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Das schwarze Gebetbuch

Das schwarze Gebetbuch

Der, Mitte des 15. Jahrhunderts, herrschende Herzog von Mailand, Galeazzo Maria Sforza, war kein angenehmer Zeitgenosse. Jedoch so wie er, bis heute, als grausamer Tyrann in geschichtlicher Erinnerung blieb, gedenkt man Seiner ebenso als Mäzen der schönen Künste und der Musik. Sein Hoforchester entwickelte sich durch seinen leidenschaftlichen Einsatz, zu einem der wichtigsten und besten in Europa. Exquisite Kunstwerke zierten seine fürstliche Sammlung, und eines davon, möchten wir mit dem Titel „Kleinod des Monats“ schmücken: Das schwarze Stundenbuch.

 

Schon normal illuminierte Handschriften und Gebetbücher zählten, vor der Erfindung des Buchdrucks, zu den wertvollsten und prestigeträchtigsten Besitztümern gekrönter Häupter und Sammler. Alles an diesen pergamentenen Prunkstücken, wie Schrift, Abbildungen oder die blumenreichen Verzierungen der Bordüren, war von höchster künstlerischer Qualität. Ein perfektes Beispiel dafür ist, das von mir bereits beschriebene Stundenbuch der Maria von Burgund. Hier der Link dazu:

Ein Buch aus Gold und Lapislazuli


Jedoch bei dem hier vorgestellten schwarzen Gebetbuch, ging der Künstler noch einen Schritt weiter, indem er die Pergamentseiten, mit Hilfe chemischer Verbindungen schwarz einfärbte. Da die Farben der Abbildungen zum Hintergrund kontrastieren mussten, und die Schrift, aus diesem Grund, silbern oder golden ausgeführt wurde, erscheint ein schwarzes Exemplar einer Handschrift noch exklusiver und luxuriöser.
Für diese Arbeit, wurden dem Künstler größere Fähigkeiten als normal abverlangt, und bei unserem heutigen Prunkstück, wird der „Meister des Antonius von Burgund“ als Illustrator genannt.

 

Im Laufe der Zeit, hat sich die schwarze Färbung problematisch entwickelt, denn die Farbsäure hat das Pergament angegriffen, und so musste das herzogliche Stundenbuch aufgebunden werden. Heute sind die einzelnen Blätter, um sie vor dem Zerfall zu schützen, zwischen Glasscheiben aufbewahrt.
Als Erstbesitzer ist Karl der Kühne, Herzog von Burgund, aufgeführt und möglicherweise kam es als Geschenk an den Mailänder Herzog. Da des Fürsten Tochter, Bianca Maria Sforza, die zweite Ehefrau von Kaiser Maximilian I. wurde, fand diese Kleinod seinen Weg in habsburgischen Besitz und somit später in die Österreichische Nationalbibliothek, wo es bis heute ist.

 

Bei der Beschäftigung mit diesem Kulturjuwel, sind selbstverständlich Fragen aufgetaucht, und diese hat mir der Direktor der Handschriften – Sammlung der Österreichischen Nationalbibliothek, Dr. Andreas Fingernagel, beantwortet. Und da Expertenmeinung das Wichtigste ist, lassen wir Ihn hier zu Wort kommen:

K.J.: Es wird als Gebetbuch geführt, ich nehme aber an, dass es ein Stundenbuch ist. Waren in dieser Zeit alle Gebetbücher Stundenbücher?
ÖNB: In der Literatur hat sich der Begriff „Schwarzes Gebetbuch“ eingebürgert, weshalb es auch weiterhin so bezeichnet wird. Tatsächlich ist es aber ein Stundenbuch, da die Gebetstexte nach den Gebetsstunden angeordnet sind. Fast alle Laien-Gebetbücher des späten Mittelalters sind als Stundenbücher konzipiert. Gebetbuch wäre der übergeordnete Begriff, den man auch verwenden kann, der aber weniger spezifisch die „Textklasse“ bezeichnet.

 

K.J.: Ist die Entstehungszeit (1450-1474) ein Zeitrahmen, oder wurde so lange daran gearbeitet?
ÖNB: Die Angabe des Zeitraumes (1450–1475) resultiert daraus, dass man nicht genau weiß, wann dieses Stundenbuch angefertigt wurde. Die Handschrift ist nicht datiert und es steht nicht fest für wen der Codex hergestellt wurde (s.u.); auch inhaltlich, etwa durch die Nennung bestimmter Heiliger im Kalender, sind keine gesicherten Angaben über die Entstehungszeit möglich. Die Datierung stützt sich also primär auf stilistische Übereinstimmungen mit anderen Werken.

K.J.: Ist es eine Klosterarbeit, und gab der Herzog den Auftrag dazu?
ÖNB: Es ist eher davon auszugehen, dass die Handschriften in einem Atelier hergestellt wurden, das nicht unmittelbar mit dem klösterlichen Milieu in Verbindung steht.
Die Frage nach dem Auftraggeber ist noch nicht entschieden und wird sich wohl auch nicht mit Sicherheit klären lassen. Das heraldische Frontispiz, das Wappen, Devisen und Embleme von Galeazzo Maria Sforza (1444–1476), Herzog von Mailand, aufweist wurde nachträglich eingefügt (aber schon bald nach der Herstellung) und bezeichnet somit nicht den Erstbesitzer.
Die in der älteren Literatur angenommene Auftraggeberschaft durch Herzog Karl dem Kühnen (1433–1477) wurde neuerdings in Frage gestellt, ist jedenfalls nicht zu belegen.

