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B(r)uchstücke der Literatur LXVIII – Aus dem Leben

B(r)uchstücke der Literatur LXVIII – Aus dem Leben

Das tägliche Leben bot den Schreibenden aller Jahrhunderte eine Fülle der unterschiedlichsten Beobachtungen und Themen. Sie sahen mit den Augen und schrieben mit den Herzen. Kein Erlebtes machte sie sprachlos und keine Betrachtung war zu minder. Frei nach den Worten des römischen Dichters der Antike Terenz: „Ich bin ein Mensch, nichts Menschliches ist mir fremd.“

Was man aus seinem Leben macht.

Alain de Botton, Foto: © Wikimedia Commons

Achtzig Jahre später nahm Nietzsche, der de Maistre gelesen und bewundert und der ebenfalls viel Zeit in seinem Zimmer verbracht hatte, den Gedanken wieder auf:
„ Sieht man zu, wie einzelne mit ihren Erlebnissen – ihren unbedeutende, alltäglichen Erlebnissen – umzugehen wissen, sodass diese zu einem Ackerland werden, das dreimal des Jahres Frucht trägt; während andere – und wie viele! – durch den Wogenschlag der aufregendsten Schicksale, der mannigfaltigsten Zeit- und Volksströmungen hindurch getrieben werden und doch immer leicht, immer obenauf, wie Kork, bleiben: so ist man endlich versucht, die Menschheit in eine Minorität (Minimalität) solcher einzuteilen, welche aus wenigem viel zu machen verstehen und in eine Majorität derer, welche aus vielem wenig zu machen verstehen.“
Kunst des Reisens, Alain de Botton (geb.1969)

Alt werden, jung bleiben.

Charles Dickens, Foto: © Public Domain Pictures Net

„Die blühenden Farben sanfter Pfirsichhaut, die zarten Töne junger Blüten können nicht erlesener sein als die Mischung von Rose und Lilie in ihrem schöngeschnittenen Antlitz oder das tiefe Blau ihrer Augen, Rebenranken könnten in all ihrer anmutigen Üppigkeit nicht zierlicher sein als die reichen braunen Locken, die ihre Stirn umrahmten.
Hätten wir alle solche Herzen wie diese junge Schöne, die so leicht in unserem Busen schlügen, so würden wir den Himmel auf Erden haben! Denn während unsere Körper alt und welk werden, könnten doch unsere Herzen ihre Jugend und Frische behalten – und was würden uns dann unsere Leiden und Sorgen anhaben? Aber das schwache Bild von Eden, das unsere Gesichter noch in der Kindheit tragen, wird im Kampf und Ringen mit der rauen Welt verwischt, bis es ganz verschwindet; und allzu oft bleibt nichts zurück als eine trostlose Leere…“
Nicholas Nickleby, Charles Dickens (1812-1870)

Das Schicksal des Menschen.

Ivar Lo Johansson, Foto: © Oslo Museum Digitalmuseum

„Auch damals war Mittsommerabend gewesen, auch damals hatten Unruhe und Tod existiert. Auch damals war die Luft an gewissen Abenden des Jahres laut und duftend gewesen. Menschen waren gekommen, hatten sich kurze Zeit in den Häusern aufgehalten und waren weiter ihren Höhlen in der Erde entgegengewandert, in denen sie dann als Tote lagen. Die Steine, die Bäume schienen unberührt, auf alles vorbereitet, was kommen mochte, sie waren ohne Sorgen. Nur Menschen fühlten Unruhe. Nur der Mensch vermochte so sehr zu lieben, dass er sich bis zu unerträglichem Schmerz ängstigte. Das gewaltige Menschenprivilegium musste mit diesem Preis bezahlt werden, nichts wurde als Geschenk zuteil ohne entsprechendes Opfer.“
Waldwege, Ivar Lo Johansson (1901-1990)

Das Leben ist nicht zu berechnen.

