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B(r)uchstücke VI

B(r)uchstücke VI

Liebe Leute, es gibt schon sehr ansprechende Literaturverfilmungen – so wurde „Der große Gatsby“ bereits zwei Mal sehr opulent  in Szene gesetzt. Jedoch ist das filmische Geschehen meist zu flüchtig, um einem Satz wie diesem, den gleichen Ausdruck an Ästhetik zu verleihen. Das schafft nur unser Kopf, nicht Hollywood:

Foto: ©Van Vechten Collection at Library of Congress

 

Im grauen Dämmer der Teestunde gab es immer jene Räume, in denen unablässig dieses schwache süße Fieber pulsierte und frische junge Gesichter mal hier, mal da auftauchen, umhergetrieben wie Rosenblätter, die der Hauch aus klagenden Trompeten über das Parkett bläst.

                                            Der große Gatsby (F. Scott Fitzgerald 1896 – 1940)

 

Die Welt aus der Vogelperspektive gesehen hat schon etwas Friedliches, aber sie erscheint auch abstrakt und unwirklich, wenn man ausschließlich hier unten lebt:

Foto: ©Van Vechten Collection at Library of Congress

 

Wenn man aus einer Höhe von siebenhundert Metern hinunterblickt, beginnt sich auf der Erde alles zu ordnen. Eine Stadt, sogar Milan, wird symmetrisch, wird makellos wie eine kleine graue Bienenwabe, wird vollkommen. Das umgebende Gelände scheint von einem Gesetz bestimmt, das gerechter und mathematisch richtiger ist, als es die Gesetzte auf Grund von Besitzrecht und Fanatismus sind: ein dunkles Parallelogramm von Kiefernwäldern, quadratischen Äckern, Rechtecken von Wiesenland. An diesem wolkenlosen Tag ist der Himmel auf allen Seiten und über dem Flugzeug eine blinde, eintönige Bläue, undurchdringlich für Auge und Phantasie. Doch die Erde tief unten ist endlich und rund. Von dieser Höhe siehst du nicht den Menschen und die Einzelheiten seiner Demütigung. Aus einer großen Entfernung ist die Erde vollkommen und ganz.
Doch ist es eine Ordnung die dem Herzen fremd ist, und um die Erde zu lieben, musst du ihr näher kommen. Wenn du tiefer gleitest, tief über Stadt und umliegendes Land, dann bricht das Ganze in einer Vielfalt von Eindrücken auseinander. Die Stadt bleibt in allen Jahreszeiten ziemlich gleich, aber das Land verändert sich. Im Vorfrühling sind die Felder hier wie Flicken aus abgetragenem grauem Rippensamt und alle gleich. Jetzt aber kannst du anfangen, die Felder zu unterscheiden: das Graugrün der Baumwolle, das dichte Spinnweb der Tabakfelder, das brennende grün vom Mais. Wenn du nach innen kreist, wird die Stadt verdreht und vielfältig. Du siehst die verschwiegenen Winkel all der traurigen kleinen Hinterhöfe. Graue Zäune, Fabriken, die flache Hauptstraße. Von der Luft aus gesehen sind die Menschen eingeschrumpft, sie wirken wie mechanische, aufgezogene Puppen. Automatisch scheinen sie zwischen ihren Zufallsnöten herumzusurren. Du siehst ihre Augen nicht. Und das ist schließlich nicht zu ertragen. Die ganze Erde, aus großer Entfernung gesehen, bedeutet weniger als ein einziger langer Blick in ein Paar Menschenaugen. Selbst in die Augen des Feindes.

                                                 Uhr ohne Zeiger (Carson Mc Cullers 1917-1967)

 

Jeder Schriftsteller findet seine eigenen Worte für den Sternenhimmel. Die ganze Pracht in einem Satz zu bündeln schafft nicht jeder. Er schon:

Foto: © Time Magazine Archive

 

Der Himmel über uns war eine mit Juwelen besetzte Navigationskarte.

                                           Theophilus North (Thornton Wilder 1897-1975)

 

Ein wirklicher Literat ist nicht nur ein brillanter Geschichtenerzähler, sondern kann auch autobiographische Erlebnisse, und seine Gedanken dazu, in kraftvolle Worte umsetzen:

Foto: © Nationaal Archief

 

Es gab viele solche Männer, bei denen ich gerne angeklopft hätte, um ihnen ein paar Fragen zu stellen, wie es meine Anhänger heute tun. Die meisten muss ich leider abweisen. Am Anfang hatte ich ein schlechtes Gewissen, wenn ich sie nicht anhörte, aber heute glaube ich, dass ich ihnen einen Dienst damit erweise. Junge Leute können alle möglichen Fragen stellen, oft fundierte und beunruhigende Fragen. Nachdem ich ihnen Zeit und Aufmerksamkeit gewidmet hatte, merkte ich schließlich, dass es gleichgültig war, was ich sagte. Ich bin der Ansicht, dass es keinen Sinn hat, Ratschläge zu geben. Man muss allein dahinterkommen. Das klingt grausam, aber das ist es nicht.
Man muss erst einen Punkt erreicht haben, an dem es kein Zurück mehr gibt. Von da an geht es aufwärts. Man wird von keinem Gott beschützt. Am Ende muss man zu sich selbst zurückkehren. Wozu man sich auch entschließt, man muss es selber tun. Man muss das tun, was man glaubt, tun zu müssen, und nicht dem Beispiel eines anderen folgen, weil der erfolgreich war. Man kann nicht so sein wie er. Man ist man selbst. Jeder ist absolut einzigartig, und jeder hat sein eigenes Schicksal. Wir können soviel lernen wie wir wollen, uns die größten Meister anhören und so weiter, aber was wir tun, was wir werden, wird von unserem Charakter bestimmt.

                                         Mein Leben und meine Welt (Henry Miller 1891-1980)

 

Virginia Woolf war Ende der 1920er – Jahre eine erfolgreiche Schriftstellerin und wurde erst in den 70er – Jahren wiederentdeckt. Es ist erstaunlich, dass so feines Wortgespinst wie sie es schuf, jemals in Vergessenheit geraten konnte:

Foto:© Harvard Theater Collection, Harvard University

 

Doch Mrs. Hilbery spürte sofort jedes Schweigen im Salon, wie eine stumme Note in einer klingenden Tonleiter, beugte sich über den Tisch und äußerte in der eigentümlich zaghaft – freischwebenden Art  , die ihre Sätze immer Schmetterlingen gleichen ließ, die von einem Sonnenfleckchen zum nächsten flattern: „Wissen Sie, Mr. Denham, Sie erinnern mich so sehr an den guten Mr. Ruskin.“

 

Wie weicher Goldstaub fiel das Licht in das tiefe Dunkel des stillgewordenen, schlafenden Hauses.

                                                  Nacht und Tag ( Virginia Woolf  1882-1941)

 

In der Literatur ist das Kräftemessen zwischen Europa und den USA, im 20. Jahrhundert, ziemlich ausgeglichen meint
Euer Kultur Jack!

Über den Autor

Kultur Jack

Vor längerer Zeit in Wien geboren, und bis heute mit der Ortswahl glücklich! Da man von kultureller Leidenschaft allein schwer leben kann, bin ich, im kaufmännischen Bereich, selbständig tätig. Meiner Meinung nach, sollte man geistige Genüsse, nach deren Entdeckung, teilen und weitergeben, damit so viele Menschen wie möglich davon berührt werden. Es liegt ja auch im Sinne des Künstlers, sonst würde er ja kein Buch drucken lassen, oder Bilder zur Schau stellen. Mehr über mich !