Der Verduner Altar
Interessiert man sich für antike Kunst wird man in Buchläden, im Internet oder museal schnell fündig. Noch besser bedient wird man von diesen Medien ab dem Zeitalter der Gotik.
Sucht man aber qualitativ hochwertige Kunstobjekte aus der Zeit dazwischen, und das sind immerhin ungefähr 750 Jahre, wird man schnell merken, dass die Anzahl dieser verschwindend gering ist.
Aus diesem Grund, liebe Leute, freut es mich umso mehr, heute ein wahres Meisterwerk aus besagter Epoche vorzustellen. Um auch sinnbildlich in dieser Zeit zu bleiben, steht es „vor den Toren Wiens“, im Stift Klosterneuburg und ist der Verduner Altar.
Gleich vorweg, er hat nichts mit der Stadt in Frankreich zu tun, sondern er wurde im Jahre 1181 von Nikolaus von Verdun fertiggestellt. Dass wir seinen Namen wissen verdanken wir der emaillierten Signatur die er, in dieser Zeit unüblich, an seiner Arbeit hinterlassen hat. Unüblich war es, weil es den Begriff des Künstlers noch nicht gab und jedermann sie als Handwerker sahen. Der Begriff des Künstlers festigte sich erst Jahrhunderte später, in der Renaissance.
Nikolaus wurde um 1130 in Verdun geboren, war von Beruf Goldschmied und Emailmaler und starb um 1205 in Tournai, Belgien. Viel mehr weiß man eigentlich nicht über ihn, nur sein Werk zeigt uns, dass er qualitativ, hoch über allen anderen Meistern seiner Profession stand.
Sein Meisterwerk in der Stiftskirche von Klosterneuburg war ursprünglich kein Altar, sondern als Verkleidung für die Kanzel vorgesehen und so auch ausgeführt.
Der Kanzelschmuck bestand aus 45 emaillierten Kupfertafeln die Szenen aus dem Alten und Neuen Testament zeigen. Damals wie heute war das Werk in drei übereinanderliegenden Reihen gegliedert. Die obere Reihe zeigt Ereignisse aus der Zeit vor der Gesetzgebung durch Moses und seinen 10 Geboten, die untere, Szenen nach der Inkraftsetzung der Gesetze und den Geboten, somit betreffen beide das Alte Testament. Die mittlere Reihe bezieht sich auf die Zeit „unter der Gnade“ – damit gemeint ist das Wirken Christi und somit das Neue Testament.
Für jede Darstellung der mittleren Reihe stehen ober- und unterhalb entsprechende und dazu passende Szenen des Alten Testaments, welche schon auf das Wirken Jesus hinweisen. Dadurch war neben dem handwerklichen Können auch ein durchdachtes, intellektuelles Konzept der Lesbarkeit des Kunstwerkes entworfen worden.
Durch die hohe Qualität der Goldschmiedekunst, der Emailarbeit und der künstlerischen Darstellung ist es verständlich, dass Nikolaus von Verdun 10 Jahre seines Lebens mit der Fertigstellung in Klosterneuburg verbrachte.
Glücklicherweise überstand das Meisterwerk 1330 einen Brand in der Stiftskirche. Danach wurde die Kanzelverkleidung in einen Altar umgebaut. Um diesen symmetrisch schließen zu können wurde er um sechs Tafeln erweitert. Die durch den Umbau entstandenen Rückseiten des Altars wurden mit Temperagemälden, die Szenen aus dem Christus- und Marienleben zeigen, ausgestattet. Heute zählen sie zu den ältesten Tafelmalereien nördlich der Alpen.
Gekrönt wird der Altar durch einen vergoldeten Silberschrein aus dem Jahre 1936, welcher die Gebeine des Hl. Leopold enthält.
Liebe Leute, was dieses Kunstwerk in meinen Augen zu einem Kleinod macht? Das Alter, das handwerkliche und künstlerische Geschick und die Qualität. Es wurde vor fast 840 Jahren fertiggestellt und ein Mensch hat dafür 10 Jahre seines Lebens verwendet. Das Leitmotiv, die Erstellung der Bibelgeschichten auf drei Ebenen, welche konzeptuell miteinander verbunden sind, geht weit über das Mittelalter hinaus und würde man eher in der Renaissance erwarten. Durch die vorgegebenen Rundbögen der Darstellungsfelder muss jede Abbildung ihnen entsprechend angepasst werden. Das künstlerische Vermögen bei den Abbildungen ist für das Hochmittelalter unerwartet groß. Und, last but not least, ist durch das widerstandsfähige Email die Leuchtkraft der Farben bis heute ungebrochen und der Erhaltungszustand so, als wäre nicht viel Zeit vergangen.
Wir haben es hier wirklich mit einem Höhepunkt der Goldschmiedekunst des Mittelalters zu tun!
Dass Nikolaus von Verdun ein begnadeter Künstler war zeigen auch noch zwei andere Werke von seiner Hand – der Schrein mit den Gebeinen der Heiligen 3 Könige im Kölner Dom und der Marienschrein von Tournai.
Sollte ich mit diesem Beitrag jemanden animiert haben den Altar in Klosterneuburg zu besichtigen sollte man wissen, dass es nur im Zuge einer Führung möglich ist. Diese ist aber sehr informativ und professionell. Er steht auch nicht in der Kirche selbst, sondern in den Räumlichkeiten des Stifts wurde mit ihm eine Kapelle gestaltet, die man auch für private Feierlichkeiten mieten kann.
Wenn man diesen Ausflug macht, ist auf jeden Fall auch die Schatzkammer des Stiftes zu empfehlen – wieder mal das Motto „klein aber fein“!
Meisterwerke des 12. Jahrhunderts sind wirklich rar, und der Verduner Altar steht in punkto Schönheit und kultureller Wichtigkeit in der ersten Reihe, meint
Euer Kultur Jack!