Seite auswählen

Anita Rée – Ein Schicksal der NS-Zeit

Anita Rée – Ein Schicksal der NS-Zeit

Es stecken immer traurige Geschichten dahinter, wenn Leben vor- oder frühzeitig beendet werden. So war es bei Egon Schiele, der 1918, im Alter von 28 Jahren, an der Spanischen Grippe verstarb. Die beiden deutschen Expressionisten der Künstlergruppe „Der Blaue Reiter, Franz Marc (36 Jahre) und August Macke (27 Jahre), fanden, während des 1. Weltkrieges in Frankreich,  einen sinnlosen Soldatentod. Abgesehen von den menschlichen Tragödien – wie viele wunderbare Werke wurden der Nachwelt dadurch vorenthalten.
Auch die Protagonistin des heutigen Beitrags in unserem Kulturblog reiht sich in diese Riege ein: Anita Rée.

Die Künstlerin
Der 1885 in Hamburg geborenen Jüdin wurde in jungen Jahren der Ausbildungswunsch zur akademischen Malerin verwehrt, da so etwas für Frauen noch nicht vorgesehen war. Von Selbstzweifeln geplagt, wendete sie sich an den Impressionisten Max Lieberman, der ihr nach Durchsicht ihrer Bilder, dazu riet ihren künstlerischen Weg weiter zu verfolgen.

 

Der Hamburger Impressionist Arthur Siebelist wurde ihr erster Lehrer, mit dem sie sich jedoch 1910 überwirft, und danach eine Ateliergemeinschaft mit zwei gleichaltrigen Malern eingeht. Die unerwiderte Liebe zu einem der beiden ließ auch diese Gemeinschaft zerbrechen und sie verbrachte den Winter 1912/13 in Paris. Dort lernte sie die Kunstströmungen der Moderne kennen, was sich in ihren Bildern niederschlug, und erhielt Unterricht bei Fernand Leger.

 

In den folgenden Jahren erfolgte, auf Grund ihrer Porträts, in Deutschland ihr Durchbruch als Künstlerin, und sie war 1919 eines der Gründungsmitglieder der „Hamburgischen Sezession“. Jährliche, erfolgreiche Ausstellungen mit dieser Gruppe sind die Folge.

 

Nach einem Malaufenthalt im tirolerischen Grins, lebte sie sie für einige Jahre im pittoresken, süditalienischen Positano, wo sie sich der „Neuen Sachlichkeit“ zuwandte. Dort durchlebte sie eine sehr produktive Zeit und eine erfüllende Liebesbeziehung mit dem Buchhändler Christian Selle.

 

1926, zurück in Hamburg, endete die Liebesbeziehung, jedoch ihr Bekanntheitsgrad erhöhte sich enorm, und durch ihre Porträtaufträge fanden ihre Bilder Eingang in die Häuser der Gesellschaft. Am Höhepunkt ihrer Karriere erhielt sie Aufträge für die Wandbilder der „klugen und törichten Jungfrauen“ und „Orpheus mit den Tieren“ in zwei Hamburger Schulen und für ein fünfteilige Altarretabel in einer Kirche.

 

Ihr künstlerischer Höhenflug hatte mit dem Aufkommen des Nationalsozialismus ein jähes Ende. Obwohl assimiliert und von evangelischem Glauben, wurde sie als Jüdin denunziert. Eines ihrer Wandbilder wurde zerstört, das andere übermalt und auf Druck der NSDAP kam das Retabel nie zur Aufstellung und verbrannte später in einer Bombennacht.

 

Auf Grund der politischen Verhältnisse, menschlicher Enttäuschungen und Zukunftsängsten verließ Anita Rée 1932 fluchtartig Hamburg und übersiedelte nach Sylt. Ein Jahr später wurde sie von der Hamburgischen Künstlerschaft als „artfremdes Mitglied“ ausgeschlossen. Die Werke im Besitz der Hamburger Kunsthalle wurden nur dank des beherzten Einsatzes des Hausmeisters gerettet, der sie bis zum Ende des Krieges in seiner Wohnung versteckte und danach kommentarlos in das Ausstellungshaus zurückstellte. Von Ängsten verfolgt, seelisch ausgebrannt und vereinsamt nahm sich die Künstlerin 1932 auf Sylt das Leben.

Das Werk
Herausragend aus den Arbeiten Anita Rées sind ihre Porträts, die sich, gegenüber anderen Vertretern der „Neuen Sachlichkeit“, in zurückhaltender, subtiler Farbigkeit präsentieren. Diese Eigenheit der Arbeiten weist auch auf ihre Leidenschaft für die Frührenaissance, vor allem für die Fresken Piero della Francescas in Arezzo, hin. Jedoch auch das immer wiederkehrende Selbstporträt zeigt große Sensibilität und handwerkliche Fertigkeit. Es dominiert immer die Person, die Attribute sind spärlich, aber wirksam.

 

Hervorhebung verdienen auch die Bilder ihrer Jahre in Positano. Sie beeindrucken durch Stille, Helligkeit und einer Farbgebung, die sehr harmonisch gesetzt ist.

 

Liebe Leute, eine irrwitzige Kaste von Herrenmenschen hat die Gedanken von Völkern vergiftet, die Weltordnung bestimmt und einer Schar von Kunstschaffenden die Grundlage zum Arbeiten, aber auch zum Leben genommen. Das dokumentieren eindringlich die Worte Antia Rées , in einem Brief an ihre Schwester, kurz vor ihrem Suizid:
„Ich kann mich in so einer Welt nicht mehr zurechtfinden und habe keinen einzigen anderen Wunsch, als sie, auf die ich nicht mehr gehöre, zu verlassen. Welchen Sinn hat es – ohne Familie und ohne die einst geliebte Kunst und ohne irgendwelche Menschen – in so einer unbeschreiblichen, dem Wahnsinn verfallenen Welt weiter einsam zu vegetieren … ?“
Euer, Kultur Jack!

Beitragsbild Copyright: Weiße Bäume, Villa Griesebach 2011

Über den Autor

Kultur Jack

Vor längerer Zeit in Wien geboren, und bis heute mit der Ortswahl glücklich! Da man von kultureller Leidenschaft allein schwer leben kann, bin ich, im kaufmännischen Bereich, selbständig tätig. Meiner Meinung nach, sollte man geistige Genüsse, nach deren Entdeckung, teilen und weitergeben, damit so viele Menschen wie möglich davon berührt werden. Es liegt ja auch im Sinne des Künstlers, sonst würde er ja kein Buch drucken lassen, oder Bilder zur Schau stellen. Mehr über mich !