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Ein Buch aus Gold und Lapislazuli

Ein Buch aus Gold und Lapislazuli

Das Stundenbuch der Maria von Burgund (um 1475)

Sorry, liebe Leute, heute muss ich Euch anfangs langweilen, denn dieser Beitrag macht es notwendig meine Vorgangsweise beim Erstellen eines Beitrags zu beschreiben.

Also, ich entscheide mich für ein Objekt oder einen Künstler, recherchiere in allen mir zugänglichen Quellen bis mir das Thema abgerundet erscheint und schreibe dann den Bericht, wobei ich versuche Authentizität und Aktualität zu bieten und Langatmigkeit zu vermeiden.

Trotz aller Nachforschung zu den Themen, geschieht es immer wieder, dass nicht alle Fragen dazu geklärt sind. Es sind nie so wesentliche, dass der Beitrag ungeschrieben bliebe, jedoch für mich sind es kleine, weiße Flecken, die mein Kopf gerne gefüllt hätte.

Genau bei unserem heutigen Thema – dem Stundenbuch der Maria von Burgund – traf das wieder zu, und da geschah ein Glücksfall. Mir wurde von der Österreichischen Nationalbibliothek (ÖNB) ein Fachgespräch mit einer Kapazität des Hauses angeboten, worauf ich freudig zugriff.

Aus diesem Grund, liebe Leute, werden bei diesem Bericht, wann immer nötig, Teile des Interviews eingeschoben sein, wobei ich mit „KJ“ (Kultur Jack) und mein Gegenüber mit „E“ (Experte) benannt sind.

Mein Gesprächspartner war Dr. Andreas Fingernagel, Direktor der Handschriften-Sammlung der ÖNB und Experte für das „Stundenbuch der Maria von Burgund“.

 

So, nach so viel profaner Einleitung jetzt zu Kulturellem und unser heutiges Kulturgut ist wieder einmal von höchster künstlerischer Qualität.

 

Wie ich schon einmal in einem Beitrag erklärte, war ein Stundenbuch im Mittelalter ein Gebetbuch für Laien, welches für die sogenannten Stundengebete verwendet wurde. Dieses, unser heutiges Thema bildendes, war das persönliche von Maria von Burgund (1457-1482), Ehefrau von Maximilian I. von Habsburg (1459-1519).

KJ: Wie lange wurde an dem Buch gearbeitet?

E: Die genaue Arbeitszeit ist sehr schwer abzuschätzen, da die aufwendige Bordürenmalerei schon sehr zeitintensiv war. Als Entstehungszeitraum nehmen wir zwischen 1472- 1479 an.

Die Handschrift ist um 1477 in Flandern entstanden, umfasst 187 Pergament-Blätter und hat mit 22,5 x 5 cm ungefähr das Format eines heutigen Buches.

KJ: Wie entstand ein Stundenbuch?

E: Der Beauftragte hatte die Verpflichtung die großen Abbildungen zu malen, für den Schmuck in der Bordüre (Tiere, Blumen) gab es Spezialisten in seiner Werkstatt.

Es ist zur Gänze von Hand gemalt und geschrieben, wobei vier verschiedene Miniaturmaler in Frage kommen. Die eindeutige Urheberschaft ist bis heute nicht geklärt, weshalb der Schöpfer „Meister der Maria von Burgund“ genannt wird. Wir dürfen auch nicht vergessen, dass im Spätmittelalter der Name nicht wichtig war, denn den Begriff des Künstlers gab es noch nicht – sie waren Handwerker.

KJ: Waren die 4 möglichen Schöpfer reine Miniaturmaler und ist das Buch im klösterlichen Bereich entstanden?

E: Drei von ihnen waren reine Miniaturmaler. Zu dieser Zeit hatte sich die Buchmalerei aber schon von den Klosterwerkstätten emanzipiert; dieses Werk entstand in einer professionellen Maler-Werkstatt.

KJ: Woher weiß man, dass es Marias Buch war?

E: Früher wurde auch für möglich gehalten, dass es das Buch von Marias Vater, Karl dem Kühnen, war, jedoch die heutige Forschung hält es für sicher, dass es ihr gehörte. In einem Stundenbuch sind die Gebete für Männer und Frauen unterschiedlich, und dieses Buch enthält eindeutig weibliche Gebete.

Auf den ersten 34 Seiten erscheint es als „Schwarzes Stundenbuch“, womit gemeint ist, dass die goldene Schrift der Gebete schwarz unterlegt ist, ab Seite 35 ist der Untergrund einheitlich weiß.

 

Es wird angenommen, dass der Tod Karl des Kühnen, in der Schlacht von Nancy, der Beweggrund war, dass es schwarz begonnen wurde. Jedoch die Vorfreude auf die bald bevorstehende Hochzeit mit Maximilian ließ den Gedanken an ein Trauerbuch in den Hintergrund treten und so wurde es weiß fortgeführt.

KJ: War die Handschrift seit damals immer in habsburgischem Besitz?

E: Ja, davon geht man aus, gesichert ist nur Kaiser Matthias, weil sich seine Initialen im Buch befinden. Als Napoleon in Wien einmarschierte, hat er alles was er für sein Museum in Frankreich haben wollte, auch dieses Buch, nach Paris bringen lassen. Nach dem Frieden von 1815 kam der gesamte geraubte Bestand wieder zurück.

Liebe Leute, jede einzelne Seite dieses Bandes ist ein Meisterwerk, ganz gleich ob es sich um die 20 ganzseitigen Miniaturen oder die 32 kleinen Illustrationen handelt. Jedes die Gebete umfassende Feld, die Bordüre, ist mit handgemalten Blumen und Tieren übersät.

