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B(r)uchstücke der Literatur XXXIV-Ulysses by James Joyce

B(r)uchstücke der Literatur XXXIV-Ulysses by James Joyce

Liebe Leute, eines gleich vorweg: Ulysses ist keine leichte „Kost“! Ich vermute, dass nicht jedermann/frau weiß, worum es in diesem Buch geht, darum eine kurze Erklärung dazu: James Joyce beschreibt, auf ein wenig mehr als 1000 Seiten, den 16. Juni 1904 im Leben des Anzeigen-Akquisiteurs Leopold Bloom.

 

James Joyce hat den Roman in Anlehnung an Homers „Odysseus“ konzipiert. So begleitet man Bloom, an diesem einen Tag, in 18 Episoden, auf seinen „Irrfahrten“ durch Dublin. Herausfordernd daran ist, dass Joyce verschiedene Stilformen benutzt. Manche Kapitel sind als Dialoge geschrieben, die erzählerische Prosa kann mitunter in die damalige Alltagssprache kippen und der Schriftsteller benutzt auch konsequent den „Bewusstseinsstrom“. Dieser Strom konfrontiert den Leser mit den Gedanken des Protagonisten, und das bedeutet, dass sie bruchstückhaft, abgerissen, unmittelbar, ungeordnet und mit anderen Assoziationen verbunden sind – eben so, wie sie einem durchschnittlichen Menschen durch den Kopf strömen. Das erschwert, natürlich, die Verständlichkeit des Romans und noch dazu kommt, dass an diesem 16.Juni nichts wirklich Spektakuläres passiert.
Warum liest dieses Buch überhaupt jemand? Weil etliche Leser den Inhalt eines Romans, der Sprachgewalt des Autors unterordnen – und diese besitzt James Joyce unbestritten. Dieser etwas längere Auszug aus „Ulysses“ bezeugt recht gut diese Gewalt, und er handelt nur von einer Flüssigkeit – Wasser!

„Was bewunderte Bloom, der Wasserfreund, der Wasserzapfer, der Wasserträger, am Wasser, während er zur Feuerstelle zurückkehrte?
Seine Universalität; seine demokratische Gleichheit und Konstanz gegenüber seiner Natur, indem es sich seine eigene Oberfläche suchte; seine riesige Ausdehnung als Ozean in Mercators Projektion; seine unausgelotete Tiefe im Sundam – Graben des Pazifik, wo sie über 8000 Faden betrug; die Rastlosigkeit seiner Wellen und Oberflächenpartikel, die umschichtig alle Punkte seines Gestades besuchten: die Unabhängigkeit seiner Einheiten: die Variabilität der Zustandsformen des Meeres: seine hydrostatische Ruhe bei Windstille: seine hydrokinetische Geschwollenheit bei Nipp – und Springfluten: seine Gelassenheit nach Verheerungen: seine Sterilität in den zirkumpolaren Eisdecken von Arktis und Antarktis: seine klimatische und kommerzielle Bedeutung: sein Überwiegen im Verhältnis 3 zu 1 gegenüber dem trockenen Land auf der Erdkugel: seine unbestreitbare Hegemonie, wo es sich quadratseemeilenweit über das gesamte Gebiet unter dem subäquatorialen Wendekreis des Steinbocks ausdehnt: die multisäkulare Stabilität seines ursprünglichen Beckens: sein bräunlich – gelbgraues Bett: seine Fähigkeit, alle lösbaren Substanzen einschließlich Millionen von Tonnen der edelsten Metalle aufzulösen und in Lösung zu halten: seine langsamen Erosionen von Halbinseln und Inseln: seine persistente Formierung homothetischer Inseln, Halbinseln und niederwärtsstrebender Vorgebirge: seine alluvialen Ablagerungen: sein Gewicht, sein Volumen und seine Dichte: seine Unerschütterlichkeit in Lagunen, Atollen und Bergseen: seine Farbabstufungen in der heißen, gemäßigten und kalten Zone: seine vehikularen Verzweigungen in kontinentalen seenumfassten Strömen und zusammenfließenden ozeanmündenden Flüssen samt Nebenflüssen und transozeanischen Strömungen: Golfstrom, Nord – und Südäquatorialströmung: seine Gewalt bei Seebeben, Wasserhosen, artesischen Brunnen, Eruptionen, Gießbächen, Strudeln, Hochwassern, Überschwemmungen, Grunddüngungen, Wasserscheiden, Einzugsgebieten, Geisern, Katarakten, Wirbeln, Maelströmen, Überflutungen, Sintfluten, Wolkenbrüchen: seine riesige zirkumterrestrische ahorizontale Kurve: sein geheimes Vorhandensein in Quellen und als latente Feuchtigkeit, wie sie von rhabdomantischen oder hygrometrischen Instrumenten entdeckt und von dem Loch in der Mauer am Ashtown Gate exemplifiziert wurde, Sättigung der Luft, Destillation von Tau: die Einfachheit seiner Zusammensetzung, nämlich aus zwei Bestandteilen Wasserstoff und einem Bestandteil Sauerstoff: seine therapeutischen Kräfte: sein Tragvermögen in den Wassern des Toten Meeres: seine ausdauernde Durchdringungsfähigkeit bei Bachbetten, Abzugsrinnen, unzulänglichen Dämmen, Schiffslecken: seine Eignung zum Reinigen, zum Löschen von Durst und Feuer, zur Nährung der Vegetation: seine Unfehlbarkeit als Paradigma und Paragon: seine Metamorphosen als Dunst, Nebel, Wolke, Regen, Graupel, Schnee, Hagel: seine Kraft in starren Hydranten: seine Formenvielfalt in Seen und Baien und Golfen und Buchten und Meeresarmen und Lagunen und Atollen und Archipelen und Sunden und Fjorden und Watten und Meerengen und Flutmündungen: seine Festigkeit in Gletschern, Eisbergen, Treibeisschollen: seine Gefügigkeit beim Betrieb von hydraulischen Mühlrädern, Turbinen, Dynamos, elektrischen Kraftwerken, Bleichanstalten, Gerbereien, Flachsschwingmaschinen: seine Nützlichkeit in Kanälen, Flüssen, wenn schiffbar, Schwimm- und Trockendocks: seine ihm abgewinnbare Wirkungskraft im Fall von gebändigten Fluten oder durch Wehrgefälle regulierten Flussläufen: seine submarine Fauna und Flora (anakustisch, photophob), rein numerisch, wenn nicht gar buchstäblich, die eigentliche Bewohnerschaft des Planeten: seine Allgegenwärtigkeit, insofern es 90% des menschlichen Körpers bildet: die Schädlichkeit seiner Ausdünstungen in morastigen Binnenseen, verpesteten Sümpfen, abgestandenem Blumenwasser, stagnierenden Tümpeln bei abnehmendem Mond.“

