Blut und Stein-Die Völkerschlacht bei Leipzig
Das Schlimmste, was sich Menschen selbst antun können, ist Krieg zu führen. Deshalb bin ich kein begeisterter Anhänger von Kriegsdenkmälern. Meistens zeigen sie siegreiche Feldherren in triumphierender, pathetischer Pose. Selten zeigen sie das Leid und Elend des Töten und Sterben.
Jedoch vor ungefähr 120 Jahren, bekam der Berliner Architekt Bruno Schmitz den Auftrag ein Mahnmal für eine der schlimmsten kriegerischen Konfrontationen der Geschichte zu entwerfen: Die Völkerschlacht bei Leipzig. Und er ging andere Wege!
Der Anlass:
Im Jahre 1813 hatte Napoleon Bonaparte fast das gesamte Kontinentaleuropa unter Kontrolle, jedoch sein Feldzug gegen Russland war bereits verloren. Durch diese Niederlage optimistisch gestimmt, verbündeten sich die Monarchen von Preußen, Russland, Österreich und Schweden, um die Vorherrschaft Napoleons in Europa zu brechen.
Dieses Bündnis, und Napoleons Kompromisslosigkeit gegenüber diesen Monarchen, führte zur oben genannten Entscheidungsschlacht. Die Allianz der 4 Monarchen besiegte den französischen Kaiser so schwerwiegend, dass sich Napoleon hinter den Rhein zurückziehen musste. Die Kampfhandlungen, südlich von Leipzig, dauerten 3 Tage, und von den 600.000 involvierten Soldaten, endete für 90.000 bis 120.000 die Konfrontation mit dem Tod oder verletzt. Auf Grund der Schwere der Verletzungen und der hygienischen Bedingungen überlebten sehr viele der Verwundeten,die nächsten Tage, ebenfalls nicht . Bis zum 20. Jahrhundert galt die Schlacht als die größte der Geschichte.
Das Mahnmal:
Bereits kurz nach der Schlacht gab es erste Ideen für ein Denkmal, jedoch war es ein Problem, dass auf beiden Seiten Deutsche gekämpft hatten. Das Bundesland Sachsen, in dem Leipzig liegt, stand auf der Seite Napoleons und durch die Niederlage war die Motivation für ein Denkmal nicht sehr stark.
50 Jahre später wurde ein Grundstein gesetzt, dem aber nichts weiter folgte, und erst mit Blick auf die 100 Jahrfeier, wurde 1897 Bruno Schmitz mit der Ausfertigung eines Entwurfs beauftragt. Schmitz und der Bauherr Clemens Thieme errichteten einen Denkmalbau, der noch bis heute zu den größten in Europa zählt.
Auf dem 42.500 m² großen, von der Stadt Leipzig zur Verfügung gestellten, Grund setzten sie ein wuchtiges Monument in die Realität um. Über dem Eingang des 91 Meter hohen Mahnmals, steht aufrecht mit Feuerschwert und Kreuzritter-Schild der fast 20 Meter hohe Erzengel Michael.
Das sich, stufenweise nach oben, verjüngende Bauwerk wird von einer Kuppel bekrönt, welche von 12 Skulpturen umgeben ist. Diese zwölf Meter großen Figuren stellen Ritter dar, die, für jene in der Schlacht gefallenen Soldaten, Totenwache halten.
Durch das Betreten des Bauwerks gelangt man, nach 136 Stufen, in die Krypta, welche die letzte Ruhestätte der 120.000 Gefallenen symbolisieren soll. Umgeben wird die Krypta von 8 Zweier-Gruppen steinerner Ritter mit gesenkten Köpfen, welche vor den Masken sterbender Krieger ebenfalls Totenwache halten.
Oberhalb der, nach oben offenen, Krypta erhebt sich die 60 Meter hohe Ruhmeshalle, deren Seitenwände mit 4 kolossalen Darstellungen der Tugenden des deutschen Volkes besetzt sind. Diese fast 10 Meter hohen Statuen symbolisieren: Opferbereitschaft, Volkskraft, Tapferkeit und Glaubensstärke.
Das Innere der, sich oben anschließenden Kuppel, schmücken 324 Reliefs, fast lebensgroßer, heimkehrender Kämpfer.
Über enge Wendeltreppen, mit ungefähr 500 Stufen, kann man das Monument aus Granitporphyr bis nach oben besteigen, und von einer Aussichtsplattform auf der Oberseite des Bauwerks einen herrlichen Rundblick über Leipzig genießen.
Unmittelbar vor dem Monument erstreckt sich ein 162 x 79 Meter großes Wasserbecken, in dem sich das Denkmal in umgekehrter Weise spiegelt.
Und was unterscheidet jetzt dieses Kriegs-Mahnmal von anderen?
Zuallererst die wuchtige Größe des Bauwerks und seiner Figuren, und die Möglichkeit es begehen zu können. Betritt man unterhalb des ehrfurchtgebietenden, überdimensionierten Erzengel Michael das Baudenkmal, und betritt nach kurzem Aufstieg die Krypta, fühlt man sich wie in einen Kirchenraum versetzt. Die Stille der Halle, kombiniert mit den Masken der sterbenden Krieger und den davor, ewige Wache haltenden Ritterfiguren, zwingen den Besucher augenblicklich zu respektvollem und ehrfürchtigem Verhalten.
Blickt oder steigt man nach oben in die Ruhmeshalle, beeindrucken die Kolosse der Tugenden nicht nur mit ihrer mächtigen Präsenz, sondern, vor allem, durch ihre Haltung und den Ausdruck ihrer Gesichter. Da begegnet man keinem Jubel über den Sieg, keinem Stolz auf das siegreiche Heer, keinem glorifizierten Patriotismus und keinem „Vorwärts-Gebrüll“, sondern sie vermitteln nur ein Gefühl: Traurigkeit! Und diese Mimik und Gestik der Traurigkeit gilt für alle Gefallenen, ganz gleich auf welcher Seite.
100 Jahre nach der Schlacht, 1913, wurde das Mahnmal, im Beisein Kaiser Wilhelm II., eingeweiht und tausende Leipziger nahmen an der Zeremonie teil.
Liebe Leute, die Leipziger Entscheidungsträger haben das richtige Konzept umgesetzt, indem weder ein Feldherr, noch eine Strategie, noch eine militärische Überlegenheit Eingang in dieses Monument gefunden hat. Fast 120.000 junge Männer verloren innerhalb von 3 Tagen ihr Leben, und man hat das richtige Zeichen gesetzt: einen Dom der Trauer!
Es ist schon sehr lange an der Zeit, dass Denkmäler für Kriege überflüssig würden, findet,
Euer Kultur Jack!
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