlugen und sich spaßeshalber auf den Fliegenfang verlegten. Alle übrigen sind keines anderen Wesens Feind, und selbst wenn sie sich mit Gift und Dorn zur Wehr setzen müssen, tun sie es behutsam. Nur Gier und grobe Gewalt kommen zu Schaden. Ist es nicht rührend, ein unbegreiflicher Vorgang, der sich mit nüchterner Überlegung kaum erklären lässt, wenn viele Pflanzen kostbare Säfte in sich bereiten und damit ihre Todfeinde vor dem Tode zu schützen. Es verhält sich ja nicht so, wie ein einfältiger Kopf vermuten könnte, dass der Chinabaum etwa zuweilen etwa selber an Malaria litte oder die Kamille an Bauchgrimmen.
Pflanzen sind Meister des Müßiggangs, sind Helden der Geduld, sie bewältigen ihr gnadenloses Schicksal einfach dadurch, dass sie da sind, nicht mit Bewusstsein freilich, wie der Mensch, aber das ist ja auch nicht das Beste an der Sache. Wohin der Vogel Zufall den Samen trägt, dort muss er keimen und Wurzeln schlagen oder verderben. Er muss der Dürre standhalten, den Wettergüssen, dem Frost, stumm und reglos. Aber die Sonne kommt ja auch, sie lässt die Blüten aufbrechen und die Früchte reifen zur gottgewollten Zeit. Man weiß von Bäumen die zu wachsen begannen, als anderswo die Pyramiden gebaut wurden. Nun stehen sie da, beide als ebenbürtige Wunder bis auf den lächerlichen Umstand, dass die Pyramide nur Steine um sich säen konnte, während so ein Baum in fünftausend Jahren einen ganzen Wald hervorgebracht hat, wieder für fünftausend Jahre. Andere Pflanzen sind winzig klein, und sie eroberten dennoch den ganzen Erdkreis nach und nach, nicht mit Feuer und Schwert, sondern in geduldiger Stille und zum Zeugnis gegen jene, die den Kampf mit Feuer und Schwert für den Vater aller Dinge halten. Ich, wenn ich ein Sinnbild echten Heldentums zu suchen hätte, ich würde die Vogelmiere statt des Kaisers Napoleon wählen. Überhaupt habe ich eine Vorliebe für Unkräuter, aus innerer Verwandtschaft, sagen die Freunde, ich weiß es nicht. Nur im Garten sehe ich sie weniger gern, ich wage es ja selber auch nicht, mich in gesitteter Häuslichkeit mit meiner wahren Natur breit zu machen. Man findet keine auffälligen Schönheiten unter den Unkräutern, ihre Stärke liegt anderswo, wie jeder weiß, der einmal versucht hat, eine Quecke umzubringen. Etliche sind allerdings auch mit ihrer äußeren Erscheinung weit voran gekommen, Stiefmütterchen zum Beispiel, oder Gänseblümchen. Weil der Mensch, der Parvenü, auch sie, wie alle seine Lebensgenossen zu Narren machte, nahmen sie allmählich das Gehaben von Orchideen und Chrysanthemen an, und nun säumen sie Parkrabatten und ähnliche Scheußlichkeiten ein.“
Das Buch vom einfachen Leben, Karl Heinrich Waggerl (1897-1973)

 

Der Brite Thomas Hardy über die Heidelandschaft seiner Heimat.

 

Foto: © National Portrait Gallery

Die Julisonne schien über die Egdon – Heide und ließ ihr karmesinrotes Kraut scharlachfarben aufflammen. Es war die einzige Zeit des Jahres und das einzige Wetter, da auch die Heide wirkliche Pracht entfaltet. Diese Zeit der Blüte verkörperte den mittäglichen Abschnitt im Zyklus jener flüchtigen Veränderungen, die allein hier möglich waren; sie folgte der grünen Periode oder der Periode der jungen Farne, die den Morgen verkörperte, und ging der braunen Periode voran, in der die Heideblüten und Farne die rostbraune Tönung des Abends annehmen, um wiederum von den düsteren Farben der Winterzeit abgelöst zu werden, die die Nacht verkörpern.
Auf verschlungenen Pfaden, Thomas Hardy (1840-1928)

 

Schriftsteller erkennen die einzelnen Punkte und Teile des Erlebten und formen daraus den Gesamteindruck.
Seine Bäume verbargen niemand. Sie standen sanft vergoldet von der Nachmittagssonne ruhig in der Windstille, und durch das Laub zitterte das Licht auf den Weg, wie auf den Grund eines goldenen Baches. Der Laubgang war wie eine große grüne, stille Halle, und hinten in seinem Tore zitterte ein kleiner blauer Streifen, fern, wo Meer und Himmel ineinanderflossen.
Ein Nachmittag, Georg Heym (1887-1912)

Foto: © de.Georgheym.jpg

 

Virginia Woolf lässt uns an einem beeindruckenden Sommerabend teilhaben.

Foto: © Christiaan Tonnis

Es war ein Sommerabend; die Sonne ging unter; der Himmel war noch blau, aber mit einem Anflug von Gold, als hinge ein dünnes Schleiergewebe davor; und da und dort in der blaugoldenen Weite schwamm eine Wolkeninsel. Auf den Wiesen standen die Bäumen mit majestätischen Schabracken von unzähligen vergoldeten Blättern. Schafe und Kühe, perlenweiß und scheckig, lagernden käuend oder weideten sich durch das fast durchsichtige Gras. Alles war von einem Saum von Licht umgeben. Rötlichgoldener Rauch stieg von dem Staub der Landstraßen auf. Sogar die kleinen Villen aus roten Ziegeln waren durchlässig geworden, glühten von Licht, und die Blumen in den Hausgärtchen, lila und rosa, wie Kattunkleider, leuchteten geädert, gleichsam von innen erhellt. Die Gesichter von Leuten, die in den Türen ländlicher Häuschen standen oder städtische Gehsteige entlangtrotteten, zeigten dasselbe rötliche Glühen, wenn sie der langsam sinkenden Sonne zugewandt waren.
Die Jahre, Virginia Woolf (1882-1941)

 

Ein Gedicht in Übersetzung, noch dazu wenn es sich in dieser ebenfalls reimt, verändert das Original auf jeden Fall. Aber es bedeutet nicht, dass es ohne Schönheit ist.

Foto: ©Luis Garcia from Madrid

In der grünen Farbe glänzen,
Ist die erste Wahl der Welt,
Und was lieblich dar sich stellt! –
Grün ist ja die Tracht des Lenzen,
Und man sieht, um ihn zu kränzen,
Keimend aus der Erde Grüften,
Ohne Stimmen, doch in Düften
Atmend, in den grünen Wiegen
Buntgefärbte Blumen liegen,
Welche Sterne sind den Lüften.
Pedro Calderón de la Barca (1600-1681)

 

 

Liebe Leute, nach so viel Naturerlebnis entlässt Euch jetzt wieder in den Alltag,
Euer Kultur Jack!

Über den Autor

Kultur Jack

Vor längerer Zeit in Wien geboren, und bis heute mit der Ortswahl glücklich! Da man von kultureller Leidenschaft allein schwer leben kann, bin ich, im kaufmännischen Bereich, selbständig tätig. Meiner Meinung nach, sollte man geistige Genüsse, nach deren Entdeckung, teilen und weitergeben, damit so viele Menschen wie möglich davon berührt werden. Es liegt ja auch im Sinne des Künstlers, sonst würde er ja kein Buch drucken lassen, oder Bilder zur Schau stellen. Mehr über mich !