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B(r)uchstücke XIII – I am from Austria

B(r)uchstücke XIII – I am from Austria

Davon, dass Österreich einst so groß war, dass darin die Sonne nicht untergehen konnte, ist nicht viel geblieben. Ich empfinde das als Vorteil für uns, denn heute erscheint es so, als ob, je größer und mächtiger ein Land ist, sich auch die Probleme proportional vergrößern. Und so verhält es sich auch mit der Erwartungshaltung der anderen Länder.

Was ich natürlich sehr schätze ist, dass durch unsere vergangene Größe viele bedeutende Schriftsteller auf österreichischem Boden geboren wurden oder dort lebten. Deshalb soll der heutige Beitrag in unserem Kulturblog nur schreibenden Größen unseres wunderschönen Landes gewidmet sein.

Ingeborg Bachmann verstand es meisterlich in die Kürze eines Satzes jede Menge Potential zu integrieren.

Wer ein Warum zu leben hat, erträgt fast jedes Wie.

                                                                   Malina ( Ingeborg Bachmann)

Foto: © Neithan 90

Dass Rilke zu den, international, wichtigsten Poeten unseres Landes zählt, weiß so ziemlich jeder, der sich für Literatur interessiert. Jedoch, dass er 1905 für 8 Monate der Sekretär des Bildhauers Auguste Rodin war, mag vielleicht für manche neu sein.

„Sie meinen also, wir hätten an unserer Kindheit leiden müssen, von rechtswegen?“ !Ja, gerade das meine ich. An diesem schweren Dunkel hinter uns, zu dem wir so schwache, so ungewisse Beziehungen behalten. Da ist eine Zeit: wir haben unsere Erstlinge hineingelegt, allen Anfang, alles Vertrauen, die Keime zu alledem, was vielleicht einmal werden sollte. Und plötzlich wissen wir: Alles das ist versunken in einem Meer, und wir wissen nicht einmal genau wann. Wir haben es gar nicht bemerkt. Als ob jemand sein ganzes Geld zusammensuchte, sich dafür eine Feder kaufte und sich auf den Hut steckte, hui: der nächste Wind wird sie mitnehmen. Natürlich kommt er zu Hause ohne Feder an, und ihm bleibt nichts übrig, als nachzudenken, wann sie wohl könnte davongeflogen sein.“

                                      Eine Geschichte dem Dunkel erzählt  (Rainer Maria Rilke)

Foto: © lifeinternet.ru

Liebhaber humorvoller Literatur sei das ungewöhnliche Werk dieses Sohnes unseres Landes ans Herz gelegt.

Eynhuf setzte ihr die Sache mit dem Liebestrank auseinander. Die Alte wurde sehr wichtig, bedeutete ihm, dass es für sie eine Kleinigkeit wäre, dass man aber das Mondviertel wissen müsse, unter dem das Subjekt geboren sei, und dass er selbst an einem Freitag mit ungeradem Datum- am besten sei freilich der schmerzhafte Freitag- eine Alraunwurzel kaufen, aber über die rechte Schulter mit der linken Hand- mit verflochtenen Fingern natürlich- in Empfang nehmen müsse. Dann sei es unerlässlich, ihr die Wurzel in der umgekehrten Stellung zu geben. Darauf würde sie den Trank kochen, durch einen Nonnenschleier durchseihen und ihn vier Wochen lang im Keller digerieren lassen. Dass sei aber alles sehr teuer, weil man zum Heizen bloß morsche Bretter von Selbstmördersärgen, mit getrockneten schwarzen Pudelschweifen gemischt, verwenden dürfe. Auch müsse man den Kot einer unschuldigen weißen Taube dazutun. Der verfaulte Zahn einer Kindermörderin sowie ein Lot trockenes Krokodilshirn seien als Beigabe sehr zu empfehlen. Letzteres wäre aber selten. Ob er vielleicht wo eines wüsste? Früher hätten die Venedigermandeln einen schwunghaften Handel damit getrieben, aber heute…die verfluchte neue Apothekerordnung… Eynhuf sah sie streng an. Er setzte dem Redeschwall, der ihm peinlich wurde, ein Ende mit der Frage, ob er eine Angabe leisten müsse. Sieben Vierundzwanzigkreuzerstücke, lautete die Antwort.

                             Der Gaulschreck im Rosennetz (Fritz von Herzmanovsky Orlando)

Foto: © Manfred K

Seine Gedanken sind dank ihrer Einfachheit, gepaart mit Klarheit und großer Wortfindung immer wieder ein Erlebnis.