 

KJ: War die Abbildung von Affen in der Bordüre nicht zu profan für ein Gebetbuch?

E: Man hat das damals nicht unbedingt als Gegensatz empfunden, noch dazu war ein Stundenbuch ein Gebetbuch für Laien und so war man weniger befangen.

Für die Feinheit der Arbeiten ist die „Dame am Fenster“ ein sehr gutes Beispiel.

 

Auf Grund anderer Gemälde hält man es heute für sicher, dass es Maria selbst ist, welche am Fenster sitzt und aus ihrem Stundenbuch die Gebete rezitiert. Das Meisterhafte daran erschließt sich uns aus der Abbildung Marias mit ihrem Hündchen auf dem Schoss selbst, aber auch an den Gegenständen auf dem Fenstersims – der Halskette, dem durchsichtigen Schleier und den Schwertlilien in der Vase. Den Kirchenraum dahinter füllen die Mutter Gottes mit Kind, Betende und Engeln mit Kerzen an den 4 Ecken des Teppichs.

KJ: Sind Kirche und Figuren jenseits des Fensters bekannt?

E: Man weiß nichts über die Kirche, denn in dieser Zeit haben die Maler selten die Realität abgebildet. Die Figuren wurden nie identifiziert.

Kunstgeschichtlich interessant vor allem ist, dass es sich hier um die erste Abbildung des Typus „Blick aus einem Fenster“ handelt. Es zeigt dadurch auch, dass der Schöpfer sehr wohl ein Künstler und kein Handwerker war, denn durch diesen Fenster-Kniff musste er auch anders mit den Punkten Perspektive, Licht und Raumgefühl umgehen.

E: Das Faszinierende an dem Bild ist, wie der Künstler es schafft einen Tiefen-Raum zu erzeugen. Zuerst durch die Gegenstände auf dem Fenstersims und dann durch die geöffneten Fensterflügel, denn damit bewirkt der Maler im Kirchenraum eine starken Zug in die Tiefe. Das ist einmalig in Flandern zu dieser Zeit.

Weitere gute Beispiele für aufkommende Perspektiv-Lösungen, zeigen die „Nagelung ans Kreuz“ und die „Kreuzigung“. Der Meister hat die Kreuze schräg in den Raum gestellt, wobei ein ganz anderes Können als bei frontalen Ansichten verlangt wird.

 

KJ: 30 Jahre zuvor hatte Alberti seine „della pictura“ (theoretische Abhandlung der Zentralperspektive) in Florenz geschrieben. Hatte sie  bereits eine Auswirkung auf diese Arbeit?

E: Wahrscheinlich nicht, denn die Perspektive wird hier anders konstruiert. Würde man sie überprüfen wäre sie nicht immer richtig; sie ist noch keine Zentralperspektive.

Aber abgesehen von den großformatigen Abbildungen, ist eigentlich jede Seite dieses Kunstwerks meisterlich. Die Bordüren sind überreich an Pflanzen, Blumen, Früchten, Vögeln, Fischen, Wild und exotischen Tieren. Aber auch Engel, Drachen, Fabelwesen, Jäger, Handwerker, Bettler, Musikanten und Artisten bevölkern diese Welt. Schier endlos war die Fantasie der daran Arbeitenden!

 

 

KJ: In welcher Technik wurde gemalt?

E: Es wurden Temperafarben verwendet, die aus Mineralien gewonnen wurden – zerriebener Lapislazuli, der teurer als Gold war, Quecksilberoxyde, Grünspan… Die Goldfarbe wurde entweder als Blattgold oder zerriebenes Gold mit Bindemittel verwendet.

Für Detail – Interessierte hier der Link zur digitalisierten Online – Handschrift (alle 385 Seiten) der Österreichischen Nationalbibliothek:

Stundenbuch Maria von Burgund

Liebe Leute, es gibt noch ein zweites Stundenbuch Marias vom gleichen Maler, welches in Berlin ein Zuhause gefunden hat, aber das Wiener Buch ist das Hauptwerk des Meisters der Maria von Burgund.

KJ: In einem Ranking der Schätze der Nationalbibliothek – wo würde es stehen?

E: In der Handschriften-Sammlung der Österreichischen Nationalbibliothek liegt es sicher unter den Top Ten.

Da Licht, neben Wasser und Feuer, ein Hauptfeind solcher Schöpfungen ist, kann man das Original nur sehr selten bewundern. Jedoch wir haben das Glück, dass ab morgen, 15. März 2019, dieses Kleinod in der großen Ausstellung über Kaiser Maximilian I. in der ÖNB gezeigt wird.

Link: Kaiser Maximilian I. Ein großer Habsburger

Ein Glücksfall, den man sich, als Kunst – Liebhaber, nicht entgehen lassen sollte, animiert Euch,

Euer Kultur Jack!

Über den Autor

Kultur Jack

Vor längerer Zeit in Wien geboren, und bis heute mit der Ortswahl glücklich! Da man von kultureller Leidenschaft allein schwer leben kann, bin ich, im kaufmännischen Bereich, selbständig tätig. Meiner Meinung nach, sollte man geistige Genüsse, nach deren Entdeckung, teilen und weitergeben, damit so viele Menschen wie möglich davon berührt werden. Es liegt ja auch im Sinne des Künstlers, sonst würde er ja kein Buch drucken lassen, oder Bilder zur Schau stellen. Mehr über mich !