James Tissot (1836-1902)
Jaques Joseph Tissot, wie er mit bürgerlichem Namen hieß, gehörte zu jenen Malern, die schon von früher Jugend an wußten, dass Bilder zu malen nicht ihr Beruf, sondern ihre Berufung ist. Obwohl sich seine Eltern einen konventionellen Beruf für ihn gewünscht hatten, konnte er sie bereits im Alter von 17 Jahren davon überzeugen, dass er sein Glück nur als Künstler finden konnte und erhielt in seiner Geburtsstadt Nantes seine erste Ausbildung.
Zwei Jahre später hatte er seinen Namen auf James anglisiert, zog nach Paris und schrieb sich an der Ecole des Beaux-Artes ein, um ein Kunststudium zu absolvieren. Wie die meisten Maler seiner Generation verbrachte er viel Zeit in den Museen, um alte Meister zu kopieren und er lernte spätere Berühmtheiten wie James McNeill Whistler, Edgar Degas und Edouard Manet kennen, die zu seinen Freunden wurden.
Zwei Einflüsse seiner Kindheit machten sich von Beginn an bemerkbar. Er kam aus einem religiösen Haus und so waren seine ersten Themen biblischer, aber auch literarischer Natur. Des Weiteren hatten seine Eltern es in der Textilbranche zu Wohlstand gebracht, worin wahrscheinlich James lebenslange Affinität für Kostüme und die Abbildung von stofflichen Strukturen begründet lag.
Bereits 1859 stellte Tissot fünf Gemälde mit mittelalterlichem Inhalt im Pariser Salon aus, und das „Treffen von Dr. Faust mit Margeruite“ wurde vom französischen Staat angekauft. Seine steile Karriere begann, als er 1863 die bisherigen Themen hinter sich ließ und die Pariser Society mitsamt deren Lebensstil sein Interesse fand. Das portraitieren der mondänen Gesellschaft in ihrer Umgebung machte ihn schlagartig berühmt und so begehrt, dass er sich bereits ein Jahr später ein Haus in der Hauptstadt bauen ließ. Auf Grund seines Faibles für Textilien ist es wenig verwunderlich, dass James sich auch dem Japonismus zuwendete.
Zur Zeit des Deutsch-Französischen Kriegs schloss sich James der Pariser Kommune an, musste, nach deren Niederschlagung, Frankreich verlassen und ließ sich in London nieder. Auch hier verbreitete sich sein Ruf als Maler des eleganten Lebens in Windeseile, wobei er wiederum, in bestechender Weise, die Schönheit und Exklusivität der Damenmode in den Vordergrund stellte.
Bereits nach zwei Jahren in England besaß Tissot wieder ein Haus, das er mit seiner Geliebten und Muse Kathleen Newton, im aufstrebenden Stadtteil St. John Woods bezog. Die nächsten 11 Jahre blieb der Künstler in England und sein Erfolg war bei Sammlern und Auftraggebern grandios. Er stellte in seinen Bildern die Schönheit der Frauen, und deren modische Erscheinung in den Mittelpunkt des Geschehens. Die Dargestellten bewegten sich meistens in geschlossenen Räumen oder intimer Vertrautheit, und der Betrachter hatte das Empfinden eines verborgenen Blicks durch das Schlüsselloch.
1874 versuchte Edgar Degas ihn zu einer Teilnahme an der ersten Gruppenausstellung der Impressionisten in Paris zu bewegen. Der Malstil James Tissots variierte zwischen Realismus, einer zeitweisen Anlehnung an die „Präraffaeliten“ und dem Impressionismus. Da es jedoch dem Künstler nicht behagte kategorisiert zu werden, lehnte er eine Teilnahme ab. Es hinderte James jedoch nicht daran den Impressionisten, wie Berthe Morisot und Edouard Manet, nahezustehen.
Eine große Veränderung brachte die Muse Kathleen in sein Leben. Bis dahin in Londoner Kreisen als Dandy bekannt, zog er jetzt den gesellschaftlichen Zusammenkünften die traute Zweisamkeit vor. Trotz getrennter Haushalte pflegte der Künstler, mit ihr und ihren zwei Kindern, eine Art von Familienleben und so tauchte auch seine private Seite in den Bildern auf. Es war für ihn ein Schicksalsschlag als seine Geliebte 1882, im Alter von 28 Jahren, an Tuberkulose verstarb. Fünf Tage nach ihrem Tod ging Tissot nach Paris zurück.
Da der Maler bei seiner Rückkehr nach Frankreich bereits zu den etablierten Künstlern zählte, ging sein Erfolg ungebremst weiter und die wohlhabende Oberschicht der Hauptstadt öffnet ihm Tür und Tor. Doch der Tod seiner Geliebten hatte ihn in eine tiefe Krise gestürzt und er suchte seelische Heilung im Spiritismus. Die Erlösung fand er dort jedoch nicht, sondern die Rückbesinnung auf seine religiösen Wurzeln erleichterten sein Dasein.
Ab 1886 bereiste Tissot mehrmals Palästina und seine Arbeit widmete sich, fast ausschließlich, nur mehr religiösen Themen. Er studierte die Originalschauplätze der Bibel und er illustrierte das Heilige Buch. Diese Arbeit führte zu einem unerwarteten Erfolg und steigerte seinen internationalen Ruhm.
Die nächsten Jahre, bis 1900, nahm eine Serie von 365 Gouachen zum Leben Jesu in Anspruch, die vom Brooklyn Museum angekauft wurden und die Kunstwelt begeisterten. Eine französische und eine englische Sammler-Ausgabe dieser Arbeiten erschienen in dieser Zeit und entwickelten sich zu einem enormen finanziellen Erfolg für den Maler. 80 Illustrationen zum Alten Testaments konnte James Tissot noch fertigstellen, bevor er 1902 in Chenesey-Buillon, einer ehemaligen Abtei, die er von seinem Vater geerbt hatte, starb.
Das Werk von James Tissot geriet bald nach seinem Ableben in Vergessenheit, da zu diesem Zeitpunkt der Impressionismus seinen Siegeszug um die Welt antrat. Da das Spätwerk des Malers mehr dem Realismus als dem Impressionismus zugewandt war, fand Tissot, aus kunsthistorischer Sicht, nicht die ihm zustehende Beachtung und er gilt heute als wichtiger Chronist des mondänen Lebens im ausgehenden 19. Jahrhundert.
Die Menschen des 21. Jahrhunderts verdanken seiner Vorliebe für Textilien einen Blick in eine Modewelt, die in punkto Fraulichkeit ihren Zenit erreichte. Des Künstlers Ziel war nicht Charakterstudien seiner Modelle zu verfertigen, sondern führt uns in die Welt der Krinolinen, Wespentaillen und Hutkreationen ein. So ist James Tissot nicht bloß Chronist dieser Zeit, sondern vermittelt uns auch das Lebensgefühl dieser Epoche.
Jedoch auch seine religiösen Themen gerieten nicht ganz in Vergessenheit, denn seine imaginäre Vorstellung der Bundeslade der Israeliten fand Eingang nach Hollywood und ließ „Indiana Jones“, ob dieses Fundes, in Verzückung geraten.
Für einen Kulturblog ist es eine Freude, Arbeiten wie jene von James Tissot den Lesern zu präsentieren. Jedoch abseits der handwerklichen Qualität sind die Bilder des Künstlers noch etwas Anderes: Eine eindeutige Hommage dieses Mannes, an die Schönheit der Frauen!
Euer Kultur Jack!