 

K.J.: Die Seiten sind schwarz getränkt – womit?
ÖNB: Eine chemische Analyse der Schwarzfärbung wurde schon 1930 und anlässlich der Faksimile-Ausgabe von 1982 durchgeführt; sie kommt aber, aufgrund unterschiedlicher Untersuchungsmethoden, zu verschiedenen Ergebnissen. Wurde früher angenommen, dass die Schwarzfärbung im Wesentlichen durch lösliche Eisenverbindungen erreicht wurde, so sieht man die Zusammensetzung jetzt differenzierter und konnte neben dem Anteil von Eisen auch Calcium, Kupfer, Aluminium u.a. Elemente feststellen.

K.J.: Der Zustand ist so schlecht, dass die Seiten unter Glas sind- warum ist es in so einem Zustand, und wird sich dieser noch verschlechtern?
ÖNB: Schon 1930 (für die Miniaturenblätter) und dann 1975 (für die Textblätter) wurde die Handschrift „zerlegt“ und zwischen Glasplatten aufbewahrt. Die komplexen Abbaumechanismen, die zu einem degenerativen Prozess führen, konnten noch nicht geklärt werden; Vergleich mit dem alten Faksimile und dem heutigen Zustand zeigen aber, dass dieser Prozess sehr langsam vor sich geht und durch die konseqeunt günstige Aufbewahrungssituation der letzten Jahre vermutlich weiter verlangsamt wurde. Das Institut für Restaurierung der ÖNB, das gerade ein ähnlich gelagertes Projekt, das die Erhaltung und Aufbewahrung der Wiener Genesis zum Inhalt hatte, wird ein Forschungsprojekt beantragen, das sich dieser Fragestellung widmen soll.

 

K.J.: Wie groß war die Bibliothek des Herzogs und wie kam das Buch in den Besitz der ÖNB?
ÖNB: Mehr als ein Dutzend Handschriften werden mit Galeazzo Maria Sforza in Verbindung gebracht; manche davon hat er wohl aus Familienbesitz übernommen.
Auf welchem Weg das Schwarze Gebetbuch in die Hofbibliothek gekommen ist, ist unklar. In der älteren Literatur wurde angenommen, dass das Gebetbuch über die Tochter des Galeazzo Maria Sforza, Bianca Maria Sforza durch ihre Heirat mit Kaiser Maximilian I. in habsburgischen Besitz gelangt ist; dafür gibt es aber keine Belege. So bleibt nur als gesichert festzustellen, dass die Handschrift seit dem 18. Jahrhundert in der Hofbibliothek nachweisbar ist.

K.J.: Wie hoch, waren die damaligen Kosten für die Handschrift?
ÖNB: Über die Kosten ist leider nichts bekannt. Sicher ist aber, dass die „Schwarzen Gebetbücher“ als absolut exklusive Luxusartikel gegolten haben müssen, die einem kleinen Zirkel vorbehalten waren.

 

K.J.: Wie viele schwarze Handschriften hat die ÖNB, und wie viele gibt es weltweit?
ÖNB: Der gültigen Definition nach versteht man darunter vollständig schwarz eingefärbte Handschriften. Davon gibt es neben dem Exemplar in der ÖNB noch sechs weitere Codices, die in Rom, New York, Rouen, Paris und Brüssel aufbewahrt werden. Darüber hinaus gibt es noch weitere, teilweise schwarz eingefärbte Handschriften, darunter das Stundenbuch der Maria von Burgund in der ÖNB.

K.J.: Sind alle schwarzen Schriften in schlechtem Zustand?
ÖNB: Der Erhaltungszustand ist durchaus unterschiedlich; eine schlüssige Begründung dafür wurde noch nicht gefunden.

 

K.J.: Welchen Stellenwert hat dieses Buch für die ÖNB?
ÖNB: Das Stundenbuch zählt zweifellos zu den Highlights der Sammlungen der Österreichischen Nationalbibliothek. Sein künstlerischer Stellenwert, vor allem die luxuriöse Ausstattung mit Gold und Silber, das mit dem Schwarz des Pergaments kontrastiert, machen seine hervorragende Stellung aus. In konservatorischer Hinsicht gilt die Handschrift allerdings als Sorgenkind der ÖNB.

 

Liebe Leute, die Coronavirus – bedingten Zeiten, mit Ausgangsbeschränkungen und Shutdown, erschweren es ungemein, in unserem Kuturblog, ein Kleinod des Monats zu präsentieren. Deshalb gebührt mein Dank, unserer wunderbaren Österreichischen Nationalbibliothek, und dort Herrn Doktor Andres Fingernagel, die es mir ermöglichten, diesen Beitrag zu bringen, ohne dafür vor die Tür gehen zu müssen.
Der ungeheure museale Schatz, und das architektonisch exklusive Ambiente dieser Institution, machen sie, für mich, zur bedeutendsten Bibliothek unter allen!
Euer Kultur Jack!

Beitragsfoto: © Österreichische Nationalbibliothek

Über den Autor

Kultur Jack

Vor längerer Zeit in Wien geboren, und bis heute mit der Ortswahl glücklich! Da man von kultureller Leidenschaft allein schwer leben kann, bin ich, im kaufmännischen Bereich, selbständig tätig. Meiner Meinung nach, sollte man geistige Genüsse, nach deren Entdeckung, teilen und weitergeben, damit so viele Menschen wie möglich davon berührt werden. Es liegt ja auch im Sinne des Künstlers, sonst würde er ja kein Buch drucken lassen, oder Bilder zur Schau stellen. Mehr über mich !