B(r)uchstücke der Literatur XX – Blitzlichter
Verliert man sein Herz an ein Stück Weltliteratur sind meist mehrere Faktoren dafür verantwortlich: die Handlung der Geschichte, der Wortschatz des Autors und seine Fähigkeit daraus die passenden Sätze zu drechseln, die überzeugenden oder berührenden Charaktere der Protagonisten der Erzählung, die Kunstfertigkeit Gefühle verschiedenster Art beim Leser zu entfesseln und das Können des Schriftstellers dies alles so miteinander zu verweben, dass der Leser, nach Beendigung des Buches, wie aus einem Traum erwacht und sich erst langsam wieder der Gegenwart bewusst wird. Dazu kommt noch die Verwunderung, dass ein Mensch die Fähigkeit hat, nur mit einzelnen Worten, so viel Schönheit zwischen zwei Buchdeckel unterzubringen oder auch, dass ein Roman mit 1000 Seiten zu kurz sein kann.
Ich habe jedoch immer wieder die Erfahrung gemacht, dass aus dem Gesamtkunstwerk einer Geschichte einzelne Sätze oder kurze Passagen derart hervorleuchten, dass man innehält und sie nochmals liest. Liebe Leute, solcherart kurze „Blitzlichter“ möchte ich Euch heute in unserem Kulturblog präsentieren.
Sie werden mir recht geben, dass die Kunst Blumen in unser Leben flicht.
Die Serapionsbrüder ( E. T. A. Hoffmann 1776-1822)
Ein Stückchen rechts vom Bahnübergang stand ein Baum wie eine in der Explosion erstarrte grüne Seemine.
Unter dem Vulkan ( Malcolm Lowry 1909-1957)
Die Trompeten schmetterten jetzt noch höher, aber immer noch sehr fern, und ich hatte dabei die Vorstellung, es klimpere jemand mit Händen voll kleiner Münzen, die er gegen den Himmel warf.
Zwei skalpierte Indianer ( Ralph Ellison 1914-1994)
Die Bucht war ein mit Papierschiffchen gesprenkeltes Aluminiumtablett. Wie kurz die Tage wurden. Er schaute auf seine Uhr, erstaunt, wie die Monate aus ihr herausgefallen waren.
Schiffsmeldungen (Annie Proulx geb. 1935)
Und so saß er früh nach jener ihm merkwürdigen Nacht, die er oben beschrieb, auf seiner Dachstube, die nach und nach voll warmen Morgenlichts anquoll, rückgelehnt auf die hohe Lehne eines tuchenen, altmodischen Sessels, dessen unzählige gelbe Nägel im Frühlichte einen gleißenden Sternenbogen um ihn spannten.
Abdias ( Adalbert Stifter 1805-1868)
Schräg durch das Grau spann der Regen flüssige Fäden, die zwischen ihrem Ursprung in den Wolken und Gabriel nirgends abrissen.
Am grünen Rand der Welt ( Thomas Hardy 1840-1928)
Wer aus der Welt, zu ihm kam, tauchte an jener Stelle auf, gleichsam aus der Bläue von Meer und Himmel, in einem Strudel von Sonnenkringeln, das Antlitz gepudert vom seidigen, spiegelnden Licht der Oliven.
Das gelbe Haus ( René Schickele 1883-1940)
Der Himmelsbaum der Sterne, behangen mit feuchter nachtblauer Frucht.
Ulysses ( James Joyce 1882-1941)
Ein sanftes blaugrünes Licht tränkte die schmutzigen Scheiben, drang in das Kaffeehaus, hängte sich an Hände, Nasen und Stirnen und sprang auf den Schanktisch, dass die Flaschen Feuer fingen.
Begegnung mit Sorbas ( Nikos Kazantzakis 1883-1957)
Liebe Leute, Bemerkungen zwischen den Auszügen habe ich unterlassen, denn diese „Blitzlichter sprechen für sich selbst!
Euer Kultur Jack!