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B(r)uchstücke XII – Amerika schreibt

B(r)uchstücke XII – Amerika schreibt

Da die Thematik von „Lolita“ nicht mein Interesse trifft, wollte ich anfangs das Buch nicht lesen, tat es aber, dank seiner Berühmtheit, doch. Es war die richtige Entscheidung – was für eine Virtuosität des Wortes!

Jenseits der bestellten Felder, jenseits der Spielzeugdächer tauchte manchmal langsam eine abgelöste Lieblichkeit empor, eine tiefstehende Sonne in einem Platindunst vom warmen Ton geschälter Pfirsiche, die den oberen Rand einer flachen taubengrauen Wolke durchdrang und sich im fernen verliebten Nebel verlor. Eine Baumreihe hob sich hier oder dort als Silhouette gegen den Horizont, und über weiten Feldern voll blühenden Klees hing stille Mittagshitze, ferne Claude-Lorraine-Wolken waren in ein verschwimmendes Azurblau gezeichnet, nur da, wo sie sich ballten, hingen sie plastisch im neutralen Verdämmern des Hintergrunds. Oder es konnte auch ein strenger El-Greco-Horizont sein, trächtig von tintigem Regen und flüchtig tauchte ein mumiennackiger Bauer auf, und ringsumher zogen sich abwechselnd Streifen von Quecksilberwasser und grellgrünem Mais hin, und die ganze Komposition öffnete sich wie ein Fächer, irgendwo in Kansas.

                                                    Lolita  (Vladimir Nabokov 1899-1977)

Foto: ©Giuseppe Pino

 

So kann man die Schnelligkeit und Gefährlichkeit eines Hundes in einem einzigen Satz klar ausdrücken.

Er ging zum ersten Zwinger und öffnete ihn, warf das Gitter auf, und ein Hund, den er Silky genannt hatte, schoss hinaus, lief durch die offene Tür des Zwingergebäudes und explodierte in den Morgen.        

                                         Stadt der Hoffnung  (Sam Shepard 1943-2017)

Foto: ©Soerfm

 

Wie groß ist doch der Unterschied zwischen Romanen aus den Nord – und Südstaaten der USA. Atmosphärisch glaubt man sich in einem anderen Land.

Sie lächelten; aber Zauber ist ein Baum und Rausch nur der kleine Vogel, der in das Laub fliegt, um zu singen und wieder ins Freie zu fliegen. Doch die Reisenden beobachteten die Sonne und warteten auf die Sterne.

Nun erhob sich der Nachtwind. Ich ging zum Haus hinüber wie immer zur Nacht, um zu sehen, ob es noch steht und alles in Ordnung ist. Von der Höhe des Daches sah ich umher. Ich sah die Weingärten wie Flügel über den Hügel gebreitet, die Hütten der Diener und die dunklen Haine, die See wach und das Auge des schwarzen Schiffes. Im Mondlicht sah ich den Tanz der Gebeine in den Weiden. „Oh, ihr alten, unerfreulichen!“ sang ich mit dem Wind zu ihnen hinüber. „Jetzt ist ein anderer weit unerfreulicher als ihr! Euer Biss wäre süßer auf meinem Mund als der sanfte Kuss eines Reisenden.“ Ich blickte hinauf zur Kassiopeia, die dasitzt und nichts braucht, blass in ihrem Sessel inmitten des Stromes, des Himmels. Der alte Mond war immer noch bei seinem Geschäfte. „Was lässt du’s nicht fahren, Alter?“ flüsterte ich ihm zu, während die Löwen in den Felsenhöhlen brüllten; und doch vermochte ich klar den Schrei der Vögel zu hören, in meiner Nähe und entlang der trauernden Küste.

                                                      Circe  (Eudora Welty 1909-2001)

Foto: © Anonim

 

Beeindruckend und erfrischend, wenn Menschen, wie Ray Bradbury , dem Unvermeidlichen so konsequent gegenübertreten. Er hat, zu Lebzeiten, seinen eigenen Grabstein am Friedhof aufstellen und beschriften lassen – Ray Bradbury 1920 –    Author of Fahrenheit 451.

Es war ein ganz dünnes Gesicht, wie das Zifferblatt einer kleinen Uhr, das man mitten in der Nacht im dunkeln Zimmer gerade noch sieht, wenn man aufwacht und wissen möchte, wie spät es ist, und das Zifferblatt gibt einem Stunde und Minute und Sekunde an, in fahler Stille vor sich hinglimmend, voller Gewissheit, was es einem zu künden hat von der Nacht, die eilig neuen Finsternissen entgegenstrebt, aber auch einer neuen Sonne.

                                                     Fahrenheit 451  (Ray Bradbury 1920-2012)

Foto: ©Alan Light

 

Und wenn wir schon beim Sterben sind – Truman Capotes Asche wurde 2016 zu einem Preis von 45.000 Dollar versteigert. Der Käufer ist nicht bekannt.

Es war ein Monat schweigender Blätter, fallender Sterne, roter Monde, eine Zeit prächtiger Nachtfalter und schlafender Eidechsen. Die Feigen platzten auf, die Pflaumen wurden rund, die Mandeln hart.

                                                   Fontana Vecchia  (Truman Capote 1924-1984)

Foto: ©moscot.com

 

Nicht nur, dass John Dos Passos beeindruckend mit Worten umzugehen verstand, schuf er auch ein malerisches Werk von über 400 Bildern. Sein Malstil setzte sich aus den verschiedenen, zu seiner Zeit aktuellen, Kunstströmungen zusammen.

Dämmerung glättet sanft die sprödwinkeligen Straßen. Dunkelheit lastet schwer auf der dampfenden Asphaltstadt, zermalmt das Netzwerk der Fenster und Ladenschilder und Wassertanks und Schornsteine und Ventilatoren und Feuerleitern und Simse und Kantenrissen und Wellblechformen und Augen und Hände und Schlipse, zermalmt sie zu blauen Klumpen, zu schwarzen, riesigen Blöcken. Unter dem wälzenden, immer schwereren Druck platzt aus den Fenstern grelles Licht. Die Nacht quetscht helle Milch aus Bogenlampen, presst die trüben Häuserblocks, bis sie rot, gelb, grün in die Straßen tröpfeln, die von Schritten widerhallen. Überall sickert Licht aus dem Asphalt. Licht sprüht aus den Schriften an den Dächern, wirbelt schwindelerregend zwischen den Dächern, färbt wälzende Tonnen Himmel.

                                                   Manhattan Transfer  (John Dos Passos 1896-1970)

Foto: ©www.jfklibrary.org

 

Interessiert man sich für Literatur, kommt man, spätestens ab dem 20. Jahrhundert, an den USA nicht mehr vorbei, weiß aus Erfahrung, Euer

Kultur Jack!

Über den Autor

Kultur Jack

Vor längerer Zeit in Wien geboren, und bis heute mit der Ortswahl glücklich! Da man von kultureller Leidenschaft allein schwer leben kann, bin ich, im kaufmännischen Bereich, selbständig tätig. Meiner Meinung nach, sollte man geistige Genüsse, nach deren Entdeckung, teilen und weitergeben, damit so viele Menschen wie möglich davon berührt werden. Es liegt ja auch im Sinne des Künstlers, sonst würde er ja kein Buch drucken lassen, oder Bilder zur Schau stellen. Mehr über mich !