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B(r)uchstücke II

B(r)uchstücke II

Liebe Leute,
willkommen zurück in unserer zerbrochenen Porzellan – Bibliothek!
Unser erster Splitter, den ich hier präsentiere, zeigt John Steinbecks Sicht auf die fortschreitende und sich verändernde Stimmungslage, wenn 2 Gallonen Wein im Spiel sind:
„Zwei Gallonen sind sehr viel Wein, sogar für zwei Paisanos. Sinnbildlich könnte man etwa folgende Skala aufstellen: bis kurz unter dem Flaschenhals der ersten Flasche: ernste und gesammelte Unterhaltung. Zwei Zoll tiefer: lieblich – traurige Erinnerungen. Drei Zoll weiter: die Gedanken schweifen zu einstigen erfreulichen Liebschaften und einen Zoll tiefer zu vergangenen bitteren Liebeserfahrungen. Neige des ersten Flaschenkrugs: unbestimmte, grundlose Traurigkeit – Schulter des zweiten: düstere, unheilige Verstimmung; zwei Fingerbreit weiter unten: ein Lied vom Sterben oder von großer Sehnsucht. Um einen Daumen tiefer: alle Lieder, die jeder der Trinkenden kennt. Hier verschwindet die Abstufung, denn die Spuren gehen auseinander, und nichts ist mehr gewiss. Von diesem Punkt an ist alles möglich.“
                                                                „Tortilla Flat“  John Steinbeck (1902-1968)

Bei  Schriftstellern, die dafür bekannt sind, dass sie Bücher schreiben deren Inhalt  schockiert  und provoziert, ist man  manchmal auch genauso schockiert, wenn man ein  ungewöhnlich poetisches  Ende in einem Ihrer Werke vorfindet:
VON WALEN UND TRÄUMEN
„Ich bin so lange zur See gefahren und habe so viele Segel geflickt, daß meine Fingerspitzen hart und stumpf geworden sind, und so viele Taue geschleppt, daß meine Hände so rauh wie Manilahanf wurden; bin in Stürmen in Windeseile die Webleinen hoch geklettert und saß auf der Ladeluke eines brandneuen Frachters und fühlte das Klopfen des Motors. Erinnerungen…alles Erinnerungen. Bilder, die einem dabei helfen, sich den Tag zu vertreiben: aber nur für kurze Zeit. Ich verjage sie mit meinem Traum…meiner Vision. Ich schließe die Augen und höre die Musik, und sie kommen, von allen Seiten, und tanzen und singen, und O wie wunderbar ist es, das Wasser von ihren Rücken perlen zu sehen, ihren Rücken, die schimmern und glänzen, und obwohl sie von gewaltiger Größe sind, , gleiten sie doch fast spurlos durch die endlose See. Und ich rufe sie an, durch die hohlen Hände, mit einem lauten und glücklichen HALLO MEINE FREUNDE…und sie winken mir mit ihren Fluken, und sie tanzen und lachen, und der Tod, diese komische Sache, existiert nicht länger. er löst sich auf in unserem Einklang, und ich weiß, solange mein Herz und der zeitlose, alterslose leviathanische Teil von mir erfüllt sind von meinem Traum…von meiner Vision vom Tanz mit meinen Freunden…solange gibt es nur Leben, so groß und stark und schön und voller Sanftmut und Freude wie meine Freunde, und wohin sie gehen, gehe ich auch, und wir sind unzertrennlich, mein Leben ist das ihre und ihres ist das meine, und wir sind alle Teil ein und desselben Traums“.
                                                „Lied vom stillen Schnee“  Hubert Selby ( 1928-2004)

Die Schönheit des  ersten milden Frühlingstag des Jahres kann man, wohl kaum, fühlbarer formulieren:
„Der Vorfrühling galoppierte mit ungeheuer aufgetürmten farbenspielenden Wolkengespannen einher; ließ sich durch berstende Wolkenschlüfte leichteren Schwunges als ein Eichhörnchen, in Sonnenlichtstürzen von unfasslicher, herzsprengender Strahlenkraft herab und schwang sich wieder empor, versteckte sich hinter verfinsternden Wolkenknäueln, dass es eisig wehte. Das Eilen und Stürzen auf dem Himmel, die übernatürliche Pracht in herauslugendem Blau, der Überfluß von Licht, der oben vorhanden schien und hie und da die Ränder der Wolken sengend verklärte, all das beantwortete nur das langhin tönende Sausen des Windes die waldigen Hänge entlang aus einer noch armen und dürftigen Welt mit dem stumpfen Grün des winterlichen Nadelholzes und den geringen Farben der darunter gemengten Laubbäume und Lärchen“.
                                          „Barbara Naderers Viehstand“ Max Mell ( 1882-1971)

Die ersten Zeilen dieses Buches erweckten in mir schon viel Freude und Neugier darauf, und ich habe nicht bereut, es gelesen zu haben:
„Gern möchte ich dich, günstiger Leser! unter jene dunklen Platanen führen, wo ich die seltsame Geschichte des Bruder Medardus zum ersten Male las. Du würdest dich mit mir auf dieselbe, in duftige Stauden und bunt glühende Blumen halb versteckte, steinerne Bank setzen; du würdest so wie ich recht sehnsüchtig nach den blauen Bergen schauen, die sich in wunderlichen Gebilden hinter dem sonnichten Tale auftürmen, das am Ende des Laubganges vor uns ausbreitet“.
„Die Elixiere des Teufels“ E. T. A. Hoffmann (1776-1822)

Zu guter Letzt, noch ein paar nachdenkliche Worte eines, unserer großen, Heimatdichter:
„Es lässt sich nicht gut sagen, wie merkwürdig es ist, dass so vieles gleichzeitig geschieht. Dass in diesem Augenblick hunderttausend Schreie zum Himmel aufsteigen. Schreie der Lust, der Klage, des ersten und des letzten Atemzuges. In dieser Minute kniet ein Hirt in der Wüste auf seinem Teppich und verneigt sich neunmal vor Gott. Anderswo steht ein Mensch vor einer Tür und denkt an Mord, es ist ein Mensch mit einem blonden Bart und einer grünen Halsbinde, genauso. Städte liegen jetzt strahlend in der heißen Sonne, aber im Norden, mitten im Eis, kämpfen ein Mensch und ein Rudel Hunde um das leben, dort ist Kälte und erbarmungslose Nacht. Und das alles geschieht wirklich und wahrhaftig jetzt, bedenkt das einen Augenblick, und dabei ist doch jeder Mensch allein, seine Not und seine Freude ist das Letzte und Wichtigste in der Welt“.
                             „Wagrainer Geschichtenbuch“ Karl Heinrich Waggerl (1897-1973)
Dass diese B(r)uchstücke wieder Freunde und Freude unter den Lesern hier finden,
hofft Euer Kultur Jack.

Über den Autor

Kultur Jack

Vor längerer Zeit in Wien geboren, und bis heute mit der Ortswahl glücklich! Da man von kultureller Leidenschaft allein schwer leben kann, bin ich, im kaufmännischen Bereich, selbständig tätig. Meiner Meinung nach, sollte man geistige Genüsse, nach deren Entdeckung, teilen und weitergeben, damit so viele Menschen wie möglich davon berührt werden. Es liegt ja auch im Sinne des Künstlers, sonst würde er ja kein Buch drucken lassen, oder Bilder zur Schau stellen. Mehr über mich !