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B(r)uchstücke der Literatur XXXIX – Im Mittelpunkt der Mensch

B(r)uchstücke der Literatur XXXIX – Im Mittelpunkt der Mensch

                                                             Im Mittelpunkt der Mensch

Ein jeder, der Milliarden Bewohner unseres Planeten, sieht den Stellenwert und die Bedeutung des Menschen unterschiedlich. Natürlich ergeht es auch so den Schriftstellern! Turgenjews Gedanken über die Leichtfertigkeit und Verschwendung des jugendlichen Alters, und deren Folgen, sind meinen eigenen nicht unähnlich.

Foto: © Gerd Eichmann

„O Jugend, Jugend! Du kümmerst dich um nichts, es ist, als besäßest du alle Schätze des Weltalls, sogar die Trauer tut dir gut, sogar die Sehnsucht steht dir zu Gesicht, du bist voller Selbstvertrauen und dreist, du sagst: Ich allein lebe, so seht es doch! Und dabei eilen deine Tage und verschwinden ohne Spur und ohne Maß, und es verschwindet alles vor dir wie Wachs an der Sonne, wie Schnee…Und vielleicht besteht das ganze Geheimnis deines Zaubers nicht in der Möglichkeit, alles zu schaffen – sondern in der Möglichkeit zu denken, dass du alles schaffen könntest- besteht vor allem darin, dass du deine Kräfte, die du zu nichts anderem zu verwenden verstehen würdest, in den Wind schlägst- darin, dass jeder von uns in vollem Ernst sich für einen Verschwender hält, in vollem Ernst annimmt, dass er das Recht habe, zu sagen: Oh, was hätte ich alles bewerkstelligt, wenn ich nicht so viel Zeit unnütz verloren!
Und so auch ich… worauf hoffte ich alles, was erwartete ich alles, welch eine reiche Zukunft sah ich vor mir, als ich da mit einem Seufzer, mit einem trübseligen Empfinden das nur auf einen Nu entstandene Gespenst meiner ersten Liebe bestattete.?
Und was wurde aus all dem worauf ich gehofft? Und ist jetzt, da bereits die abendlichen Schatten auf mein Leben zu fallen beginnen, mir etwas Teureres geblieben als das Angedenken an jenes schnell vorübergeflogene morgendliche Frühlingsgewitter?“
Erste Liebe, Ivan Turgenjew (1818-1883)

Henry Miller war kein Mann der Diplomatie! Am heftigsten kritisierte er sein Heimatland die USA, weil er ein Gegner von Kapitalismus und Materialismus war. Seine Bücher waren in Amerika, bis weit ins 20. Jahrhundert hinein, am Index verbotener Bücher. In den gegenwärtigen Zeiten der Flüchtlingsströme, haben manche seiner Meinungen erneute Aktualität, wobei die Nationen austauschbar sind, und die Radikalität seiner Worte, ein wenig, nach Revolution riecht.

Foto: © Library of Congress

„Wenn ich an manche dieser Perser, dieser Hindus und Araber denke, die ich kannte, wenn ich an den Charakter denke, den sie zeigten, an ihre Anmut, ihr Feingefühl, ihre Intelligenz, ihre Heiligkeit, dann spucke ich auf die weißen Welteroberer, die degenerierten Briten, die schweinsköpfigen Deutschen, die blasierten, selbstgefälligen Franzosen. Die Erde ist ein einziges großes fühlendes Wesen, ein durch und durch mit Menschen gesättigter Planet, ein lebender Planet, der sich stammelnd und stotternd ausdrückt; sie ist nicht die Heimat der weißen Rasse oder der schwarzen Rasse oder der Gelben Rasse oder der untergegangenen blauen Rasse, sondern die Heimat des Menschen, und alle Menschen sind vor Gott gleich und werden ihre Chance erhalten, wenn nicht heute, dann in einer Million Jahren. Unsere kleinen braunen Brüder von den Philippinen werden vielleicht eines Tages wieder zur Blüte kommen, und die gemordeten Indianer aus Nord- und Südamerika werden auch eines schönen Tages wieder zum Leben erwachen, über die Prärie reiten, wo jetzt die Feuer und Pestilenz speienden Städte stehen. Wer hat das letzte Wort? Der Mensch! Die Erde gehört ihm, weil er die Erde ist, ihr Feuer, ihr Wasser, ihre Luft, ihre Steine und Pflanzen, ihr Geist, der kosmisch, unvergänglich ist, der der Geist aller Planeten ist, der sich in ihm verwirklicht, in endlosen Zeichen und Symbolen, in nie endenden Manifestationen. Wartet nur, ihr kosmokokkischen Telegrafen – Scheißer, ihr Dämonen dort oben, die ihr wartet, bis die Leitung wieder repariert ist; wartet, ihr dreckigen weißen Eroberer, die ihr die Erde mit euren Teufelshufen, euren Werkzeugen, euren Waffen, euren Krankheitskeimen besudelt habt, wartet, ihr alle die ihr im Überfluss lebt und euren Mammon zählt, noch ist nicht der letzte Tag gekommen.
Der letzte Mensch wird ein Wörtchen mitzureden haben, ehe es zu Ende ist. Bis herunter zum letzten fühlenden Molekül muss Gerechtigkeit geübt werden – und wird es werden. Niemand kann ihr entgehen, und am allerwenigsten die kosmokokkischen Scheißer von Nordamerika.“
Wendekreis des Steinbocks, Henry Miller (1891-1980)

In einer, uns heute ein wenig fremd klingenden Sprache spricht Stifter zu uns, jedoch tut es ihrer Schönheit keinen Abbruch. Wenn man seine Bücher liest, sollte man sich gedanklich in die Zeit des Biedermeier versetzen.

