Ein Erzherzog bereist die Welt
Der Ausspruch „Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen“ (Matthias Claudius 1740-1815) hat schon seine Richtigkeit, vor allem wenn es so eine ausgedehnte Tour ist, wie diejenige, die der Habsburger Franz Ferdinand von Österreich – Este (1863-1914) zurücklegte.
Franz Ferdinand erkrankte während seiner Militärzeit mehrmals an Tuberkulose, worauf er, auf Anraten seiner Ärzte, Erholung suchen sollte. Da er, wie die viele Mitglieder der habsburgischen Familie, passionierter Jäger und Sammler war, und Bildungsreisen hoch im Kurs waren, entstand der Plan einer Weltreise, den er im Jahre 1892 in die Tat umsetzte. Sein Onkel Kaiser Franz Joseph I. genehmigte und finanzierte die Reise und stellte dafür den Torpedorammkreuzer „SMS Kaiserin Elisabeth“ der k.-u. k- Kriegsmarine zur Verfügung.
Mit 400 Mann Besatzung und einer 20köpfigen Reisegesellschaft wurde es zu einer Luxusreise erster Güte. So schifften er und sein Gefolge sich am 14 Dezember 1892 in Triest ein. Da der spätere Thronfolger Tagebuch zu diesem Abenteuer führte, können wir auch ihn hier zu Wort kommen lassen.
„In der grünen Steiermark geboren und die Berge über alles liebend, war es immer mein heißer Wunsch gewesen, den König aller Gebirge, den Himalaya, zu sehen und die tropische Welt der Berge kennen zu lernen. Wie viel ich auch über die großartige Schönheit des Himalaya gehört oder gelesen-was ich nun sah, übertraf alle meine Erwartungen und versetzte mich in unbeschreibliches Entzücken. Schon die reine, leichte Gebirgsluft wirkte herrlich erfrischend-was Wunder, dass wir alle nach und nach im Waggon zu jodeln begannen, als wären wir in den oberösterreichischen Bergen:“
Quelle Text: Dardschilling 6. Februar 1893, Tagebuch meiner Reise um die Erde, 1. Band, 1895,
Weihnachten feierte man bereits mitten im Roten Meer und im Februar wurden verschiedene Teile Indiens bereist. Franz Ferdinand kaufte und sammelte wie besessen, wobei auch viele Stücke der Erwerbungen keine hohen Qualitätsansprüche erfüllte. Sein Plan war, nach seiner Rückkehr das größte Privatmuseum Wiens mit dieser Sammlung, in den Räumen des heutigen Weltmuseums, zu eröffnen.
„Lebhaft befriedigt von dem Gesehenen fuhr ich nun zu Herrn Tellerey, einem Landsmann in dessen Niederlage sämtliche kunstindustrielle Erzeugnisse Indiens vertreten sind. Dieses Warenhaus bildet eine Stätte der Versuchung für die Kauflustigen-ein verlockendes Chaos der verlockendsten Dinge. Bald war ich der Versuchung erlegen-eine ganze Wagenladung wurde an Bord gebracht-worauf der Gesamt-Detailoffzier hier in Verzweiflung geriet.“
Quelle Text: 18.Jänner 1893, Tagebuch meiner Reise um die Erde, 1. Band, 1895,
In Indien, Ceylon (Sri Lanka) und Nepal verbrachte er ungefähr drei Monate, die jedoch auch mit etlichen repräsentativen Pflichten verbunden waren, da die Reise als wissenschaftliche Expedition deklariert war und der Erzherzog somit offiziell anwesend war. Franz Ferdinand war kein einfacher Charakter und sein Interesse an fremden Kulturen soll eher nebensächlich gewesen sein. Die Reise diente, in erster Linie, der Selbstinszenierung, dem Sammeln und dem Jagen. Dass Franz Ferdinand in seinem ganzen Leben die unglaubliche Anzahl von 247.899 Tieren erlegt hat, lässt ihn aus heutiger Sicht gesehen nicht unbedingt einnehmend erscheinen.
Weiters führte die Reise nach Indonesien, Australien, China und Japan und überall kaufte der zukünftige österreichische Thronfolger in großen Mengen ein. Franz Ferdinand brachte die beachtliche Menge von 14.000 Artefakten und ethnographischen Objekten, nach seiner Rückkehr, nach Wien mit.
„Zunächst unterzog ich vormittags eine Sammlung ethnographischer Gegenstände aus Neu Guinea, Sumatra, Nias und Borneo, die ein ehemaliger Kapitän der Handelsmarine im Laufe der Zeit zusammengestellt hatte einer eingehenden Besichtigung, welche nach langem Handel mit dem Ankaufe der ganzen Sammlung endete.“
Quelle Text: Singapur 8. April 1893, Tagebuch meiner Reise um die Erde, 1. Band, 1895,
Vor der Querung des Pazifiks wechselte Franz Ferdinand das Schiff, reiste ab diesem Zeitpunkt als Privatpassagier, und landete als solcher am 5. September 1893 in Vancouver, Kanada. Inkognito, als Graf Artstetten, zu reisen funktionierte nicht wirklich, denn bei seiner Durchquerung der Vereinigten Staaten von Amerika, von West nach Ost, vermeldeten die nordamerikanischen Zeitungen: „Franz is here!“
Am 8. Oktober 1893 trat die Reisegesellschaft die Passage zurück in die Heimat über den Atlantik an, und nach kurzen Zwischenstopps in Le Havre, Paris und Stuttgart war man am 18. Oktober wieder in Wien. Seine gesammelten Objekte stellte Franz Ferdinand vorerst in seiner Residenz, dem Schloss Belvedere aus und später in den Räumen des heutigen Weltmuseums, wo sie noch heute untergebracht sind.
Wer die Person des Thronfolgers besser kennenlernen möchte, dem könnten die Tagebücher dieser Reise behilflich sein, da sie in seine Gedankenwelt und Sichtweisen blicken lassen. Und man kann auch mit so persönlichen Erlebnissen – wie sich in Japan mit 52.00 Stichen tätowieren zu lassen oder in China Opium zu rauchen – sein Bild von ihm abrunden.
Euer Kultur Jack!
Copyright Eingangsbild: Die Jagd-Elefanten Kahl-mohana, Nepal, Foto: KHM Verband, Weltmuseum Wien