
Edward Sheriff Curtis

Im Jahre 1906 übernahm der US-Amerikaner Edward Sheriff Curtis einen Auftrag, der ihn, ohne dass er es vorher wusste, 30 Jahre seines künftigen Lebens beschäftigen würde. Mit dieser Herkulesarbeit gab er nachfolgenden Generationen die Möglichkeit, Einblicke in die Lebensweise eines niedergehenden Kulturkreises zu nehmen.
- Selbstporträt, 1890 Foto: © The American Magazine
- E.S.Curtis with Crow Indians,1908, Foto: © LIbrary of Congress
Der 1868 in Cold Spring, Wisconsin, geborene Curtis war, von Kindheit an, von einer erst wenige Jahrzehnte jungen Erfindung begeistert – der Fotografie. Nach dem Umzug seiner Familie nach Minnesota baute er sich bereits als Junge selbst eine Kamera und begann 17-jährig eine Lehre in einem Fotostudio in St. John.
- A Jicarillo Man 1904, Foto: © LIbrary of Congress
- Comanche Woman with Baby, Foto: © LIbrary of Congress
Nach einem neuerlichen Umzug der Familie, 1887, nach Seattle kaufte sich Edward eine zweite Kamera und mit 150 Dollar Kapital, wurde er Teilhaber in einem Fotostudio. Diese Teilhaberschaft hielt nur ein halbes Jahr, und mündete in die Gründung eines Studios mit dem Fotografen Thomas Guptill als Partner – „Curtis and Guptill, Photographers and Photoengravers“.
- Crow´s Heart, 1908,Foto: © LIbrary of Congress
- Arikara Medicine Fraternity 1908, Foto: © LIbrary of Congress
1895, drei Jahre nach seiner Hochzeit mit Clara Phillips, machte Curtis die erste Aufnahme, in einem Kulturkreis, der ihn noch jahrzehntelang beschäftigen wird: die Ureinwohner Nordamerikas. Dieses erste Foto zeigt uns die Tochter des Duwamish-Häuptlings „Chief Seattle“, die „Princess Angeline“ genannt wurde, deren richtiger Name jedoch Kikisoblu war.
- Princess Angelina, 1896,Foto: © LIbrary of Congress, North Western University
- Chief Seattle photographed by E.M.Sammis, 1864
Kurze Zeit danach, lernte Edward den Naturwissenschaftler und Historiker George Bird Grinell kennen, dessen größter Erfolg der Schutz des, fast ausgerotteten, amerikanischen Bisons war. Grinell der sich für die Bewahrung der Kultur der Ureinwohner einsetzte, wurde zu einem engen Vertrauten des Blackfeet-Stammes. In dieser Eigenschaft ermöglichte er Curtis, im Jahre 1900, die Teilnahme an einer Reise zu diesem Volksstamm, und die Erlaubnis deren Sonnentanz-Zeremonie zu fotografieren.
- Piegan Encampment 1900, Foto: © LIbrary of Congress
- Three Chiefs of Pigean 1900, Foto: File: Three Chiefs of Oigean
Das partnerschaftlich betriebene Studio wurde erfolgreich und erhielt eine Auszeichnung der „National Photographers Convention“. Dieser Erfolg führte dazu, dass Curtis offizieller Fotograf der Alaska-Expedition von Edward Henry Harriman wurde, bei der auch George Grinell ein Teilnehmer war.
- Inupiat Familiy from Noatak, Alaska, Foto: © Library of Congress
- Children at Nuviak, Alaska, Foto: © Library of Congress
Edward erlangte als Fotograf steigende Berühmtheit, und nachdem er eine Auszeichnung für ein Kinderfoto erhalten hatte, wurde Präsident Roosevelt auf ihn aufmerksam und ließ auch seine Kinder von ihm ablichten. Im Jahre 1903 besuchte ihn der Häuptling der Nez Perce „Chief Joseph“ in seinem Studio und ließ sich ebenfalls porträtieren.
- Chief Joseph 1903, Foto: Wikipedia German
- Apache Wikiup, 1903, Foto: © Library of Congress
Im Jahre 1906 kam es zu dem Auftrag der Edward Curtis bei seinen Zeitgenossen und der Nachwelt berühmt machte. Der Unternehmer und Bankier J.P. Morgan bot ihm 75.000 Dollar an, um in einem äußerst umfangreichen Volumen, die Stämme der Indianer Nordamerikas und deren Lebensweise, fotografisch und in Buchform zu dokumentieren.
- Navajo Weavers 1904, Foto: © Library of Congress
- Plenty Coups 1908, Foto: © Library of Congress
Der erste Band erschien bereits ein Jahr später mit dem Titel „The North American Indian“, zu dem Präsident Roosevelt das Vorwort schrieb. Die Auflage der Dokumentation umfasste 500 Exemplare, wovon jeweils 25 Stück pro Band der Sponsor Morgan erhielt. Nach Erscheinen des zweiten Bands, 1908, starb J.P. Morgan, die Finanzierung des Projekts wurde jedoch von seinem Sohn und Erben garantiert.
