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Die britische Nacht – John Atkinson Grimshaw

Die britische Nacht – John Atkinson Grimshaw

  

Wenn ein Mensch den Beruf des Malers wählt oder vom Drang ein solcher zu werden, in einer Art von Obsession ergriffen wird, hat er meistens keine Ahnung, was seine zukünftigen Schöpfungen abbilden oder darstellen werden. So hatte George Stubbs am Anfang seiner Karriere sicher nicht das Ziel vor Augen, dass sein Name ein Synonym für Pferdebilder wird und ebenso wenig plante Alexander Koester, dass ihn die Kunstwelt später „Enten-Koester“ tituliert.

 

Vielmehr ist es so, dass mancher Maler, im Laufe der Zeit, von der Faszination und Liebe zu einem bestimmten Motiv derart ergriffen wird, dass er es ganz einfach über alle anderen stellt. So erging es auch dem Künstler des heutigen Beitrags unseres Kulturblogs, und seine Hingabe gehörte dem Zwielicht, der Dämmerung und der Nacht – John Atkinson Grimshaw!

 

Er kam, im viktorianischen Zeitalter, in der englischen Stadt Leeds zur Welt. Die Kunst der Malerei erlernte er sich autodidaktisch und gab im Alter von 24 Jahren, zum Entsetzen seiner Eltern, seine Anstellung bei der „Great Northern Railway“ auf, um Maler zu sein.

 

Zu Beginn malte Grimshaw Stillleben, jedoch mit dem Erscheinen der „Präraffaelitischen Bruderschaft“ begann er Landschaften zu malen, die einen starken Einfluss durch diese Künstlervereinigung aufweisen. Diese Bilder sind durch einen präzisen Realismus und Atmosphäre Dichte geprägt.

 

Ab den 60er-Jahren begann er mit intensiver Ausstellungstätigkeit und seine Landschaften, aber vor allem seine nächtlichen, stimmungsvollen Szenen erfreuten sich rasch steigender Beliebtheit.

 

Der zunehmende Erfolg war auch mit finanzieller Unabhängigkeit verbunden und er zog mit seiner Frau in ein Haus am Stadtrand von Leeds – Knostrop Hall. Dieses war ein riesiges Herrenhaus aus dem 16. Jahrhundert, somit schon bei ihrem Einzug sehr alt und es bildete, durch seine beeindruckende Erscheinung und beachtliche Größe, eine wunderbare Kulisse und Staffage für etliche seiner Bilder. Heute existiert das Haus leider nicht mehr, denn es wurde 1960 abgerissen.

 

Im Laufe der nächsten Jahre wurden nächtliche, oft regennasse Szenen immer mehr zu seinem Lieblingsthema und auch sein Bekanntheitsgrad wuchs mit diesem Motiv. Er freundete sich mit anderen populären Malern an, wie etwa James McNeill Whistler, der seine Arbeit sehr zu schätzen wusste und darüber sagte: “Ich betrachtete mich als Erfinder der Nachtszenen, bis ich Grimmys mondhelle Bilder sah“.

 

Jedoch noch zwei andere Themen beschäftigten Grimshaw; die Darstellung von Elfen, und Szenen aus Alfred Lord Tennysons Werk. Tennysons Schaffen beeindruckte ihn derart, dass er seine Kinder mit Namen aus den Dichtungen des viktorianischen Poeten bedachte.

 

Die Schauplätze der Schöpfungen des Künstlers änderten sich immer wieder, jedoch um die atmosphärischen Stimmungen, die sein Markenzeichen wurden, beibehalten zu können, verwendete er bestimmte Elemente, in verschiedener Zusammensetzung, in den meisten seiner Bilder: Dunkelheit, Feuchtigkeit, Gaslicht, alte Häuser, Herbststimmung und einzelne Menschen. Sogar Straßenszenen in großen Städten sind relativ spärlich bevölkert.

 

Ebenfalls eine besonders anziehende Wirkung auf Grimshaw hatten Häfen und Docks. Englische Hafenstädte wie etwa Whitby oder Scarborough übten eine magische Faszination auf ihn aus. Er malte sie etliche Male und er mietete in Scarborough, in den 70er-Jahren des 19. Jahrhunderts, für sich und seine Familie für längere Zeit ein zweites Zuhause.

 

In den 80ern lebte die Familie ein wenig über ihre Verhältnisse, was zur Verschuldung führte, jedoch mit Arbeitsaufenthalten in London, und deren künstlerischen Früchten, konnte Grimshaw die finanzielle Krise überwinden. Die Welt der Kunstinteressierten profitierte in dieser Zeit durch beeindruckende Darstellungen der britischen Hauptstadt.

 

Im Grunde seines Wesens war der Maler ein sehr familiärer Mensch, und so kehrte er, trotz des kommerziellen Erfolges in London, wieder nach Knostrop Hall zurück. Er hatte mit seiner Frau 15 Kinder, von denen aber nur 6 das Erwachsenenalter erreichten, jedoch 4 davon selbst Maler wurden.
Nach einer sehr erfolgreichen Karriere, die ihm einen Platz unter den bedeutenden viktorianischen Künstlern sicherte, starb John Atkinson Grimshaw, im Jahre 1893, an einer Krebserkrankung in seiner Heimatstadt Leeds.

 

Liebe Leute, mancher Betrachter wird die Bilder Grimshaws als bedrückend empfinden – Nacht, dunkle Palette, Einsamkeit, Stille- jedoch sie verkörpern den romantischen Geschmack des Viktorianischen Zeitalters. Sie sind die perfekte Ergänzung zum britischen Musikgeschmack dieser Zeit (Schubert, Brahms, Wagner..) und den damals äußerst populären Romanen von Charles Dickens.

 

Die Stimmung seiner Schöpfungen versetzt die romantische Saite des Menschen in Schwingungen und erweckt im Betrachter den Wunsch – damals wie heute – einen Abendspaziergang in einem dieser Szenarien zu unternehmen, meint,
Euer Kultur Jack!

Eingangsbild: Reflections on the Thames, 1880, Copyright: The Anthenaeum.org

Über den Autor

Kultur Jack

Vor längerer Zeit in Wien geboren, und bis heute mit der Ortswahl glücklich! Da man von kultureller Leidenschaft allein schwer leben kann, bin ich, im kaufmännischen Bereich, selbständig tätig. Meiner Meinung nach, sollte man geistige Genüsse, nach deren Entdeckung, teilen und weitergeben, damit so viele Menschen wie möglich davon berührt werden. Es liegt ja auch im Sinne des Künstlers, sonst würde er ja kein Buch drucken lassen, oder Bilder zur Schau stellen. Mehr über mich !