Der Eiserne Vorhang der Wiener Staatsoper
Liebe Leute,
heute möchte ich Euch ein ungewöhnliches Kunstprojekt vorstellen, den Eisernen Vorhang der Wiener Staatsoper.
Sollte jemand den Zweck des Eisernen Vorhangs nicht kennen – er ist eine Brandschutzvorrichtung, die vor und nach der Vorstellung und in der Pause geschlossen wird, und den Zuschauerraum von der Bühne trennt. Dass so eine Schutzvorrichtung nicht unbedingt ein Ausbund an Schönheit, und bestenfalls nichtssagend, ist, kann man sich leicht vorstellen.
1990 machten sich Kathrin Messner und Joseph Ortner Gedanken über neuartige Präsentationsformen für zeitgenössische Kunst, und gründeten „ Museum in Progress“.
Ziel war es, Gegenwartskunst in, bis dahin, nicht dafür vorgesehene Plätze, und Räume zu bringen. Die Aufmerksamkeit für ein Kunstwerk, welches sich an einem ungewohnten Ort befindet, ist wahrscheinlich ungleich höher, als wenn es in einem Museum ausgestellt ist, wo man es erwartet.
1998 wurde, in Zusammenarbeit mit der Wiener Staatsoper, das Projekt „Eiserner Vorhang“ ins Leben gerufen.
Eine hochkarätig besetzte Jury wählte einen renommierten Künstler aus, der ein Werk schuf oder zur Verfügung stellte, dass für eine Spielsaison den Brandschutzvorhang der Bühne abdeckte. Die Wahl fiel auf die afroamerikanische Künstlerin Kara Walker, der wir in unserem Blog, schon einen eigenen Beitrag gewidmet haben. Ihre spektakuläre Bildsprache und der Schattenriss waren sicher eine gute Wahl!
Von da an, gab es, bis heute, jedes Jahr eine neue Installation.
In der Saison 2001/02 ließ uns Richard Hamilton, wie in einer Raumzeit- Reflektion, in die Mailänder Scala der 50er Jahre blicken.
Mit Rosemarie Trockels Wollbild von 2008/09 konnte man leicht einen dunklen, beunruhigenden, mit Spinnweben verhängten, Raum assoziieren.
Liebe Leute, eine meiner großen Leidenschaften ist es Museen zu besuchen. Jedoch alle haben, nach meiner Meinung das gleiche Problem – die Überfülle! Und genau aus diesem Grund, finde ich dieses Projekt so interessant.
Wenn man die Pause in der Oper nicht im Gedränge am Buffet verbringen will, hat man, durch die Bespielung des Vorhanges, die seltene Möglichkeit, ein 176m² (!) großes Kunstwerk, zurückgelehnt in einem bequemen Fauteuil, auf sich wirken zu lassen und sich auch seine Gedanken darüber zu machen.
Wie mit dem Vorhang 2011/12 des Konzeptkünstlers Cerith Wyn Evans, der die Zuschauer einlud, in diesem Moment, eine möglicherweise interessante Sinneserfahrung zu machen.
Das Bild „Bacchus“ war eine sehr, spannungsgeladene, gestische Malerei von Cy Twombly. Man kann sehr gut die Arbeitsweise des einflussreichen Künstlers nachvollziehen, ebenso den Farbfluss. Noch dazu das intensive Rot und die Größe des Werkes.
Eines unserer Aushängeschilder unter den österreichischen Zeitgenossen, Franz West, brachte 2009/10 die Nacktheit unter die elegant gekleideten Besucher der Opernwelt. Die Arbeit war eine Collage von Temperabildern aus den 70er- 8oer Jahren, die während verschiedenen Griechenlandaufenthalten entstanden sind.
Im Jahre 2002/03 hat Museum in Progress einmalig den Vorhang der Komischen Oper in Berlin mit einer Schöpfung von Michael Elmgreen & Ingar Dragset bespielt. Dabei kam der Besucher im Zuschauerraum aus der gewohnten Rolle als Betrachter und Beobachter in die entgegengesetzte Situation des Beobachteten, was neben der künstlerischen, auch eine humorvolle Note aufwies.
Vorgestern war die Präsentation des Vorhangs dieser Saison und er wurde vom belgischen, nunmehr französischen, Künstler Pierre Alechinsky gestaltet. Es ist eine schwarz /weiß Arbeit und zeigt im oberen Teil einen, für das Werk des Künstlers typischen, Meereshorizont und im unteren Drittel eine Wellenformation. Alechinsky war 1949 das jüngste Mitglied der belgischen Künstlergruppe COBRA.
In diesem Rahmen wurden auch sieben limitierte und signierte Lithographien aus verschiedenen Schaffensperioden des Künstlers vorgestellt ( www.mip.at/shop/pierre-alechinsky-lithographien): Durch den Erwerb dieser Drucke leisten Kunst- und Opernfreunde einen wichtigen Beitrag zur Fortsetzung der Ausstellungsreihe in der Wiener Staatsoper. Diese Werke, die vielschichtige Bezüge zum „Eisernen Vorhang“ aufweisen, sind vor Ort ausgestellt und können im Rahmen eines Vorstellungsbesuchs besichtigt werden.
Außerdem gibt es, in Zusammenarbeit der Wiener Staatsoper mit Museum in Progress, eine tolle Publikation über die ersten 20 Vorhänge, welche im Verlag für moderne Kunst, Wien, erschienen ist.
Liebe Leute, dieses Projekt ist nicht nur für den Opernbesucher ein Erlebnis, sondern es bietet auch dem Künstler etwas Einzigartiges – ein einzelnes Werk von Ihm wird von 600.000 Menschen gesehen.
Das ist doch enorm, findet Euer Kultur Jack!