Mein Tisch war das erste Stück Hausrat, das ich erwarb, als ich mich in jungen Jahren entschlossen hatte, sesshaft und ein gesitteter Mensch zu werden. Von nun an, dachte ich, muss dein Dasein eine feste Mitte haben, eben diesen Tisch. Du wirst mit Anstand daran sitzen, um dein Brot zu essen, und wenn du nichts zu kauen hast, kannst du wenigstens die Ellbogen darauf stützen und deine Sorgen überdenken. Haus und Hof wirst du ja doch nie gewinnen, aber dieses kleine Geviert ist so gut wie ein Stück Land. Du wirst deine Gedanken hineinsäen, und der Himmel wird sie verderben oder reifen lassen, wie sonst die Saat auf einem Acker. Es werden nur geringe Gedanken sein, das soll dich wenig kümmern. Großen Geistern ziemt es zwar, sich in großen Ideen zu kleiden, aber schließlich leben auch sie wie unsereins vom täglichen Brot der kleinen Einfälle. Und was immer du tust, das Rechte wie das Schlechte, es geht seine eigenen Wege.

  Mein Tisch (Karl Heinrich Waggerl)

Foto: © High Contrast

Eines der Hauptthemen unseres Lebens treffend in einem Satz zu beschreiben, verlangt schon einiges an Können.

Ach, die Liebe ist eben ein schaumbedeckt, dahinsprengendes Pferd, auch wenn es zitternd stehen bleibt.     

                                                                Der Vorstadtgasthof  (Robert Musil)

Foto: © viadellebelledonne.files.wordpress,com

Es gab auch eine Zeit in unserem Land da die Kunst erwürgt wurde und die Kultur am Boden lag. Wie angst- und schmerzvoll das für Tausende war spiegelt sich recht gut in diesem Buch wider.

Ach, das lag nun nicht mehr an den Fahnen und Zeichen, an den Affichen und Emblemen, welche ihr Bild entstellten: das war ja entstellt schon seit langem; und mochten Fahnen und Zeichen, mochten Affichen und Embleme jetzt auch teuflisch andres bedeuten- man könnte, dahinter und durch sie hindurch, doch wie zuvor die Stadt noch sehen und erkennen. Aber man sieht sie nicht mehr und sie ist nicht zu erkennen. Ach, und das Fremde in ihr, die vielen fremden Soldaten, die vielen fremdem Autos, und fremde Polizisten sogar – dem allen müsste sie doch, wenn es die Stadt noch wäre, desto unverkennbarer sich entgegen heben, desto beharrlicher widerstehen, stumm und starr und steinern. Aber sie widersteht nicht. Sie gibt nach. Sie gibt sich preis und gibt sich hin. Ihre Weichheit, ihre geliebte Weichheit, trieft von schmiegsamer, willfähriger Bereitschaft. Sie ist zu haben, die Stadt, sie ist zu allem zu haben. Dieses Getriebe und Geschiebe in ihren Straßen, schale Reste des großen Rausches noch, schäbig abgestandene Posen des großen Reigens, dieses gewaltsame Nachzucken, Schritt und Tritt, Hei und Geschrei, dieses Aufblöken immer von neuem, vereinzelt und quer aneinander, bei jeder Gelegenheit, jeder für sich und laut damit man´s nur merke, heil Hitler heil Hitler, da, dort, Passanten um ein Bild, Passanten um ein Plakat, heil Hitler, Passanten um ein Auto, Passanten um Uniformen, heil Hitler, und Straßenverkäufer schrill, Hakenkreuzfahnen zehn Groschen, Hakenkreuzabzeichen zwanzig Groschen, das Bildnis des Führers dreißig Groschen, der lächelnde Führer dreißig Groschen, der Führer in Linz, der Führer in Wien, der Führer der Führer der Führer, der Völkische Beobachter, das schwarze Korps, der Stürmer, die Juden sind unser Unglück, Volksgenossen kauft nicht bei Juden, Wien muss judenrein werden, der Stürmer der Führer heil Hitler, zehn Groschen zwanzig Groschen heil Hitler, Uniformen grau Uniformen braun heil Hitler, Uniformen schwarz Uniformen braun heil Hitler—ach, es war keineswegs so, dass dies alles sich bloß hätte aufpfropfen wollen und abgeglitten wäre, ach nein. Sondern es war eingedrungen in die Stadt und die Stadt nahm es auf, schmiegsam und willfährig, und versank darin, und war eine andere Stadt.

                                         Auch das war Wien (Friedrich Torberg)

Mit jedem Jahr, das mich älter macht, wächst mein Patriotismus für unser Land (wohlgemerkt – kein Nationalismus). Ich liebe Österreich!

Nirgendwo lebt man angenehmer als hier, findet

Euer Kultur Jack!

Über den Autor

Kultur Jack

Vor längerer Zeit in Wien geboren, und bis heute mit der Ortswahl glücklich! Da man von kultureller Leidenschaft allein schwer leben kann, bin ich, im kaufmännischen Bereich, selbständig tätig. Meiner Meinung nach, sollte man geistige Genüsse, nach deren Entdeckung, teilen und weitergeben, damit so viele Menschen wie möglich davon berührt werden. Es liegt ja auch im Sinne des Künstlers, sonst würde er ja kein Buch drucken lassen, oder Bilder zur Schau stellen. Mehr über mich !