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B(r)uchstücke der Literatur LXII – Ferne Zeiten

B(r)uchstücke der Literatur LXII – Ferne Zeiten

„Ferne Zeiten“ vereint Literatur von Weltrang, die zwischen dem 14. und 18. Jahrhundert zu Papier gebracht wurde. Auf in unsere Vergangenheit!

Sonnenaufgang in der Renaissance
„Das Nahen der Sonne begann bereits Aurorens Röte in Gold zu tauchen, als die Königin sich am Sonntag erhob und ihre Gesellschaft wecken ließ.“
Das Dekameron, Giovanni Boccaccio (1313-1375), (deutsch: Ruth Macchi)

Giovanni Boccaccio, Foto: © Charles Sumner

Mit seinen „Essais“ schenkte uns Michel de Montaigne vor 500 Jahren philosophisches Gedankengut, das bis heute seinen Wert erhalten hat.

Michel de Montaigne, Foto: ©archivio.formatione.unimib.it

„Seinen Scherz trieb Caesar mit einem alten Soldaten seiner Leibwache, der erschöpft und am Ende seiner Kräfte ihn auf der Straße um Erlaubnis bat, sich das Leben zu nehmen, indem er ihm angesichts seiner Hinfälligkeit die Antwort gab: „du meinst es also noch zu haben?“
Wenn wir auf einen Schlag ins Greisenalter stürzten, glaube ich nicht, dass wir einen solchen Wechsel ertragen könnten. Aber indem die Natur uns an ihrer Hand einen sanften Hang hinunter zu ihm führt, ganz allmählich, Stufe um Stufe, fast unmerklich, lässt sie uns mühelos in diesen erbärmlichen Zustand gleiten und gewöhnt uns an ihn; wir verspüren daher keinerlei Stoß, wenn die Jugend in uns erstirbt – was doch in Wesen und Wahrheit ein schlimmerer Tod ist als das endgültige Absterben eines dahinsiechenden Lebens, als der Tod im Greisenalter. Der Sprung aus dem Kranksein ins Nichtsein fällt uns somit leichter denn der von blühendem Wohlsein in qualvolles Kranksein.
Wie der Körper, ist er gebeugt und eingesunken, weniger Kraft hat, eine Bürde zu tragen, so auch unsere Seele. Man muss sie daher aufrichten und ihr gegen die Angriffe dieses Gegners den Rücken stärken; denn während es unmöglich ist, dass sie, solange sie ich fürchtet, zur Ruhe kommt, kann sie, wenn sie die Furcht vor ihm überwindet, sich rühmen, nun sei es unmöglich, dass Unruhe oder Sorge, Angst oder auch nur der geringste Missmut jemals in ihr heimisch würden (was freilich des Menschen Maß nahezu überschreitet).“
Die Essais, Michel de Montaigne (1533-1592), (deutsch: Hans Stilett)

Der Ritter möchte dem Knappen das Schäferdasein schmackhaft machen.

Miguel de Cervantes, Foto: © Library of Congress

Unter diesen Gesprächen zogen sie ihres Weges weiter, bis sie zu der nämlichen Gegend und Stelle kamen, wo sie von den Stieren überrannt worden waren. Don Quijote erkannte den Ort und sprach zu Sancho: „Dies ist das Gefilde wo wir die reizenden Schäferinnen und die stattlichen Schäfer fanden, die hier das arkadische Hirtenleben nachahmen und erneuern wollen, ein ebenso wundersamer wie kluger Gedanke; und nach diesem Vorbild möchte ich, Sancho, wenn du damit einverstanden bist, dass wir uns in Schäfer verwandelten, wenigstens so lange Zeit, als ich zurückgezogen leben muss. Ich will etliche Schafe kaufen nebst allem anderen, was zum Hirtenleben nötig ist; dann nenne ich mich Schäfer Quijotiz und dich Schäfer Pansino, und wir durchziehen die Waldberge, die Haine und die Wiesen, hier singend, dort wehklagend und trinkend von den flüssigen Kristallen der Quellen oder auch der klaren Bächlein oder der wasserreichen Ströme. Mit reichgefüllten Händen bieten uns dann die Eichen ihre süße Frucht, einen Sitz die Stämme der harten Korkbäume, Schatten die Weiden am Bach, Wohlgeruch die Rosen, Teppiche in tausend Farben schillernd die weitgedehnten Wiesen; die Lüfte ihren heiteren reinen Atem, Mond und Sterne ihr Licht, wenn auch die Dunkelheit der Nacht es wehren möchte; freudigen Genuss gibt der Gesang, heitere Stimmung fließt aus unseren Tränen, Apollo wird uns Verse eingeben und die Liebe geistreiche Gedanken, mit denen wir uns unsterblichen Ruhm erwerben, nicht nur in den jetzigen Zeiten, sondern auch für alle zukünftigen.“
Don Quijote, Miguel de Cervantes (1547-1616), (deutsch: Ludwig Braunfels)

Schönheit von Natur und Frau in blumigen Worten.

