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B(r)uchstücke der Literatur LVIII – Großbritannien schreibt

B(r)uchstücke der Literatur LVIII –  Großbritannien schreibt

D. H. Lawrences Buch „Lady Chatterley“, war ein Skandalroman des beginnenden 20. Jahrhunderts, weil erstmals geschlechtliche Handlungen detailliert beschrieben werden. Heute sind die Szenen keine Aufreger mehr und somit bleibt uns ein wunderbar geschriebenes Stück Weltliteratur.

D. H. Lawrence, Foto: © wikimedia commons

„Connie ging langsam heim nach Wragby. “Heim!“…das war ein warmes Wort für den großen, ungemütlichen Kaninchenbau! Aber schließlich, es war auch ein Wort, das überholt war. Es war irgendwie annulliert worden. All die großen Worte, so schien es Conny, waren für ihre Generation annulliert worden: Liebe, Freude, Glück, Heim, Mutter, Vater, Mann – all diese großen kraftvollen Worte waren halb erstorben jetzt und starben von Tag zu Tag mehr. Heim – das war der Platz, wo man wohnte, Liebe war etwas, um dessentwillen man sich nicht zum Narren machte, Freude war ein Wort, das man bei einem guten Charleston anwandte, Glück ein Terminus der Heuchelei, den man benutzte, um andere Leute zu bluffen, ein Vater war ein Individuum, das sein eignes Dasein genoss, ein Ehemann war ein Mensch, mit dem man lebte und den man bei guter Laune hielt. Und Sexus, das letzte der großen Worte – das war nur ein Cocktail-Name für eine Aufreizung, die einen für eine Weile aufputsche und dann müder und verbrauchter denn ja zurückließ. Verschlissen! Es war, als sei der Stoff, aus dem man bestand, aus billiger Ware verfertigt, und als zerschleiße er zu nichts.“
Lady Chatterley, D. H. Lawrence (1885-1930)

Trauer und Freude sind ein Paar.

Virginia Woolf, Foto: © Harvard Theater Collection, Harvard University

„Der schwermütige Strom trägt uns weiter. Wenn der Mond durch die hängenden Weidenäste herscheint, sehe ich dein Gesicht, höre ich deine Stimme und höre den Vogel singen, während wir an dunklen Gebüschen vorbeikommen. Was flüsterst du? Trauer, Trauer. Freude, Freude. Verflochten wie Schilfhalme im Mondlicht. Verflochten, unentwirrbar vermengt, verbunden in Schmerz und verstreut in Trauer- krach.!
Das Boot sinkt. Aufstrebend steigen die Figuren höher, nun aber blätterdünn, sich zu einem dunklen Schemen verjüngend, der mit feuriger Spitze seine zweifache Leidenschaft aus meinem Herzen zieht. Für mich singt er, versiegelt meinen Kummer, taut mein Mitgefühl auf, überflutet mit Liebe die sonnenlose Welt und schwächt, auch im Verklingen, seine Zärtlichkeit nicht ab, sondern zart und geschickt webt er hin und her, bis in diesem Muster, dieser Vollendung die gespaltenen sich vereinen, aufschweben, schluchzen, zur Ruhe sinken – Trauer und Freude.“
Die Dame im Spiegel, Virginia Woolf (1882-1941)

Wenn der Autor zum Leser spricht.

Walter Scott by Sir Thomas Lawrence, Foto: © Royal Collection

„Die Anlage meines Werkes verlangt, dass ich die Beweggründe aufzeige, auf denen die Handlung beruht; und die Beweggründe entspringen notwendig aus den Gefühlen, Gedanken und Vorurteilen der Zeit. Weibliche Ungeduld hat am meisten recht, sich darüber zu beklagen; doch ich lade meine Leserinnen nicht zu einer Fahrt im Himmelswagen ein, der von Flügelrossen gezogen oder durch Zauberkraft bewegt wird. Ich bediene mich der gewöhnlichen englischen Postkutsche, die auf vier Rädern die Landstraße entlangrollt. Wer dieses Gefährt verschmäht, mag beim nächsten Halt aussteigen und warten, ob er auf Prinz Husseins Teppich oder im fliegenden Schilderhaus des Webers Malek mitgenommen wird. Wer sich damit zufriedengibt, bei mir zu bleiben, wird hie und da den Beschwerlichkeiten ausgesetzt sein, die durch schlechte Straßen, steile Anhöhen, Pfützen und andere Hindernisse auf dieser Erde verursacht werden; aber ich verspreche, wie es in den Inseraten steht, mit leidlichen Pferden und einem höflichen Kutscher so schnell wie möglich, in eine schönere, stimmungsvollere Gegend zu gelangen, sofern meine Fahrgäste bereit sind, auf den ersten Wegstrecken etwas Geduld mit mir zu haben.“
Waverley, Walter Scott (1771-1832)

Malcolm Lowry vier Fassungen seines Buches „Unter dem Vulkan“ – zwei in den USA, eine in Canada und eine in Mexico, wo der Roman auch spielt. Dieses Buch wurde zu seinem Hauptwerk.

