
Claude Joseph Vernet und die Dramatik des Augenblicks.

Malerei ist immer mehr als bloße Abbildung. So sollte das Porträt dem Abgebildeten nicht nur ähneln, sondern ein großer Porträtist versucht auch die Seele und den Charakter des Modells einzufangen. Ein Landschaftsmaler stellt nicht nur Kuh neben Berg hin, sondern ist bemüht atmosphärische Gegebenheiten zu vermitteln. Diese künstlerischen Feinheiten, die für ein Meisterwerk unabdingbar sind, wurden für so manche Künstler zu einer lebenslangen Herausforderung, die sie immer wieder einholte. So erging es auch demjenigen, den unser Kulturblog heute vorstellt: Claude Joseph Vernet (1714-1789).
- Claude Vernet by Alexander Roslin, Foto: © Osama Shukir Muhammed Amin
- Morning in Castellamare, Foto: © Sothebys
Der Künstler:
Wie es gar nicht so selten vorkommt, liegt das Talent oft in den vererbten Genen, und so erhielt Claude den ersten Malunterricht von seinem Vater Antoine Vernet, der den Beruf des Dekorationsmalers, in Avignon, ausübte.
- The four times of the day: Morning, Foto: © yAFbMKnarLbvA at Googhle Cultural Institute
- The four times of the day: Midday, Foto: ©0GgkAWacQu9FGQ at Google Cultural Institute
Erlernt hat er sein Metier in Aix-en-Provence bei Louis-Rene de Vialy, einem mit der Familie befreundeten Porträtmaler. Auf Grund seiner Begabung wurden, bereits während seiner Lehrzeit, Kunstliebhaber auf den jungen Mann aufmerksam. Einer davon war der Marquis de Caudon, dem dieses Talent ein großzügiges Stipendium wert war. So war Claude, bereits im Alter von 20 Jahren, in der Lage sein Studium in Rom, dem Traumziel aller Künstler, fortzusetzen.
- The four times of the day: Evening, Foto: © tQFI7gDCqnR_g at Google Cultural Institute
- The four times of the day: Night, Foto: © mAGxVFSJDB8YA at Google Cultural Institute
Dass er in Italien bei den Marinemalern Bernardino Fergioni und Adrien Maglard studierte, sollte seine weitere Karriere vorzeichnen. 1743 wurde Vernet ordentliches Mitglied der römischen Accademia de San Lucca und zwei Jahre später heiratete er die Engländerin Virginia Parker, die Tochter eines Kapitäns der päpstlichen Marine.
- Port, Foto: © Museo Nacional de Bellas Artes de Cuba
- A Calm at a Mediterranean Port, Foto: ©7QH_cWFZVdrqGg at Google Cultural Institute
Innerhalb kurzer Zeit avancierte Vernet zum gefragtesten Marine- und Landschaftsmaler Roms. Sein fabelhaftes Talent blieb jedoch auch in Frankreich nicht unbemerkt und durch Vermittlung des Direktors des „Batiments du Roi“ berief ihn der französische König Ludwig XV., im Jahr 1753, an den französischen Hof. Um die Stärke der Seemacht Frankreich zu demonstrieren, sollte der Künstler 24 Ansichten der bedeutendsten französischen Häfen anfertigen.
- Hafen von Dieppe, Foto: © Philippe Alés
- Hafen von Bayonne, Foto: © Musee de la Marine
Von da an, arbeitete Claude ausschließlich an dem königlichen Auftrag, wurde Mitglied der „Académie royale de peinture et de sculpture“ in Paris, und 1763 waren 15 Bilder des Auftrags fertig. Er bezog Atelier und Wohnung im Louvre und nahm ab diesem Zeitpunkt auch wieder Aufträge für den Adel an.
- Villa at Caprarola, Foto: © GgEbWCQht60AYg at Google Cuktural Institute
- A Storm at a Mediterranean Coast, Foto: ©EwFcidNgZTmcMw at Google Cultural Institute
Vernet, bereits einer der gefragtesten Maler seiner Zeit, war aber fast ausschließlich für den königlichen Hof, dessen Mitglieder und einige englischen Kunden tätig. So wie sein Vater ihm sein Talent vererbt hatte, war es auch bei ihm, denn sein Sohn Antoine Charles Horace und sein Enkel Horace wurden ebenfalls bekannte Künstler. Nach einem erfolgreichen Leben, und ebensolcher Karriere starb der französische Maler Claude Joseph Vernet 1789 in Paris.
- The Waterfalls at Tivoli, Foto: © Wm pearl
- Reggo di Calabria, Foto: © Sotheby´s
Das Werk:
Der zentrale Punkt im Werk des Künstlers sind die großformatigen Ansichten der bedeutenden französischen Häfen. Sie beeindrucken durch ihre topografische Genauigkeit, handwerkliche Präzision und klare, übersichtliche Darstellung. Ungewöhnlich daran ist, dass die Figuren nicht nur schmückende Staffage sind, sondern auch das reale Geschehen in einem belebten Hafen zeigen. Der arbeitende Mensch, die Händler, und somit der berufliche Alltag sind in diese Bilder eingebunden. Für uns Nachgeborene sind diese Bilder eine historische Dokumentation, die uns einen Blick in eine verflossene Zeit erlauben.
- Hafen von Marseille, Foto: © gallerix.ru
- Hafen von La Rochelle, Foto: © Musee nacional de la Marine, Wikimedia Commons
Was jedoch Vernet, wie eingangs erwähnt, zeitlebens nicht losließ, war die bewegte Schönheit der Natur in seinem sonstigen Werk. Er war ein Meister der Komposition und Ausgewogenheit. Die Gemälde der Schiffbrüche und Stürme vereinen Poesie, Dramatik und Menschen als Spielball höherer Mächte.
- Storm, Foto: © Web gallery of Art
- Schiffswrack, Foto: © Lukas-Art in Flanders VZW
Penibel in Detail und Komposition sind die Szenen, bei denen Leben und drohende Vernichtung präsent sind, ausgearbeitet. Die Legende besagt, dass sich Vernet, während eines Sturms auf See, am Mast eines Schiffes festbinden ließ, um mit der physischen und psychischen Erfahrung der Wirklichkeit, die Genauigkeit seines Werks zu verfeinern.
- Der Schiffbruch, Foto: © Musees d´art et d´histoire
- Der Sturm, Foto: © Haworth Art gallery
Abseits von Meer und Stürmen war der Künstler ein beeindruckender Darsteller von atmosphärischen Gegebenheiten, bei jedem Wetter und zu jeder Tageszeit. Egal ob Mond und Sonne auf oder untergehen, Regen aufzieht oder der Tag angenehm ausklingt, seine, von ihm geliebten bewölkten Himmel, lassen den Betrachter wünschen in diese Szenen involviert zu sein.
- Mediterraner Hafen, Foto: © Museo Soumaya
- Landschaft mit Wasserfall, Foto: © Walters Art Museum
Aber auch Stadtveduten, die Vernet während seiner Jahre in Rom malte, sollten nicht ungesehen an uns vorübergehen.
- Ein Wettkampf am Tiber in Rom, Foto: © National Gallery London
- Engelsburg und St. Peter in Rom, Foto: © Kunsthistorisches Museum
Liebe Leute, wie schon anfangs erwähnt, etwas abzubilden lässt sich mit Übung stetig verbessern, jedoch wenn Immaterielles, uns als Zeugen des Geschehens, innerlich berührt, da beginnt die wahre Kunst.
Euer Kultur Jack!
Beitragsbild: Das Schiffswrack, Foto: © purl.org/nga