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Karl Heinrich Waggerl

Karl Heinrich Waggerl

Liebe Leute, ein Rückblick in die Weihnachtszeit meiner Kindheit, ist auch immer mit Karl Heinrich Waggerl verbunden. Denn es verging kein Jahr in dem er nicht zu dieser Jahreszeit, im damals, mit heute verglichen, kargen Fernsehprogramm, aus seinen Weihnachtserzählungen las. Seine ruhige Erzählweise, gepaart mit seiner sonoren Stimme, haben mich, unverständlicherweise da ich noch ein Kind war, magisch in ihren Bann gezogen.
Waggerl war, so wie nicht wenige der österreichischen Heimatdichter, ein Beobachter der ruhigen und kleinen Dinge.

Ganz allein stehst du da und streust deine Handvoll Erde wieder auf den Acker zurück, aber dir ist dennoch wohl ums Herz, weil alles um dich her so fest und sicher gegründet ist. Du siehst den Tag verdämmern, ohne Unruhe, ohne Sorge. Du hast ihn aus Gottes Hand empfangen wie einen Werkstein, hast ihn nach deinem Verstand behauen und geformt und in den Bau deines Lebens gefügt, und morgen wirst du wieder so tun. Es fällt dir nicht ein, Gottes Bausteine etwa zu messen und zu wägen, du zerschlägst sie nicht in Splitter, um zu sehen, wie sie inwärts beschaffen sind. Ein so großer und gelehrter Baumeister bist du gar nicht, nur ein Handlanger.

Aber vielleicht wird Gott dereinst deine Seele vor ein prächtiges Bauwerk führen. Herr, wirst du sagen, das ist zu kostbar für meine Seele, so ein schönes Haus! Du betrachtest das Gebäude genauer, und plötzlich ist dir jeder Stein vertraut und bekannt. Tag für Tag deines Lebens hast du daran gebaut, zuweilen missriet dir wohl auch ein Block, du warst ungeduldig in deiner Jugend, verzagt im Alter, aber im ganzen sieht es sich stattlich an, du hast eine prächtige Wohnung für die Ewigkeit.

Hier auf der Welt war dein Dasein freilich nicht besonders ruhmvoll, du hast dein Korn geerntet und deine Kinder damit gefüttert und aufgezogen, eines reichte gerade fürs andere. Eigentlich warst du ein recht unnützer Mensch, du hast nichts in Bücher geschrieben und nichts aus Büchern gelernt, niemals bist du in fremde Länder gereist, um zu erfahren, wie dick das Eis auf dem Nordpol ist, das war dir einerlei. Andere hatten ihre Sorgen damit, wie sie noch höher in die Luft, noch schneller über Land kämen, es war ja eine Schande, wenn man erst nach vielen Stunden erfahren konnte, dass irgendwo in Amerika der Blitz eingeschlagen hatte. Wie denn?, fragtest du, halfen sie denn dem Farmer, weil ihm sein Haus niedergebrannt war? Nein, sie wollte es nur wissen. Du nicht, mit deinem Werktagshirn. Du hättest vor zweitausend Jahren genau ebenso an deinem Zaun stehen können in Bundhosen und harbenem Hemd, und nach zweitausend Jahren vielleicht noch. Aber den übrigen Menschen ist die Zeit inzwischen knapp geworden, die müssen schneller leben und ihr Brot in Minuten verdienen, nicht in Wochen und Monaten wie du. Bei deiner Art zu rechnen käme die Welt nie vom Fleck. Du brauchst nicht nur wenig, du weißt nicht einmal, wie viel du brauchen könntest. Wahrscheinlich freut dich dein Weizen gar nicht mehr, wenn er dir in müßigen fünf Stunden statt in harten fünf Monaten reif würde, so ein Querkopf bist du. Und deinen Rock hieltest du für nur halb so gut, wenn er nicht vor deinen Augen gewoben, gewalkt und genäht worden wäre, eben dein Rock und kein anderer. Denn du meinst, die Dinge hätten ihren Wert von der Arbeit, die in ihnen steckt; und wenn man die Arbeit sparte, dann wären auch die Dinge nichts mehr. Und darum, weil du so denkst, wirst du immer arm bleiben, du ewiger Bauer an deinem Zaun!

                                                                                          (Das Jahr des Herrn, 1934)

Er wurde 1897 in Bad Gastein geboren, und besuchte in der Jugend das Lehrerseminar in Salzburg. Noch bevor er das Examen abschloss nahm er als Freiwilliger am 1.Weltkrieg teil. Dort erkrankte er an Tuberkulose und musste nach seiner Rückkehr, nach dreijähriger Lehrtätigkeit, gesundheitsbedingt den Beruf wieder aufgeben. Im frühzeitigen Ruhestand begann er zu Schreiben.