„Beim Rückblick auf das vergangene halbe Jahr erkannte Margaret, wie chaotisch unser tägliches Leben ist, wie sehr es sich von dem geordneten Ablauf unterscheidet, den die Historiker fabrizieren. Das wirkliche Leben steckt voller falscher Spuren und Wegweiser, die nirgendwohin führen. Mit unendlicher Anstrengung rüsten wir uns für eine Krise, die dann nie kommt. Noch im erfolgreichsten Leben werden Kräfte vergeudet, mit denen man hätte Berge versetzen können, und das erfolgloseste Leben führt nicht etwa der, den es unvorbereitet trifft, sondern derjenige, der vorbereitet ist und den es niemals trifft.“
Wiedersehen in Howards End, Edward M. Forster (1879-1970)

Edward M. Forster, Foto: © GaHetNa Nationaal Archief NL

 

Wäre definitiv eine sinnvollere Entwicklung, und aktueller denn je.

Erich Fromm, Foto: © Rainer Funk

Aber es ist äußerst wichtig, dass sich die sozialistischen Ökonomen, Philosophen und Psychologen der Gefahr bewusst sind, dass sich das Ziel eines optimalen Konsums leicht in das eines maximalen verwandeln kann. Die sozialistischen Theoretiker haben die Aufgabe, das Wesen der menschlichen Bedürfnisse zu untersuchen und die Kriterien zur Unterscheidung von unechten und echten menschlichen Bedürfnissen herauszufinden. Sie müssen jene Bedürfnisse namhaft machen, deren Befriedigung die Menschen lebendiger und empfindungsfähiger macht, im Gegensatz zu den synthetischen, vom Kapitalismus geschaffenen Bedürfnissen, welche die Menschen schwächen, sie passiver und gelangweilt, und zu Sklaven ihrer Gier nach dem Besitz von Dingen machen.
Mir geht es nicht darum, die Produktion als solche einschränken zu wollen. Sobald aber die optimale Befriedigung des individuellen Konsums erreicht ist, sollte mehr für den gesellschaftlichen Konsum getan werden: für Schulen, Bibliotheken, Theater, Parks, Krankenhäuser, öffentliche Verkehrsmittel usw. Der stets wachsende individuelle Konsum in den hochindustrialisierten Ländern legt den Gedanken nahe, dass Konkurrenzkampf, Gier und Neid nicht nur durch Privatbesitz, sondern auch durch uneingeschränkten privaten Konsum entstehen. Die sozialistischen Theoretiker sollten die Tatsache nicht aus den Augen verlieren, dass es Ziel des humanistischen Sozialismus ist, eine Industriegesellschaft aufzubauen, deren Produktionsweise der Entwicklung des totalen Menschen, und nicht der Erzeugung des homo cosumens dient; dass die sozialistische Gesellschaft eine Industriegesellschaft sein sollte, in der menschliche Wesen leben und sich entwickeln können.“
Über den Ungehorsam, Erich Fromm (1900-1980)

Das Mysterium des Lebens.
„Aber das Leben ist traurig und feierlich. Wir werden in eine wunderschöne Welt gelassen, treffen uns hier, stellen uns einander vor – und gehen zusammen ein Weilchen weiter. Dann verlieren wir einander und verschwinden ebenso plötzlich und unerklärlich, wie wir gekommen sind.“
Sofies Welt, Jostein Gaarder (geb.1952)

Jostein Gaarder, Foto: © Heike Huslage-Koch

 

Die meisten Schreibenden versuchen in ihrem Werk, zu gewissen Zeitpunkten, auf das Wie und Warum unseres Dasein Antworten zu finden. Den Lesenden kann es helfen das eigene Weltbild abzurunden.
Euer Kultur Jack!

Beitragsbild: Pixabay

Über den Autor

Kultur Jack

Vor längerer Zeit in Wien geboren, und bis heute mit der Ortswahl glücklich! Da man von kultureller Leidenschaft allein schwer leben kann, bin ich, im kaufmännischen Bereich, selbständig tätig. Meiner Meinung nach, sollte man geistige Genüsse, nach deren Entdeckung, teilen und weitergeben, damit so viele Menschen wie möglich davon berührt werden. Es liegt ja auch im Sinne des Künstlers, sonst würde er ja kein Buch drucken lassen, oder Bilder zur Schau stellen. Mehr über mich !