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Als Leben in die Bilder kam

Als Leben in die Bilder kam

Giotto di Bondone (um 1267-1337)

Gegen Ende des 13. Jahrhunderts hütete ein Junge, nahe Florenz, seine Schafe und zeichnete eines davon auf einen Stein. Zufällig kam der Maler Cimabue des Weges, sah ihm beim Zeichnen zu und war über die Ähnlichkeit des Abbilds mit dem Vorbild so erstaunt, dass er den Jungen als Lehrling in seine Werkstatt aufnahm.
So will es die Legende!
Dieser Junge war Giotto di Bondone, kurz Giotto genannt, und die Fachwelt nimmt heute an, dass er wirklich bei Cimabue sein Handwerk erlernte.
Er dürfte aber sehr erfolgreich gewesen sein, denn 1298 stellte er ein Mosaik für die Außenfassade der ersten Peterskirche in Rom fertig, die Navicella. Das Original ist heute nicht mehr erhalten, aber eine Kopie aus dem 17. Jahrhundert kann man noch immer in der neuen Peterskirche bewundern.

Foto: © Web Gallery of Art

 

Materieller Wohlstand war ihm auch beschieden, denn König Robert von Neapel und Papst Benedikt XII ließen ihm Aufträge zukommen und er verbrachte 10 Jahre mit Aufträgen in Rom.
Befreundet war er mit Dante  und Boccaccio; Petrarca besaß ein Madonnenbild von  ihm. Durch seine überdurchschnittliches Können fand er auch Erwähnung in ihrem Werk, sowohl in der“Göttlichen Komödie“ als auch im „Decamerone“.
Jedoch sein Meisterwerk schuf er in Padua. Dort ließ, um 1300,  der reiche Kaufmann und Bankier Enrico Scrovegni, vermutlich um das Seelenheil seiner Familie zu sichern, eine Kapelle neben seinem Familien-Palast bauen. Für die Innenausstattung versicherte er sich der Dienste Giottos.

Um Giottos Bedeutung für die Malerei zu verstehen muss man wissen, dass bis zu seinem Erscheinen von jedem die gleichen Abbildungsmuster und byzantinische Normen verfolgt  wurden. Die Motive waren ausschließlich religiösen Inhalts, die zweidimensionalen Figuren wurden flächig nebeneinander aufgereiht. Seit Generationen wurde die gleiche Symbolik auf Goldgrund gehandhabt. Auch sein Lehrer Cimabue verfuhr noch so.

 

Und was machte Giotto anders? ALLES, liebe Leute, ALLES!
Seine Figuren wurden natürlicher, lebhafter und traten in Interaktion miteinander. Seine Darstellungen bekamen so etwas wie Raumtiefe und er machte die ersten Schritte in Richtung Perspektive.
Er bezog Architektur in das Bildgeschehen ein, der Himmel wurde blau, Bäume, Felsen, Hügel und Tiere machten das Geschehen real.
Durch geschickte Anordnung des Faltenwurfs der Gewänder bekamen die Körper seiner Figuren mehr Volumen und die Gefühlsregungen der Gesichter wurden menschlicher.
Ein Punkt blieb doch gleich, auch er malte nur religiöse Themen; erst in der Renaissance wurden andere Themen der Abbildung für würdig befunden.
Und damit sind wir jetzt wirklich bei der „Cappella degli Scrovegni“! Diese wurde von ihm in den Jahren 1304 – 1306 mit einem Marien-Zyklus ausgestattet, der alle Wände mit Fresken bedeckt. Beginnend mit Joachim und Anna, den Eltern Marias, über der Gottesmutter eigenes Leben, bis hin zur Passion und dem Tod ihres Sohnes, zieht das Geschehen, in drei übereinander liegenden Bahnen chronologisch, an den Längsseiten der Kapelle, am Betrachter vorbei. Über dem Altarraum thront Gottvater und die Eingangswand ziert das Jüngste Gericht.

 

Und was die Menschen damals alles zu sehen bekamen, was vorher noch nicht auf diese Weise abgebildet wurde. Erste Schritte zu Landschaft, Flora und Fauna in den Fresken aus Joachims Leben.

 

Die Architektur bei Maria im Tempel oder die offene Hausseite bei Marias Geburt welche zum ersten Mal in der Kunstgeschichte Raum suggeriert.  Uns erscheint das heute simpel und einfach, dass Gebäude nicht viel höher als Menschen sind, vor 700 Jahren war diese Abbildung aber revolutionär. Diese Einfachheit und die ersten Versuche machen einen Teil des Charmes  und der Bezauberung aus, die sie auf uns ausstrahlen. Sie sind die Inkunabeln der bildenden Kunst.

 

Der Betrachter sah  mit den Heiligen 3 Königen die erste Abbildung des Halleyschen Kometen, in der Geschichte der Kunst, welcher im Jahre 1301 wirklich mit freiem Auge zu sehen war. Ebenfalls wurde noch nie so ein Tumult wie beim Judaskuss im Garten von Gethsemane auf einem Bild dargestellt.

 

Und der wunderschöne blaue Himmel mit den Engeln als Hintergrund der Kreuzigung, oder der Schmerz in den Gesichtern der Heiligen bei der Beweinung Christi. Alles war neu!

 

Als Abschluss und Krönung ist die komplette Decke der Kapelle ein blauer Sternenhimmel!

Foto: © Jose Luiz Bernardes Ribeiro

 

Giotto hielt sich, wie seine Vorgänger, buchstabengetreu an die Bibel, doch im Gegensatz zu denen vor ihm, holte er das Geschehen aus den göttlichen und himmlischen Sphären auf die Erde herunter, wo es sich ja wirklich zugetragen hat. So konnte er es auch den Menschen näher bringen.

Foto: © Jebulon

Im Jahre 1320 kehrte Giotto nach Florenz zurück und gründete eine florierende Werkstatt. Die Stadt ehrte den großen Meister damit, dass sie ihn um 1334 zum Dombaumeister ernannte. Er entwarf den Plan für den Campanile, erlebte aber dessen Fertigstellung nicht mehr. Auch wich der fertige Turm erheblich von seiner Planung ab.
Giotto di Bondone starb 1337 in Florenz.

Ob die Fresken der Oberkirche von Assisi von seiner Hand stammen ist bis heute umstritten, deren Schönheit wäre aber seiner würdig. Somit ist und bleibt sein Hauptwerk die Kapelle in Padua. Die Erhabenheit und Stille des Innenraums würden sie zu einem angemessenen Ort der Meditation und Einkehr machen, wäre man, bei dessen Besichtigung, heute nicht an ein 14-minütiges Zeitfenster gebunden. Giottos Werk war ein Quantensprung in der künstlerischen Entwicklung seiner Zeit. Er war seiner Zeit so weit voraus, dass seine Nachfolger erst 2 Generationen später an sein gestalterisches Erbe anknüpfen konnten.
Für die Evolution der bildenden Kunst war er, durch das Revolutionäre seines Werks, der „Picasso“ des Mittelalters,
meint Euer Kultur Jack!

Über den Autor

Kultur Jack

Vor längerer Zeit in Wien geboren, und bis heute mit der Ortswahl glücklich! Da man von kultureller Leidenschaft allein schwer leben kann, bin ich, im kaufmännischen Bereich, selbständig tätig. Meiner Meinung nach, sollte man geistige Genüsse, nach deren Entdeckung, teilen und weitergeben, damit so viele Menschen wie möglich davon berührt werden. Es liegt ja auch im Sinne des Künstlers, sonst würde er ja kein Buch drucken lassen, oder Bilder zur Schau stellen. Mehr über mich !