Der Urknall der Worte
Doug Argue
Leben ist tägliches Lernen, Beobachten, Erfahren und immerwährende Veränderung – niemand entkommt diesem Axiom.
Erstaunlich ist es, dass Künstler sehr unterschiedlich darauf reagieren. Manche finden sehr schnell ein Lebensthema und sind daran rest- und zeitlos interessiert und nie endend glücklich damit beschäftigt.
Andere werden durch das ewige Sehen und darauf reagieren, laufend in ihrem Stil und ihren Sujets beeinflusst und diese dadurch laufend verändert, bis sie eines Tages endgültig in ihrer, ihnen eigenen, „Handschrift“ angekommen sind und ab dort sich selbstbewusst ihr Werk vornehmen. Sie werden sozusagen vom Strom des Lebens, mit all seinen Ereignissen, solange glatt geschliffen und mitgerissen, bis sie künstlerisch, fein poliert, in ihrer gesuchten Welt angeschwemmt sich wieder finden.
Es gibt aber auch noch jene, die im Sog dieses Stroms nicht daran denken Land zu finden um irgendwo anzukommen. Dieser Fluss ist der Quell ihrer Inspiration und angespült zu werden kommt ihnen mit Austrocknung gleich.
Als ein Vertreter dieses dritten Typus erscheint mir der US-amerikanische Maler Doug Argue. Der, 1962 in St. Paul, Minnesota, geborenen Künstler ist seit 30 Jahren als Maler tätig und lebt heute in New York City.
In den 80ern verfolgte Argue figurative, expressive, färbige Mal-Tendenzen, mit denen man den Stil der „Jungen Wilden“ in Deutschland und Österreich nicht unberechtigt assoziiert.
Ein interessantes Objekt aus 1989 stellt diese Schubladenkommode, wobei die Fächer als Malfläche dienen.
Anfang der 90er setzte er sich sozialkritisch mit der 500-Jahr-Feier der Entdeckung Amerikas auseinander
und seine Sujets wurden themen- und familienbezogener. Der Malstil wurde ruhiger und der Pinselstrich feiner.
Mitte dieses Jahrzehnts beginnt sich auch die Literatur in seinen Bildern zu manifestieren und seine „Chicken – Pictures“ aus dieser Zeit gehen auf eine Kurzgeschichte Franz Kafkas zurück, in welcher ein Hund darüber nachdenkt, woher die Welt ihr Essen bekommt.
In dem Maße, in welchem die Bedeutung der Bücher und ihrer Worte steigt, sinkt die Dominanz der Gegenständlichkeit.
Anfang des Millenniums bekommen die Protagonisten seiner Hühner-Bilder Einzelporträts und Auto – Reifen erscheinen in seiner Bilderwelt.
2006 manifestiert sich etwas in Doug Argues Werk, was bis heute dort zu finden ist: Buchstaben. Sein Schaffen wird jetzt eindeutig abstrakt und so ergeht es auch seinen früher abgebildeten Büchern – sie lösen sich in ihre Bestandteile auf- nämlich in ihre Buchstaben. Er geht davon aus, dass Buchstaben nichts anderes sind wie Atome, die auseinandergenommen und in neuer Form konstruiert werden können.
Neben der Abstraktion findet aber auch die gegenständliche Welt für ihn keinen Abschluss.
Und es kommt zu einer logischen Konsequenz: Wenn seine Bücher zerfallen, sich auflösen, implodieren, dann erstehen sie aufs Neue in einem Urknall aus Farbe und Buchstaben, wobei der Künstler, wie in seinem Gesamtwerk, das Großformat sehr schätzt.
Dieser Urknall der Bücher funktioniert natürlich nicht mehr rein malerisch. Argue sucht ein Buch aus (z.B. Melvilles „Moby Dick“), verformt am Computer alle Buchstaben daraus und verteilt sie nach Belieben über die ganze Leinwand. Für den Betrachter erscheint es wie die Geburt eines neuen Universums. Da ich eine große Affinität zu Büchern habe,finde ich das sehr berührend, denn für mich ist jedes Buch eine eigene Welt.
Argues Werk unterliegt einem steten Wandel und das Jahr 2013 findet sein Werk, unter anderem, auch in dieser Weise vor.
2015 vertritt er sein Land auf der Biennale in Venedig mit diesen Bildern.
Gegenwärtig sind Dougs Buchstabenwelten wieder in der Gegenständlichkeit angekommen und setzen sich mit der Interpretation von Klassikern der Kunstgeschichte auseinander.
Bei der Gestaltung der Lobby des neuen World Trade Centers in New York entschied man sich für Werke Doug Argues.
Sollte jemand noch mehr von ihm sehen wollen, hier der Link zu seiner Homepage, dort gibt es noch jede Menge:
Liebe Leute, eine der wunderbarsten Seiten der Malerei ist ihre Vielfältigkeit, und dafür ist Doug Argue ein glänzendes Beispiel, meint Euer
Kultur Jack!