- Klamath Tule Hut, Foto: © Library of Congress
- Ktunaxa Girls 1911, Foto: © Library of Congress
Das gesamte Projekt dauerte bis 1930, also fast 3 Jahrzehnte, und endete mit Band 20 und insgesamt 1500 Abbildungen. Curtis, der in der Zwischenzeit ein eigenes Studio besaß, ließ sich während seiner Reisen im Geschäft vom Fotografen Adolph Mur vertreten.
- Wedding Party 1914, Foto: © Library of Congress
- Navajo Chief 1904, Foto: © Library of Congress
In diesen 30 Jahren bereiste Curtis den gesamten nördlichen Teil des amerikanischen Kontinents und schoss ungefähr 40.000 Bilder von 80 verschiedenen Stämmen der Ureinwohner. Nebenbei entstanden noch 10.000 Musik- und Sprachaufnahmen, sowie etliche Biografien.
- Three Horses 1905, Foto: © Library of Congress
- Bear´s Belly 1908, Foto: © Library of Congress
1914 drehte Curtis erst- und letztmals einen Film über einen Indianerstamm. Jedoch da der Film nicht nur als historisches Dokument gedacht war, sondern auch kommerziell erfolgreich sein sollte, drehte er eine Art von Abenteuerfilm. Dem Film war kein Erfolg beschieden, und Curtis verkaufte 1923 die Rechte daran, um 1500 Dollar, an das „Museum Of Natural History“. Dort verschwand der Streifen und galt als verschollen. Erst 1947 wurde eine Kopie, in der Abfallsammlung eines Chicagoer Kinos, aufgefunden und später restauriert. Seit 1999 gehört der Film zu den bedeutendsten Filmen der amerikanischen Kinogeschichte.
- Kwakwaka Potlach, Foto: © Library of Congress
- Kwakwaka Dancers with Masks 1914, Foto: © Library of Congress
Edward zog, nach der Scheidung von seiner Frau, 1922, nach Los Angeles, wo er wieder ein Fotostudio eröffnete, nachdem bei der Scheidung das Atelier in Seattle, seiner Gattin zugesprochen wurde. Aus finanziellen Gründen war er in Kalifornien auch als Kameramann tätig.
- Siuoux Chiefs 1905, Foto: © Library of Congress
- Akoma from the South 1904, Foto: Flickr
Die Geldsorgen lösten sich nicht, und so verkaufte Curtis die Rechte an seinen „Indianern Nordamerikas“ an den Sohn J.P. Morgans. 1930 erschien der 20., und somit letzte Band seines Monumentalwerkes. Von der Gesamtauflage wurden jedoch nur 280 Exemplare verkauft.
- Geronimo 1905, Foto: Bonhams
- Yebichai Navajos 1900, Foto; Osama Shukir Amin
19 komplette Sätze der Enzyklopädie, sowie alle Druckplatten, Glasnegative und ungebundenen Seiten verkaufte die Morgan-Society, 1935, um 1000 Dollar an die Charles E. Lauriat Company in Boston. Dort verstaubte dieses gesamte Konvolut unberührt in einer Ecke und wurde erst 1972 wiederentdeckt.
Curtis selbst verließen die Geldsorgen nicht wieder, er versuchte sich in neuen Projekten als Goldsucher und Farmer, und erlag 1953 einem Herzinfarkt.
- Lucille, Dakpota Sioux 1907, Foto:Trialsanderrors
- Indijanac 1908, Foto: Speedy Gonsales
Die Bilder Edward Sheriff Curtis wirken auf den Betrachter ein wenig romantisch verklärt, weil er versuchte die Ursprünglichkeit der Ureinwohner Amerikas zu isolieren, und die Einflüsse der weißen Siedler eliminiert wurden. Jedoch genau diese romantische Verbrämung beschert uns den Eindruck, Augenzeuge einer unberührten Kultur zu sein, was diesem Volk aber schon lange Zeit vorher genommen worden war.
- A Flat Head Dance 1910, Foto: McCord Museum
- A Smoky Day at the Sugar Bowl – Hupa , Foto: © Library of Congress
Nichtsdestotrotz hat uns dieser leidenschaftliche Fotograf, Einblicke in ein Volk und deren Kulturkreis gestattet, die uns ohne ihn, für immer verwehrt geblieben wären. Durch die professionelle Qualität seiner Bilder tritt uns ein naturverbundenes, selbstbewusstes, würdevolles Volk vor Augen, doch ihre ernsten Gesichter, lassen uns ihren unrühmlichen, unverdienten und beschämenden Niedergang, nicht vergessen, meint
Euer Kultur Jack!
Beitragsbild: Canyon de Chelly, Navajos, Foto, Library of Congress