Das Wasser rauscht in der Schleuse, die Tiere grasen noch auf der Wiese, schön und friedlich ist das Geläute ihrer Glocken. Die Felder sind leer, aber es liegt doch noch ein wenig Farbe über dem Land, der milde Glanz des späten Jahres. Nun steigt der Abendstern über dem Wald empor, es ist ein einziger, großer leuchtender Stern, sonst ist der Himmel noch blau und licht. Lange steht er allein über den Wipfeln der schwarzen Fichten. Wind kommt in den Holunderstrauch neben der Bank, ein welkes Blatt löst sich und sinkt langsam auf den nackten Boden.
„Herbst!“ sagt Simon und lächelt.
Ja, es ist Herbst geworden…
                                                                                            (Brot, 1930)

Den Mittelpunkt seines Lebens bildete der hübsch gelegene Ort Wagrain im Salzburger Land, wo er 50 Jahre, bis zu seinem Tod lebte. Da viel in seinem Werk autobiographische Züge trägt besucht man in seinen Büchern auch diese Gegend. Anfang der 40er- Jahre war Waggerl für kurze Zeit auch Bürgermeister von Wagrain.

Es kommt für jeden der Augenblick, in dem er die Höhe seines Lebens überschreitet. In dieser Zeit sieht man weit voraus und weit zurück, man lebt noch wie sonst und freut sich seiner Kraft und der bunten Fülle um einen her. Aber schließlich merkt man doch, dass einem nichts mehr zuwächst, dass man in den Schatten hinuntersteigt und eigentlich immerfort Abschied nimmt.

                                                                                           (Wagrainer Geschichtenbuch, 1950)

Das Hauptthema seiner Romane und Erzählungen ist das Leben auf dem Lande. Es sind aus damaliger wie heutiger Sicht unspektakuläre Geschichten, jedoch voll von stillem Humor, gelebter Philosophie, und das Ganze in sehr schöne Worte gekleidet. Seine Welt war ihm der Mittelpunkt des Universums.

Karl Heinrich Waggerl starb 1973 bei einem Autounfall. Nach seinem Tode bemerkte man wie intensiv er sich auch mit der Fotographie befasste. Seine künstlerischen Aufnahmen gehen weit über das Können eines Amateurs hinaus.

 

Denn die Heimat ist das Bleibende, das Sichere, sie ist die Erbgnade für unser unseliges Geschlecht. Ich höre sagen, das sei Schwärmerei, es liege nichts daran, ob einer an dem oder jenem Ort der Welt werke und sich um sein Dasein plage. Menschen hätten doch die Grenzen gesteckt, sie seien vom Zufall oder vom Wechselspiel der Geschichte bestimmt worden, da sei kein Zauber im Spiel, nichts Innerliches und Unwägbares, die Heimat schaffe sich der Mann, wo ihn sein Geschick hintrüge – nein ich glaube das nicht. Ein Mensch kann nicht überall daheim sein, zu Hause wohl, aber nicht daheim.
Ich muß daran denken, wie mir geschah, wenn mir in der Fremde ein Landsmann begegnete, der von der Heimat reden konnte. Wie ich nach jedem Hügel hätte fragen mögen, nach den Bäumen ums alte Haus, nach dem Brunnen und dem Turm, ob er noch stünde. Als ob es nicht auch anderwärts Hügel und Bäume und Türme gäbe. Aber das meinte ich ja gar nicht, sondern der Baum,nach dem ich fragen wollte, der war mir auf geheimnisvolle Weise ins Gemüt gewachsen. Es war der Baum aus meinen Kindertagen. Denn das Heimatland ist ja in Wahrheit das Land der Kindheit, voll rätselhafter Klänge und magischer Bilder, die der Verstand nicht faßt, aber das Gemüt, weil sie uns aus einer Zeit her bewahrt wurden, in der unsere Seele selbst noch voll von Geheimnissen war.

                                                                           (Das Buch vom einfachen Leben)

Waggerl hat bis heute 7 Millionen Bücher in 12 Sprachen verkauft, und zählt somit zu den meistgelesenen Autoren des 20. Jahrhunderts!
Liebe Leute, warum ich heute über Ihn schreibe hat auch seinen Grund. Denn äußerst populär, bis in die Gegenwart, sind seine Weihnachtserzählungen. Sie haben so stimmige Titel wie: „Wie der Hirtenknabe das Christkind tröstete“ oder „ Worüber das Christkind lächeln musste“. Sollte jemand Lust auf das Original, mit der Stimme des Verfassers, haben, gibt es hier das passende Video:

Link YouTube: © Matthias G. Hagenhoff

 

Sollte jemand in die Nähe von Wagrain kommen empfehle ich, aus Erfahrung, sein Wohnhaus zu besichtigen, denn es wurde nach seinem Tod in ein Museum umgewandelt.

Foto: ©Luckyprof

 

Unweit davon liegt er am Friedhof von Wagrain begraben. Und zur gegebenen Zeit passend, hat dort auch noch Joseph Mohr, der Verfasser des Textes von „Stille Nacht, heilige Nacht“ seine letzte Ruhe gefunden. Er war von 1837-1848 der Vikar von Wagrain.
Waggerls Weihnachtsgeschichten sind für jedes ruhige, beschauliche Fest sicher eine Bereicherung, findet

Euer Kultur Jack!

Über den Autor

Kultur Jack

Vor längerer Zeit in Wien geboren, und bis heute mit der Ortswahl glücklich! Da man von kultureller Leidenschaft allein schwer leben kann, bin ich, im kaufmännischen Bereich, selbständig tätig. Meiner Meinung nach, sollte man geistige Genüsse, nach deren Entdeckung, teilen und weitergeben, damit so viele Menschen wie möglich davon berührt werden. Es liegt ja auch im Sinne des Künstlers, sonst würde er ja kein Buch drucken lassen, oder Bilder zur Schau stellen. Mehr über mich !