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B(r)uchstücke XI – Verbrannte Bücher

B(r)uchstücke XI – Verbrannte Bücher

Jüdische Schriftsteller aus 2 Jahrhunderten!

Aus unserer gehetzten, digitalen Gegenwart sind solche Gedanken fast gänzlich verschwunden.

„Und dann spielen wir das Spiel der kleinen Empfindungen-„
„Der kleinen Empfindungen! Was ist das?“
Ich lachte leise.
„Das ist das leise Knirschen von Holundermark, wenn man es behutsam aus dem feuchten Rohr löst. Das ist der Geruch eines kleinen Messers, mit dem man Äpfel zerschnitten hat. Das ist falsches Klaviergeklimper auf den höchsten Tasten. Und rauer Stoff oder eine schartige Wand, über die man mit den Fingerspitzen streicht –„
Frühe Tage (Hilde Spiel 1911-1990)

Foto: © Kultur Jack

 

Die Nationalsozialisten haben Heines Bücher verbrannt – obwohl er einer der deutschesten Deutschen war – von ihm stammt die „Loreley“. Er hatte das Glück vor dieser Zeit zu leben. Seine Beschreibung der Stadt Goslar hat mich vor einem Jahr dazu inspiriert ebenfalls eine „Harzreise“ zu machen – ich habe es nicht bereut! Wenn das nicht deutsche Romantik ist.

Ja, Agnes, oft und leicht kommt dieses Herz nicht zum Blühen; soviel ich mich erinnere, hat es nur ein einziges Mal geblüht, und das mag schon lange her sein, gewiss schon hundert Jahr. Ich glaube, so herrlich sich damals seine Blüte auch entfaltete, so musste sich doch aus Mangel an Sonnenschein und Wärme elendiglich verkümmern, wenn sie nicht gar von einem dunklen Wintersturme gewaltsam zerstört worden. Jetzt aber regt und drängt es sich wieder in meiner Brust, und hörst du plötzlich den Schuss- Mädchen erschrick nicht! Ich habe mich nicht totgeschossen, sondern meine Liebe sprengt ihre Knospe, und schießt empor in strahlenden Liedern, in ewigen Dithyramben, in freudigster Sangesfülle. Ist dir aber diese hohe Liebe zu hoch, Mädchen, so mach es dir bequem, und besteige die hölzerne Treppe, und schaue von dieser hinab in mein blühendes Herz.
Es ist noch früh am Tage, die Sonne hat kaum die Hälfte ihres Weges zurückgelegt, und mein Herz duftet schon so stark, dass es mir betäubend zu Kopfe steigt, dass ich nicht mehr weiß, wo die Ironie aufhört und der Himmel anfängt, dass ich die Luft mit meinen Seufzern bevölkere, und dass ich selbst wieder zerrinnen möchte in süße Atome, in die unerschaffene Gottheit; – wie soll das erst gehen , wenn es Nacht wird, und die Sterne am Himmel erscheinen, „die unglücksel`gen Sterne, die dir sagen können – – „
Es ist der erste Mai, der lumpigste Ladenschwengel hat heute das Recht, sentimental zu werden, und dem Dichter wolltest du es verwehren?
Die Harzreise (Heinrich Heine 1797-1856)

Foto: © Gottlieb Gassen

 

Franz Werfel schrieb 1933 ein Buch über eine verfolgte Volksgruppe, bevor er selbst zu einer solchen gehörte. Die Armenier haben ihm, zum Dank, am Schillerplatz in Wien ein Denkmal gesetzt.