Malcolm Lowry, Foto: © Arturo Espinosa

„Die Anlage meines Werkes verlangt, dass ich die Beweggründe aufzeige, auf denen die Handlung beruht; und die Beweggründe entspringen notwendig aus den Gefühlen, Gedanken und Vorurteilen der Zeit. Weibliche Ungeduld hat am meisten recht, sich darüber zu beklagen; doch ich lade meine Leserinnen nicht zu einer Fahrt im Himmelswagen ein, der von Flügelrossen gezogen oder durch Zauberkraft bewegt wird. Ich bediene mich der gewöhnlichen englischen Postkutsche, die auf vier Rädern die Landstraße entlangrollt. Wer dieses Gefährt verschmäht, mag beim nächsten Halt aussteigen und warten, ob er auf Prinz Husseins Teppich oder im fliegenden Schilderhaus des Webers Malek mitgenommen wird. Wer sich damit zufriedengibt, bei mir zu bleiben, wird hie und da den Beschwerlichkeiten ausgesetzt sein, die durch schlechte Straßen, steile Anhöhen, Pfützen und andere Hindernisse auf dieser Erde verursacht werden; aber ich verspreche, wie es in den Inseraten steht, mit leidlichen Pferden und einem höflichen Kutscher so schnell wie möglich, in eine schönere, stimmungsvollere Gegend zu gelangen, sofern meine Fahrgäste bereit sind, auf den ersten Wegstrecken etwas Geduld mit mir zu haben.“
Unter dem Vulkan, Malcolm Lowry (1909-1957)

Philosophie in Theorie und Praxis.

Henry Fielding by William Hogarth, Foto: © Wikimedia commons

„Philosophen sind auch nur Menschen aus Fleisch und Blut; und so sublimiert und feingesponnen ihre Theorie sein mag; einer kleinen praktischen Schwäche sind sie ebenso unterworfen wie andere Sterbliche. Wie wir oben andeuteten, besteht der Unterschied tatsächlich nur in der Theorie und nicht in der Praxis; denn, wenn diese großen Geister auch weit besser und weiser denken, so handeln sie doch immer genauso wie andere Menschen. Sie wissen ausgezeichnet, wie man alle Begierden und Leidenschaften unterdrückt und wie man Schmerz und Freude verachtet; und dieses Wissen gibt ihnen Anlass zu mancherlei erfreulichen Betrachtungen und lässt sich leicht erwerben; die Praxis hingegen wäre lästig und unbequem; und dieselbe Weisheit, der sie diese Kenntnisse verdanken, lehrt sie deshalb auch, möglichst keinen Gebrauch von ihnen zu machen.“
Tom Jones, Henry Fielding (1707-1754)

Oscar Wilde wurde 1895 wegen homosexueller „Unzucht“ zu zwei Jahren Zuchthaus mit harter Zwangsarbeit verurteilt. Der Aufenthalt und die unmenschlichen Zustände in dieser Anstalt haben ihn als Menschen zerbrochen, und er starb als seelisches Wrack im Jahr 1900 in Paris.

Oscar Wilde, Foto: © newcastle.arts-center

„Die Gesellschaft maßt sich einerseits das Recht an, dem Individuum die haarsträubendsten Strafen aufzuerlegen, und ist andererseits dem schlimmsten Laster der Seichtheit verfallen und macht sich nicht klar, was sie getan hat. Wenn der Mensch seine Strafe abgebüßt hat, überlässt sie ihn seinem Geschick: das heißt, sie wendet sich genau in dem Moment von ihm ab, wo ihre vornehmste Pflicht gegen ihn einsetzen würde. In Wahrheit schämt sie sich ihres Vorgehens, und weicht denjenigen aus, die sie bestraft hat, wie die Leute einem Gläubiger ausweichen, den sie nicht bezahlen können, oder einem Menschen dem sie unermessliches, nicht gutzumachendes Unrecht zugefügt haben. Wenn ich meinerseits mir klar mache, was ich gelitten habe, so fordere ich auch, dass die Gesellschaft sich klar macht, was sie mir angetan hat: und dass auf keiner Seite mehr Hass oder Bitterkeit herrsche.“
De Profundis, Ein Brief aus dem Zuchthaus zu Reading, Oscar Wilde (1854-1900)

Auf dieser Reise durch 300 Jahre englische Literatur, begegneten wir den unterschiedlichsten Schreibenden und sie ließen uns daran teilhaben, was ihre Köpfe beschäftigte. Eines war bei allen gleich – Leidenschaft, Freude und innerer Zwang zu Schreiben.
Euer Kultur Jack!

Beitragsfoto: Pixybay

Über den Autor

Kultur Jack

Vor längerer Zeit in Wien geboren, und bis heute mit der Ortswahl glücklich! Da man von kultureller Leidenschaft allein schwer leben kann, bin ich, im kaufmännischen Bereich, selbständig tätig. Meiner Meinung nach, sollte man geistige Genüsse, nach deren Entdeckung, teilen und weitergeben, damit so viele Menschen wie möglich davon berührt werden. Es liegt ja auch im Sinne des Künstlers, sonst würde er ja kein Buch drucken lassen, oder Bilder zur Schau stellen. Mehr über mich !