Henry Fielding, Foto: © flickr.com

„Es regte sich kein rauher Hauch. In Eisenketten schlage der heidnische Lenker der Winde die stürmischen Schwingen des brausenden Boreas und die spitze Nase des grimmig schneidenden Eurus. Du, o süßer Zephir, erhebe dich vom duftenden Lager, steige den westlichen Himmel hinan und führe die köstlichen Lüfte herbei, deren Zauber die liebliche Flora aus ihren Gemächern lockt, duftend von Perlentau, wenn am ersten Juni, ihrem Geburtstag, die blühende Jungfrau in lockerem Gewandes sich leichtfüßig über die grünende Wiese ergeht, wo jede Blume ihr zu Ehren sich erhebt, bis die ganze Flur in buntem Schmucke prangt und Farben mit Wohlgerüchen wetteifern, wer sie mehr entzücke.
So reizend soll sie jetzt erscheinen! Und ihr, gefiederte Sänger der Natur, deren süßen Laut nicht einmal Händel übertrifft, stimmt eure melodienreichen Kehlen, ihr Erscheinen zu feiern. Der Liebe entspringt eure Musik, und in Liebe fließt sie zurück. Erweckt daher ein zartes Sehnen in jedem Burschenherz, denn sieh, gehüllt in alle Reize, in die Natur sie kleiden kann, geschmückt mit Schönheit, Jugend, Frische, Unschuld, bescheidenem Sinn und Zärtlichkeit, auf ihren Rosenlippen süßen Hauch und hellen Glanz in ihren sprühenden Augen, kommt die liebliche Sophia!“
Tom Jones, Henry Fielding (1707-1754), (deutsch: Horst Höckendorf)

Das Erwachen aus einem Traum im Zeitalter der Romantik.

„Doch ach! Geschieht es nicht, dass die holde Traumgestalt, eben als du sie zu umfangen gedachtest mit liebenden Armen, auf lichten Morgenwolken scheu entflieht vor dem polternden Treiben des Tages und du, brennende Tränen im Auge, dem immer mehr verbleichenden Schimmer nachschaust? – So erwachst du auch plötzlich, hart berührt von dem um dich wogenden Leben, aus dem schönen Traum, und nichts bleibt dir zurück als die tiefe Sehnsucht, welche mit süßen Schauern deine Brust durchbebt.
Die Serapionsbrüder, E.T.A. Hoffmann (1776-1822)

E.T.A. Hoffmann, Foto: © wikimedia.commons

Der Mensch und sein Umgang mit der Liebe war immer ein Mysterium.

„All dies vermag das Herz in einem gewissen Lebensalter gefangenzunehmen; aber wenn ein junger Mensch ins Leben eintritt, dann schaut er lieber nach einem Wesen aus, dessen Zuneigung ihn in seinen eigenen Augen erhöht, statt dass er sich herabneigt zu jemandem, der zu ihm aufschaut um solcher Gunst willen.“
Waverley, Walter Scott (1771-1832), (deutsch: Gisela Reichel)

Sir Walter Scott by Thomas Lawrence, Foto: © Royal Collection

Liebe Leute, so schnell kann man 400 Jahre Literatur-Geschichte durcheilen, die Stile mögen sehr unterschiedlich sein, doch jeder Epoche wohnt trotzdem ein eigener Zauber inne.
Euer Kultur Jack.

Über den Autor

Kultur Jack

Vor längerer Zeit in Wien geboren, und bis heute mit der Ortswahl glücklich! Da man von kultureller Leidenschaft allein schwer leben kann, bin ich, im kaufmännischen Bereich, selbständig tätig. Meiner Meinung nach, sollte man geistige Genüsse, nach deren Entdeckung, teilen und weitergeben, damit so viele Menschen wie möglich davon berührt werden. Es liegt ja auch im Sinne des Künstlers, sonst würde er ja kein Buch drucken lassen, oder Bilder zur Schau stellen. Mehr über mich !