Deckelkanne mit Jagd – und Fischereiszenen
Wenn ich über ein Kleinod aus Elfenbein schreibe, löst es bei mir widersprüchliche Gefühle aus. Einerseits gibt es wenige Materialien, aus denen sich subtilere und schönere Kunstwerke erschaffen lassen, auf der anderen Seite ist der heutige Umgang mit der Beschaffung dieses Beins derart abstoßend und widerlich, dass ich meistens zögere darüber zu schreiben.
Elfenbein war ein Werkstoff, der in allen Kulturen großen Anklang fand, von der jüngeren Altsteinzeit (45.000 v.Chr. bis 11.700 v. Chr.) bis heute. Bis zum 19. Jahrhundert wurde das gesamte Tier verwertet und die Stoßzähne waren trotzdem ein rares Gut, denn Elefanten waren schwer zu jagen.
Es änderte sich schlagartig, als die Kolonialmächte den Elfenbeinhandel übernahmen, denn diese hatten Schusswaffen und das Zielobjekt waren nur mehr die Zähne. Es wurde zu einem sinnlosen Morden für Klaviertasten und Billardkugeln.
Unser heutiges Kleinod des Monats stammt jedoch aus einer Zeit des humaneren Umgangs mit diesem Thema, dem 3. Viertel des 17. Jahrhundert. Es ist eine Deckelkanne, komplett aus Elfenbein bestehend, mit einer Höhe von 30 cm. Durch den ausladenden Griff und Ausguss erreicht sie eine Breite von 24cm.Der Schöpfer dieses Meisterwerks war Balthasar Grießmann (um 1620 Wasserburg – 1706 Salzburg), ein Schnitzer und Drechsler, der sich auf die Bearbeitung von Stoßzähnen spezialisiert hatte, über dessen persönliche Geschichte jedoch nicht viel überliefert ist. Sein Schaffen erfreute sich aber großer Wertschätzung und findet sich in großen Sammlungen über den Globus verstreut.
Unsere Deckelkanne ist rundum mit Szenen aus Fischerei und Jagd geschmückt und diese erstrecken sich auch auf den Griff und den Ausguss des Gefäßes. Der ausladende Fuß ist mit in der Fischerei tätigen Menschen verziert, und setzt sich in der Verjüngung in ornamentalen Mustern fort.
Der untere bauchige Teil der Kanne ist ebenfalls den Fischern gewidmet und man entdeckt sie mit Angeln, Reußen, Netzen oder Käschern.
Ein schmaler Fries mit Hunden und erlegten Tieren trennt in der Mitte die Fischer von den Jägern.
Der obere breite Fries ist der Jagd und ihrer Dynamik gewidmet. Ob zu Pferd, mit Waffen oder Hunden, wird die Beute in bewaldeter Gegend gehetzt und erlegt. Dabei ist das Schnitzwerk sehr fein gearbeitet und durch die Dreidimensionalität sind die Szenen und Protagonisten sehr gut zu deuten und zu verstehen.
Die Darstellungen am Deckel des Gefäßes ändern sich nur in der Weise, dass die Jagd mit Stangen und Hunden auf Großvögel erzählt wird. Krönenden Abschluss findet die Deckelkanne in zwei, auf Delphinen reitenden, Putti.
Meisterlich ist auch der Griff des Gefäßes gestaltet. Im Blätterwerk kletternde oder mit Hunden spielende Menschen verleihen dem Krug auch einen romantischen und verspielten Charakter. Die Tülle der Kanne ist floral gestaltet.
Elfenbein ist ein weicher Werkstoff, mit dem ähnlichen Härtegrad wie Gold. Es ist daher leicht zu bearbeiten, erfordert aber großes Können des Gestalters, egal ob er mit der Hand schnitzt oder mit einer Maschine drechselt. In der Zeit des Barocks, aus der unser Kleinod stammt, wurde auch weitgehend auf Färbungen verzichtet und man ließ den edlen, warmen Ton des Elfenbeins zur Wirkung kommen. Ein Meisterwerk, wie diese Kanne, war natürlich nie für den Gebrauch bestimmt, sondern diente nur dekorativen und repräsentativen Zwecken. Als Vorlage für die dargestellten Szenen dienten niederländische Kupferstiche.
Liebe Leute, auch wenn der Erstbesitzer dieses Stoßzahnes das Auge des Betrachters in freier Wildbahn beeindruckte und erfreute, widerfahren dem jetzigen Bewunderer der veränderten Form, ähnliche Gefühle beim Anblick dieser kunstvollen Schöpfung.
Euer Kultur Jack!