Einmal war der erhabene Gregor von Nazians bei dem vornehmen Heiden Tertullianus zu Tisch geladen. Sie sprachen über die gute Ernte und das herrliche Weizenbrot, das sie brachen. Ein Sonnenstrahl lag auf dem Tisch. Gregor von Nazianz hob sein Brot in der Hand und sagte zu Tertullian: Gastfreund, wie müssen wir Gott für sein Geheimnis danken, denn siehe, dieses wohlschmeckende Brot hier ist nichts anderes als dieser gelbe Sonnenstrahl, der sich auf dem Felde in Weizen verwandelt hat. Tertullianus aber stand auf und nahm ein Werk des Dichter Virgilius aus der Bibliothek und sagte zu Gregor: Gast, wenn wir Gott schon um eines Brotes willen loben, wie erst müssen wir ihn für dieses Buch hier preisen. Denn siehe, dieses Buch ist der verwandelte Lichtstrahl einer weit höheren Sonne als dieser da, deren Strahlen man auf einem Tische sehen kann.
Die 40 Tage des Musa Dagh (Franz Werfel 1890-1945)

 

Foto: © Carl van Vechten

 

Stefan Zweig war ein echter Kosmopolit! Und er hat geschafft, was nicht vielen Österreichern gelang – zu den meistgelesenen Schriftstellern Europas aufzusteigen.

So drängt das Unten zum Oben, das Obere zum Untern, Geist zum Leben und Leben empor in den Geist: alle Dinge der unsterblichen Natur sind ohne Sinn, solange sie nicht von Sterblichen erkannt, solange sie nicht irdisch geliebt werden. Die Rose wird erst wahrhaft zur Rose, wenn sie ein Blick schauend in sich trinkt, die Abendröte erst Herrlichkeit, wenn sie in der Retina eines Menschenauges widerleuchtet. Wie der Mensch das Göttliche, um nicht zu vergehen, ebenso braucht das Göttliche, um wahrhaft zu sein, den Menschen. So schafft er sich Zeugen seiner Macht, den Mund, der ihm lobsinge, den Dichter, der ihn erst wahrhaft zum Gotte macht.

Der Kampf mit dem Dämon (Stefan Zweig 1881-1942)

Foto: © My Name (Luckyprof (talk))

 

Die Essays und Erzählungen Alfred Polgars sind eine wahre Fundgrube an Humor und zutiefst österreichisch.

Verwandte und Bekannte blicken lächelnd auf das feuerrote, verrunzelte Stückchen Mensch, obschon es doch eigentlich mehr Gefühl des Mitleids wecken sollte, denn da es ins Leben trat, trat es ja in den Tod, und mit jeder Sekunde, die es sich vom Augenblick seines Anfangs entfernt, nähert es sich dem Augenblick seines Endes. Vor neun Monaten noch unsterblich wie eine ewige Idee, ein göttliche Prinzip, ist es jetzt schon mitten drin im Sterben, hat von dem Zeitkapital, mit dem es sein Auslangen finden muss, vierundzwanzig Stunden schon verbraucht. „Me genesthai!“ sagt der Weise, nicht geboren werden ist das Beste. Aber wem widerfährt das schon? Unter Millionen kaum einem.
Das Kind quiekt. Not und Unbehagen sind die ersten, die an die noch verschlossene Tür des Bewusstseins klopfen und das Kind durch ihr Klopfen im Schlafe stören. Schreiend erhebt es Klage, Anklage, dass es da ist. Die Erwachsenen, ausgepichte, eingewöhnte Sträflinge des Lebens, empfangen den Zuwachs mit verlegenem Humor. Heuchlerisch fragen sie: „Na, was iserlt denn?“ als ob sie nicht genau wüssten, was es iserlt.
Das Kind (Alfred Polgar 1873-1955)

Foto: © User: Mattes

 

Einem Regime, welches Bücher verbrennt, fehlt jegliche Legitimation für Kultiviertheit und geistige Schönheit! Viel Freude beim Lesen jüdischer Literatur, wünscht

Euer Kultur Jack!

Über den Autor

Kultur Jack

Vor längerer Zeit in Wien geboren, und bis heute mit der Ortswahl glücklich! Da man von kultureller Leidenschaft allein schwer leben kann, bin ich, im kaufmännischen Bereich, selbständig tätig. Meiner Meinung nach, sollte man geistige Genüsse, nach deren Entdeckung, teilen und weitergeben, damit so viele Menschen wie möglich davon berührt werden. Es liegt ja auch im Sinne des Künstlers, sonst würde er ja kein Buch drucken lassen, oder Bilder zur Schau stellen. Mehr über mich !