 

Liebe Leute, „Ulysses“ gilt als Paradebeispiel für den modernen Roman, ist aber zugleich einer der unkonventionellsten,die jemals geschrieben wurden und war, auf Grund von Blasphemie – und Pornographie – Vorwürfen lange in etlichen Ländern verboten. Er ist ein Großstadtroman, und somit nimmt die Beschreibung Dublins in der Erzählung viel Raum ein. Überraschend ist für den Leser, dass Joyce in jedem Kapitel eine andere Erzähltechnik anwendet, was aber den Roman nicht einfacher macht.
Man könnte jetzt den Eindruck haben, dass ich unseren Lesern abrate den Roman zu lesen – das möchte ich auf keinen Fall und ist auch nicht meine Absicht, aber Ihr sollt wissen, dass es keine Strandlektüre ist. Jedoch, zum Beispiel, zu wissen, dass das Buch mit einem vierzigseitigen inneren Monolog, ohne Punkt und Komma, von Blooms Gattin, Molly, endet, kann eine Entscheidungshilfe sein, ob man so etwas will oder nicht. Der Eine wird sich sagen, dass er sich so etwas nicht antun möchte, die Andere wird das möglicherweise neugierig machen.
Ich habe den Roman gelesen, und ich muss zugeben, obwohl ich schon sehr viel gelesen habe, war er wirklich eine Herausforderung, jedoch möchte ich nicht missen, es getan zu haben, weil ich zu jenen gehöre, denen das Wort, und somit die sprachliche Brillanz eines Autors sehr wichtig sind.
Die Iren lieben ihren James Joyce, und so feiern sie seit 1954, jedes Jahr, am 16. Juni in Dublin ihre „Blooms Day“.

 

Eines ist aber glasklar, „Ulysses“ ist einer der berühmtesten und avantgardistischen Romane der Literaturgeschichte, weiß
Euer Kultur Jack!

Foto Beitragsbild: Dublin, Public Domain Pictures Net

 

 

Über den Autor

Kultur Jack

Vor längerer Zeit in Wien geboren, und bis heute mit der Ortswahl glücklich! Da man von kultureller Leidenschaft allein schwer leben kann, bin ich, im kaufmännischen Bereich, selbständig tätig. Meiner Meinung nach, sollte man geistige Genüsse, nach deren Entdeckung, teilen und weitergeben, damit so viele Menschen wie möglich davon berührt werden. Es liegt ja auch im Sinne des Künstlers, sonst würde er ja kein Buch drucken lassen, oder Bilder zur Schau stellen. Mehr über mich !