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B(r)uchstücke der Literatur XLVIII – Erkenntnisse

B(r)uchstücke der Literatur XLVIII – Erkenntnisse

Die perfekte Kombination für den Lesenden sind Erkenntnisse des Menschen, wenn sie mit der sprachlichen Schönheit des Schriftstellers eine Symbiose ergeben.

Foto: © viadellebelledonne.files.wordpress.com

„Denn wenn die Dummheit nicht von Innen dem Talent zum Verwechseln ähnlich sähe, wenn sie außen nicht als Fortschritt, Genie, Hoffnung, Verbesserung erscheinen könnte, würde wohl niemand dumm sein wollen, und es würde keine Dummheit geben. Zumindest wäre es sehr leicht sie zu bekämpfen. Aber sie hat leider etwas ungemein Gewinnendes und Natürliches. Wenn man zum Beispiel findet, dass ein Öldruck eine kunstvollere Leistung sei als ein handgemaltes Ölbild, so steckt eben auch eine Wahrheit darin, und sie ist sicherer zu beweisen als die, dass van Gogh ein großer Künstler war. Ebenso ist es sehr leicht und lohnend, als Dramatiker kräftiger als Shakespeare oder als Erzähler ausgeglichener als Goethe zu sein, und ein rechter Gemeinplatz hat immerdar mehr Menschlichkeit in sich, als eine neue Entdeckung. Es gibt schlechterdings keinen bedeutenden Gedanken, den die Dummheit nicht anzuwenden verstünde, sie ist allseitig beweglich und kann alle Kleider der Wahrheit anziehen. Die Wahrheit dagegen hat jeweils nur ein Kleid und einen Weg und ist immer im Nachteil.“

Der Mann ohne Eigenschaften, Robert Musil (1880-1942)

                                         

So ziemlich alle Bücher Henry Millers enthalten viel Autobiographisches. Er versuchte immer hinter die Dinge zu blicken und der Wahrheit auf den Grund zu gehen.

 

Foto: © Carl van Vechten

„Und das führt mich zur Gegenwart, zu dem Leben, wie wir es heute kennen. Ist es nicht offenbar, dass unsere ganze Lebensweise eine Hingabe an den Tod ist? In unseren verzweifelten Bemühungen, uns zu erhalten – zu erhalten, was wir geschaffen haben -, führen wir unseren Tod herbei. Wir geben uns nicht dem Leben hin, wir kämpfen, um dem Tod zu entgehen. Das heißt nicht, dass wir den Glauben an Gott, sondern den Glauben an das Leben verloren haben. Gefährlich leben, wie Nietzsche es ausdrückt, heißt, nackt und ohne Scham leben. Es heißt, unser Vertrauen auf die Lebenskraft setzen und aufhören uns herumschlagen mit einem Phantom, genannt Tod, dem Phantom Krankheit, dem Phantom Sünde, dem Phantom Furcht und so fort. Die Phantomwelt! Das ist die Welt die wir uns geschaffen haben. Denken sie an das Militär mit seinem ewigen Gerede vom Feind. Denken sie an die Geistlichkeit mit ihrem ewigen Gerede von Sünde und Verdammung. Denken sie an die Sippschaft von Juristen mit ihrem ewigen Gerede von Geld – und Gefängnisstrafen. Denken sie an die Ärzteschaft mit ihrem ewigen Gerede von Krankheit und Tod. Und an unsere Erzieher, die größten aller Dummköpfe, mit ihrem papageiähnlichen Geplapper und ihrem angeborenen Unvermögen, irgendeine Idee anzunehmen, außer wenn sie hundert oder tausend Jahre alt ist. Was aber die Leute anbetrifft, welche die Welt regieren – das sind die unehrlichsten, die unentwegtesten Heuchler, die größten Illusionisten und die einfallslosesten Tröpfe, die man sich denken kann. Sie sagen, sie seien über das Schicksal des Menschen besorgt. Es ist ein Wunder, dass der Mensch sogar die Illusion der Freiheit ausgehalten hat. Nein, der Weg ist blockiert, wohin sie sich auch wenden. Jede Mauer, jede Barriere, jedes Hindernis, das uns aufhält, haben wir selbst geschaffen. Es ist nicht nötig, Gott, den Teufel oder den Zufall zu bemühen. Der Herr der Schöpfung macht ein Schläfchen, während wir die von ihm aufgegebenen Rätsel zu lösen versuchen. Er hat uns erlaubt, alles über Bord zu werfen, außer den Geist. Im Geist hat die Lebenskraft Zuflucht gesucht. Alles ist bis auf den Nullpunkt analysiert worden. Vielleicht gewinnt jetzt gerade die Leerheit des Lebens Bedeutung und gibt uns Aufschluss, wie es weitergeht.“
Nexus, Henry Miller (1891-1980)

Die Wirkung von Musik ist ein, nicht leicht in Worte zu fassendes, Mysterium.

