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B(r)uchstücke der Literatur XXXI – Die amerikanische Feder

B(r)uchstücke der Literatur XXXI – Die amerikanische Feder

                                                          

Als Philip Roth, in den 90 ern des letzten Jahrhunderts, aus Europa nach Amerika zurückkehrte, eine Ehe mit anschließender Scheidung hinter sich brachte, und eine schwere Depression, die für ihn in einer psychiatrischen Klinik endete, zu durchleiden hatte, schrieb er eine Trilogie, die tief in die amerikanische Seele blicken lässt. Er war mehrmals im Gespräch für den Literaturnobelpreis, hat ihn aber nie erhalten – er hätte ihn verdient!

„Die freundliche, nicht abwertende Beurteilung des Schweden konnte ohne weiteres auf einer erst kürzlich erfolgten Sinnesänderung Jerrys beruhen, auf Mitleid, das erst wenige Stunden alt war. Dergleichen kann sich ergeben wenn Menschen sterben – die Streitgründe fallen weg, und Menschen, die zu Lebzeiten so viele Fehler hatten, dass man sie manchmal kaum ertragen konnte, erscheinen jetzt im reizvollsten Licht, und was einem vorgestern noch vollkommen gegen den Strich ging, erfüllt einen in der Limousine hinter dem Leichenwagen plötzlich nicht nur mit Verständnis und Belustigung, sondern geradezu mit Bewunderung. Welche dieser Sichtweisen der Realität näher kommt – die unbarmherzige, die emotionslos im Geplänkel des Alltags entsteht und uns vor der Beerdigung zugestanden wird; oder die, die uns danach beim Familientreffen erfasst -, kann nicht einmal ein Außenstehender beurteilen. Der Anblick eines Sarges, der im Boden versinkt, kann einen starken Sinneswandel bewirken – plötzlich stellt man fest, dass man gar nicht so enttäuscht ist von diesem Menschen, der da gestorben ist -, aber wie sich der Anblick eines Sarges auf den nach Wahrheit suchenden Geist auswirkt, das behaupte ich nicht zu wissen.“
Amerikanisches Idyll, Philip Roth (1933-2018)

 

Da mich das Thema nicht interessiert hat, wollte ich „Lolita“ eigentlich nicht lesen, doch letztendlich hat die Neugier auf Nabokovs Sprache doch gesiegt. Ich bereue es in keiner Weise – ich hätte wunderbare Stunden versäumt.

„Ich wuchs als glückliches, gesundes Kind in einer heilen Welt von illustrierten Büchern, sauberem Sand, Orangenbäumen, zutunlichen Hunden, Aussicht aufs Meer und lächelnden Gesichtern auf. Um mich her drehte sich das glanzvolle Hotel Mirana wie eine Art privaten Universums, ein weiß getünchter Kosmos innerhalb des größeren blauen, der draußen erstrahlte.“

„Wir spielten Schach, seine Tochter beobachtete mich von ihrer Staffelei aus und fügte Augen oder Knöchel, die sie mir entnahm, in den kubistischen Unsinn, den gebildete junge Damen damals an Stelle von Flieder und Lämmchen malten.“
Lolita, Vladimir Nabokov (1899-1977)

 

Henry Millers Beziehung zu seiner Heimat USA war nicht die Beste, aber umgekehrt war es genauso – bis weit in das 20. Jahrhundert hinein waren seine Bücher dort verboten.

„Ich musste daran denken, wie dieser unser Kontinent aussah, ehe der Weiße ihn übernahm. Mir schien, dass Stille ein großer Faktor in der Welt des Indianers war, dass er keinen unnötigen Aufruhr machte, dass er eher den längeren Umweg einschlug, als die Abkürzung. Vielleicht lebte sein Denken in Ruhe. Ganz gewiss brauchte er keine Aktienbörsen, keine Eisengießereien, Blechwalzwerke, Kruppfabriken, Laboratorien, Zeitungen, Münzanstalten, Munitionsdepots. er brauchte, so könnte es scheinen, nichts von dem, was uns so unentbehrlich dünkt. Nicht dass seine Welt ein Paradies gewesen wäre. Aber sie war nie eine sinnlose Welt. Sie besaß Schönheit, Tiefe, große Zwischenzeiten der Stille, und sie vibrierte von Gefühl.“
Schweb still wie der Kolibri, Henry Miller (1891-1980)

 

John Dos Passos verstand es meisterhaft Augenblicke des Seins in wunderbare Worte zu gießen.

„Große Tropfen Mondlicht sickerten durch das dunkle bronzefarbene Laub eines Baumes über uns und glitzerten auf dem Pflaster wie umhergestreute neugeprägte Silberdollars.“
Die großen Tage, John Dos Passos (1896-1970)

„Draußen überflutete zitronengelbe Dämmerung die menschenleeren Straßen, tröpfelte von den Simsen, von den Gestängen der Feuerleitern, von den Kanten der Ascheneimer, zerschlug die Schattenblöcke zwischen den Häusern.“

„Gelbes Licht aus Spiegeln und Messingstangen und vergoldete Rahmen um die Bilder rosignackter Weiber wogte und patschte in die Schnapsgläser, die mit zurückgeworfenen, schwarzhaarigen Köpfen gierig leergeschluckert wurden, sickerte hell durchs Blut, quoll blasig aus Ohren und Augen, troff sprühend von Fingerspitzen.“
Manhattan Transfer, John Dos Passos (1896-1970)

 

Henry David Thoreau bezog im Jahre 1845 zwei Jahre lang, eine selbstgebaute Blockhütte am Walden-See, Massachusetts, und lebte dort allein. Er war der erste Aussteiger, der in seinem berühmten Buch „Walden“, seine Erfahrungen und Gedanken aus dieser Zeit niederschrieb.

„Ich ging in die Wälder, weil ich bewusst leben wollte. Ich wollte das Dasein auskosten und das Mark des Lebens in mich einsaugen! Und alles fortwerfen, das kein Leben barg. Um nicht an meinem Todestag innezuwerden, dass ich nie gelebt hatte.“
Walden, Henry David Thoreau (1817-1862)

 

In den Punkten Alter und Geschichte, werden sich die USA nie mit Europa messen können, jedoch bei der Literatur sind sie mit uns auf Augenhöhe, meint,
Euer, Kultur Jack!

Beitragsbild: National Climatic Data Center

Über den Autor

Kultur Jack

Vor längerer Zeit in Wien geboren, und bis heute mit der Ortswahl glücklich! Da man von kultureller Leidenschaft allein schwer leben kann, bin ich, im kaufmännischen Bereich, selbständig tätig. Meiner Meinung nach, sollte man geistige Genüsse, nach deren Entdeckung, teilen und weitergeben, damit so viele Menschen wie möglich davon berührt werden. Es liegt ja auch im Sinne des Künstlers, sonst würde er ja kein Buch drucken lassen, oder Bilder zur Schau stellen. Mehr über mich !