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B(r)uchstücke VII

B(r)uchstücke VII

Beethovens unsterbliche Musik als Lärm zu bezeichnen ist nur erlaubt, wenn es so humorvoll und dabei doch literarisch geschieht.

Man wird allgemein zugeben, dass Beethovens Fünfte Symphonie den erhabensten Lärm darstellt, der je ins menschliche Ohr gedrungen ist. Niemand und nichts kommen dabei zu kurz. Ob man es nun hält wie Mrs. Hunt und bei den melodiösen Stellen heimlich den Takt mitschlägt – selbstverständlich ohne die anderen zu stören – oder wie Helen, die in den Fluten der Musik Helden und Schiffbrüche zu erkennen vermag; oder wie Margaret, die nur die Musik wahrnimmt, oder wie Tibby, der so profunde Kenntnisse im Kontrapunkt besitzt und die Partitur aufgeschlagen auf den Knien hält; oder wie ihre Cousine, Fräulein Mosebach, die fortweg daran denkt, dass Beethoven „echt deutsch“ ist; oder wie Fräulein Mosebachs junger Verehrer, der an nichts anderes denken kann, als an Fräulein Mosebach: in jedem Fall werden die ureigensten Leidenschaften noch stärker belebt und man wird doch zugeben müssen, dass solch ein Lärm für zwei Schilling recht billig ist.

Wiedersehen in Howards End  (Edward Morgan Forster  1879-1970)

Foto: ©Joop van Bilsen

 

Für manche Ist Edgar Allen Poe nur der Erfinder der Detektivgeschichten.  Dass er mehr als das war, wird dadurch, dass Dickens sich für seine Bücher in England (vergeblich)einsetzte  und Charles Baudelaire sein Werk übersetzte, bezeugt. Er schuf solche Arabesken wie die folgende, und das ohne Synonym – Wörterbuch.

So ist der Lauf der Welt. Welche Fülle trüber Erinnerungen wird nicht immer und wieder im Gemüte reich angelegter und beschaulich sinniger Geister emporquillen, vorzüglich bei einem Genius, welcher verurteilt ist zum Immerwährenden, zum Ewigen, zum Alldauernden  und, wie man wohl sagen könnte, Alldauerhaften – ja, zum alldauerhaft Alldauernden, – dem bitteren, marternden, verwirrenden, dem – wenn mir der Ausdruck erlaubt sei – sehr störenden Einflusse des heiteren, göttergleichen, himmlischen, des erhebenden, erhabenen und erhobenen, des reinigenden Effekts dessen, was mit Fug wohl das beneidenswerteste, das wahrlich allerbeneidenswerteste – nein, das segensreichst schönste, das köstlichst, entzückendst, ätherischte, das hübscheste (wenn ich  einen so kühnen Ausdruck wagen darf) Ding ( verzeihe geneigter Leser!) in der Welt genannt wird, ja im ganzen – – doch meine Gefühle reißen mich hin.

In schlimmer Klemme  (Edgar Allen Poe  1809-1849)

Foto: © Library of Congress

 

Ob sich Tennyson über die „kraftlosen Verse“ gefreut hätte, bin ich mir nicht sicher, jedoch über die „auf Flaschen gezogenen Lüste“  auf jeden Fall.

Die eine Wand des Arbeitszimmers ist von Büchern bedeckt. Davor bleibt er suchend stehen, bis er gefunden hat, was er haben will. Es ist ein Band Tennyson. Das Buch, das er seit seiner Seminarzeit besitzt, ist schon ganz zerlesen. Er setzt sich unter die Lampe und schlägt es auf. Er braucht nicht lang zu warten. Bald beginnt die schöne, sich in raschen Rhythmen bewegende Sprache der hohlen und bei aller Üppigkeit kraftlosen Verse voll abgestorbener Bäume und auf Flaschen gezogener Lüste glatt und rasch und einhüllend dahinzuschwimmen und zu treiben.

Licht im August  (William Faulkner 1897-1962)

Foto: © Van Vechten Collection

 

So mancher Poet wird die Schönheit der Bäume so gesehen und empfunden haben, aber nicht jeder hat solche Worte dafür gefunden.

Ich wandte den Blick den Birnbäumen und Kirschblüten des gegenüberliegenden Gartens zu, , damit er glaube, ich sei von ihrer Schönheit gerührt. Tatsächlich ergriff sie mich auch in einer ähnlichen Weise, sie legte mir auf gleiche Art Dinge nahe, die man nicht mit Augen sieht, sondern im Herzen fühlt. Wenn ich diese Bäume im Garten für fremde Gottheiten ansah, hatte ich mich nicht wie Maria Magdalena einst in einem Garten an einem Tag, dessen Wiederkehr wir bald feiern würden, als sie eine Gestalt sah und sie für den Gärtner hielt, ebenfalls getäuscht? Wächter über Erinnerungen, die aus dem Goldenen Zeitalter stammen, Bürgen der Verheißung, dass die Wirklichkeit nicht sei, was man glaubt, dass der Glanz der Poesie, der märchenhafte Schimmer der Unschuld darin aufleuchten und die Belohnung werden können, die wir zu verdienen uns mühen – waren diese großen weißen Gestalten, die sich zauberhaft über den der Nachmittagsruhe, dem Fischfang, der Lektüre so holden Schatten neigten, nicht vielmehr Engeln gleich? Ich tauschte ein paar Worte mir der Geliebten Saint – Loups. Wir schritten zusammen quer durch das Dorf. Die Häuser waren verkommen. Aber noch neben den elendsten, denen, die aussahen, als seien sie von einem Phosphorregen verbrannt, stand ein geheimnisvoller Wanderer, der einen Tag an dieser vom Fluche getroffenen Stätte verweilte, ein strahlender Himmelsbote, der weithin über sie die schützenden Flügel der Unschuld in Blüten breitete, stand ein Birnbaum da.

Rahel  (Marcel Proust 1871-1922)

Foto: © Otto Wegener

 

So ist  meine Vorstellung vom Drang und der Freude eines Schriftstellers an seinem Tun.

Wenn er aber schrieb, fühlte er etwas Auszeichnendes, Exklusives in sich; wie eine Insel voll wunderbarer Sonnen und Farben hob sich etwas in ihm aus dem Meer grauer Empfindungen heraus, das ihn Tag um Tag kalt und gleichgültig umdrängte. Und wenn er unter Tags, bei den Spielen oder im Unterricht daran dachte, daß er abends seinen Brief schreiben werde, so war ihm, als trüge er an unsichtbarer Kette einen goldenen Schlüssel verborgen, mit dem er, wenn es niemand sieht, das Tor zu wunderbaren Gärten öffnen werde.

Das Bild der Eltern  (Robert Musil  1880-1942)

Foto: © Viadellebelledonne files wordpress.com

 

Dass diese literarischen Bruchstücke Euren Tag verschönert haben, hofft
Euer Kultur Jack

Über den Autor

Kultur Jack

Vor längerer Zeit in Wien geboren, und bis heute mit der Ortswahl glücklich! Da man von kultureller Leidenschaft allein schwer leben kann, bin ich, im kaufmännischen Bereich, selbständig tätig. Meiner Meinung nach, sollte man geistige Genüsse, nach deren Entdeckung, teilen und weitergeben, damit so viele Menschen wie möglich davon berührt werden. Es liegt ja auch im Sinne des Künstlers, sonst würde er ja kein Buch drucken lassen, oder Bilder zur Schau stellen. Mehr über mich !