„Ist nicht die Musik die geheimnisvolle Sprache eines fernen Geisterreichs, deren wunderbare Akzente in unserem Inneren widerklingen und ein höheres, intensives Leben erwecken? Alle Leidenschaften kämpfen schimmernd und glanzvoll gerüstet miteinander und gehen unter in einer unaussprechlichen Sehnsucht, die unsere Brust erfüllt. Dies ist die unnennbare Wirkung der Instrumentalmusik.“
Die Serapionsbrüder, E.T.A. Hoffmann (1776-1822)

Foto: © Alte Nationalgalerie

Der Mensch, das Leben und das liebe Geld.

Foto: © todayin literature.com

„Wenn wir ewig lebten, dann wäre das, was sie sagen, wahr. Wir müssen aber sterben, wir können jederzeit aus dem Leben abberufen werden. Ungerechtigkeit und Habgier wären wohl das Wahre, wenn wir ewig lebten. So aber müssen wir uns an etwas anderes halten, denn der Tod kommt ganz bestimmt. Ich liebe den Tod – nicht etwa aus einer krankhaften Neigung heraus, sondern weil er Erklärungen gibt. Er zeigt mir, wie leer und hohl das Geld ist. Tod und Geld sind Feinde in alle Ewigkeit, nicht Tod und Leben. Was nach dem Tod kommt ist nicht so wichtig, Mr. Bast, aber sie können sich darauf verlassen, dass der Dichter und der Musiker und der Landstreicher im Tode glücklicher sein werden als ein Mensch, der nie gelernt hat zu sagen: >Ich bin ich.<“
Wiedersehen in Howards End, Edward M. Forster (1879-1970)

Zwischen Einzelpersonen und der Gemeinschaft hat sich seit dem Biedermeier nicht sehr viel verändert.

Foto: © ckrumlov.cz

„Es gibt Kräfte, die nach dem Bestehen des Einzelnen zielen. Sie nehmen alles und verwenden es, was zum Bestehen und zum Entwickeln desselben notwendig ist. Sie sichern den Bestand des Einen und dadurch den aller. Wenn aber jemand jedes Ding unbedingt an sich reißt, was sein Wesen braucht, wenn er die Bedingungen des Daseins eines anderen zerstört, so ergrimmt etwas Höheres in uns, wir helfen dem Schwachen und Unterdrückten, wir stellen den Stand wieder her, dass er ein Mensch neben dem anderen bestehe, und seine menschliche Bahn gehen könne, und wenn wir das getan haben, so fühlen wir uns befriediget, wir fühlen uns noch viel höher und inniger als wir uns als Einzelne fühlen, wir fühlen uns als ganze Menschheit. Es gibt daher Kräfte, die nach dem Bestehen der gesamten Menschheit hinwirken, die durch die Einzelkräfte nicht beschränkt werden dürfen, ja im Gegenteile beschränkend auf sie selber einwirken. Es ist das Gesetz dieser Kräfte das Gesetz der Gerechtigkeit das Gesetz der Sitte, das Gesetz, das will, das jeder geachtet geehrt ungefährdet neben dem anderen bestehe, dass er seine höhere menschliche Laufbahn gehen könne, sich Liebe und Bewunderung seiner Mitmenschen erwerbe, dass er als Kleinod gehütet werde, wie jeder Mensch ein Kleinod für alle anderen Menschen ist. Dieses Gesetz liegt überall, wo Menschen neben Menschen wohnen, und es zeigt sich, wenn Menschen gegen Menschen wirken. Es liegt in der Liebe der Ehegatten zueinander, in der Liebe der Eltern zu den Kindern der Kinder zu den Eltern in der Liebe der Geschwister der Freunde zueinander in der süßen Neigung beider Geschlechter in der Arbeitsamkeit, wodurch wir erhalten werden, in der Tätigkeit, wodurch man für seinen Kreis für die ferne für die Menschheit wirkt, und endlich in der Ordnung und Gestalt, womit ganze Gesellschaften und Staaten ihr Dasein umgeben, und zum Abschluss bringen.“
Vorrede zu den Erzählungen, Adalbert Stifter (1805-1868)

Liebe Leute, Literatur ist nicht nur „Geschichten erzählen“, sondern eingebettet in diese, zeigt uns der Schreibende auch seine Sicht auf die Welt,
Euer Kultur Jack!

Über den Autor

Kultur Jack

Vor längerer Zeit in Wien geboren, und bis heute mit der Ortswahl glücklich! Da man von kultureller Leidenschaft allein schwer leben kann, bin ich, im kaufmännischen Bereich, selbständig tätig. Meiner Meinung nach, sollte man geistige Genüsse, nach deren Entdeckung, teilen und weitergeben, damit so viele Menschen wie möglich davon berührt werden. Es liegt ja auch im Sinne des Künstlers, sonst würde er ja kein Buch drucken lassen, oder Bilder zur Schau stellen. Mehr über mich !