Foto: © ckrumlov.cz

„Wenn wir die Menschheit in der Geschichte wie einen ruhigen Silberstrom einem großen ewigen Ziele entgegengehen sehen, so empfinden wir das Erhabene das vorzugsweise Epische. Aber wie gewaltig und in großen Zügen auch das Tragische und Epische wirken, wie ausgezeichnete Hebel sie auch in der Kunst sind, so sind hauptsächlich doch immer die gewöhnlichen alltäglichen in Unzahl wiederkehrenden Handlungen der Menschen, in denen dieses Gesetz am sichersten als Schwerpunkt liegt, weil diese Handlungen die dauernden die gründenden sind, gleichsam die Millionen Wurzelfasern des Baum des Lebens. So wie in der Natur die allgemeinen Gesetze still und unaufhörlich wirken, und das Auffällige nur eine einzelne Äußerung dieser Gesetze ist, so wirkt das Sittengesetz still und seelenbelebend durch den unendlichen Verkehr der Menschen mit Menschen, und die Wunder des Augenblickes bei vorgefallenen Taten sind nur kleine Merkmale dieser allgemeinen Kraft. So ist dieses Gesetz, so wie das der Natur das welterhaltende ist, das menscherhaltende.“
Vorrede zu „Bunte Steine“, Adalbert Stifter (1805-1868)

Auch nach seinen humorvollen Romanen, lässt Steinbeck seine Leser, nicht nur amüsiert, sondern auch ein wenig sinnierend zurück.

„Niemand weiß, wie ein Mensch zu Größe kommt. Sie mag in seinen dunklen Seelenschichten geschlafen haben oder sie mag in ihn hineingeschossen sein wie eines der aus dem Weltraum dahersausenden glühenden Bruchstücke. Was wir jedoch hinsichtlich der Größe wissen, ist : Dass sie durch die Not zu Leben und Bewegung kommt; dass sie immer mit Schmerzen verbunden ist; dass sie den betreffenden Menschen gleichzeitig so verändert, kasteit und erhebt, dass er nie wieder zu seiner früheren Einfalt zurückkehren kann.“

Wonniger Donnerstag, John Steinbeck (1902-1968)

Foto: © Sonya Noskowiak

 

Für, nicht wenige, Schriftsteller war es verlockend, die Welt als Bühne und die Menschen als Besetzung des Stückes zu sehen. Der Gedanke ist aber auch zu verlockend, da sich jedermann, als Protagonist der eigenen Erzählung sehen und empfinden muss.

Selbstporträt, Foto: © Kurt Kaindl

„Aber so wirr ist das Leben, so bunt sind die Geschicke verflochten. Kaum zweihundert Seelen leben in diesem Dorf und es bleibt dennoch keine Rolle des großen Spieles unbesetzt. Ein jeder tritt an nach seiner Bestimmung, hinterwärts verborgen steht der Engel, der das gewaltige Spiel für den Meister lenkt und jedem eingibt, was ihm vorgeschrieben ist, bis der Tod ans Erz schlägt und ihn abgehen heißt. Dann muss er seine Verkleidung abstreifen, in dem Stück war er vielleicht ein König, war ein Knecht oder er hatte einen Heiligen darzustellen, einen Heuchler, und nun ist er das alles nicht mehr, sondern ein nackter Mensch, ein unseliges Wesen, dem alles feind ist, was Gott schuf. Solange einer auf der Bühne stehen und seine Rolle hersagen darf, ist es noch gut. Es braucht gar keine großartige Rolle zu sein, nur die des braven Frächters oder des Wanderburschen, den das Glück zum Liebhaber machte. Aber manchmal geschieht es, dass der Mensch auch, mitten im Spiele beiseitetreten muss, weil er sein Stichwort versäumt hat oder weil es der Meister so will. Er trägt seine Maske noch und sieht die anderen weiterspielen, und mit einemmal besinnt er sich darauf, dass alles nur Trug war, das ganze Treiben, nur Schein, wenn er selbst meinte, fröhlich oder traurig zu sein. Das widerfährt uns allen einmal, in solchen Augenblicken sind wir gottverlassen allein und ausgestoßen in unserem Narrengewand, und ein Kummer fällt uns an, für den wir keine Gebärde haben, schwarze Verzweiflung, die nicht von dieser Welt ist. Wir sterben viele Tode, solange wir leben, der letzte ist nicht der bitterste!“
Mütter, Karl Heinrich Waggerl (1897-1973)

Da das Leben und die Welt Mysterien sind, wird der Mensch darin, immer ein Thema für Schreibende sein, glaubt,
Euer Kultur Jack!

Beitragsfoto: Der Vitruvianische Mensch, Leonardo da Vinci , Copyright: Pixabay

Über den Autor

Kultur Jack

Vor längerer Zeit in Wien geboren, und bis heute mit der Ortswahl glücklich! Da man von kultureller Leidenschaft allein schwer leben kann, bin ich, im kaufmännischen Bereich, selbständig tätig. Meiner Meinung nach, sollte man geistige Genüsse, nach deren Entdeckung, teilen und weitergeben, damit so viele Menschen wie möglich davon berührt werden. Es liegt ja auch im Sinne des Künstlers, sonst würde er ja kein Buch drucken lassen, oder Bilder zur Schau stellen. Mehr über mich !