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Eine Welt zwischen Imagination und Wirklichkeit – John William Waterhouse

Eine Welt zwischen Imagination und Wirklichkeit – John William Waterhouse

Wir Menschen sind Produkte unserer Kindheit, Erziehung, Erfahrung, Liebe, Leid, Gefühlswelt und Bildung. All dies vereint und, vereinfacht gesagt, ein paarmal kräftig umgerührt – voila, wir stehen, einzigartig, auf der Bühne der Welt.
Der Werdegang eines Malers unterscheidet sich vermutlich nicht wesentlich davon – auch dieser nimmt, wie jedermann, die obigen Ingredienzien, erweitert sie noch um das Wissen und die Stile seiner Vorgänger und, wieder vereinfacht gesagt, ist er irgendwann in der Welt seiner Themen und Bildinhalte angekommen.

 

Wir Kunstinteressierte sind auf der Sonnenseite, denn wir umgehen den Entwicklungsprozess des Künstlers und erblicken sofort im Bild, die, zum damaligen Zeitpunkt, geschaffene Welt dieses Menschen. Nicht immer ist sie uns verständlich, was aber zu erwarten ist, denn wir haben ja nicht sein Leben gelebt.
Es gibt aber einige wenige Maler wo wir vermeinen die Handlung des Gezeigten sofort zu verstehen, da die Welt worin sie spielt eine des Geistes, der Fantasie, Mythologie und Literatur ist. Diese Welt ist anfangs ein wenig beunruhigend, denn nichts darin kommt uns real oder gewohnt vor, jedoch sehr schnell erkennen wir den Gewinn für den Betrachter.

 

Gewalt, Hunger, Elend und Gemeinheiten sind aus diesen Universen verbannt und wir blicken, wie durch ein Fenster, auf eine Schöpfung, die zwar im Detail, nicht aber in ihrer Gesamtheit, auf unserer Erdkugel zu finden ist.
Einer der wenigen denen es gegeben war solch geistige Flucht-Welten zu schaffen, war der Künstler John William Waterhouse.

 

Geboren wurde er 1849 in Rom, da seine Eltern, selbst beide Maler, sich dort zu Studienzwecken aufhielten. 5 Jahre später zog die Familie zurück nach London, wo 1857 seine Mutter und sein Bruder an Tuberkulose starben.
Da John sein anscheinend vererbtes Talent in die Wiege gelegt worden war, erhielt er schon jung Unterricht von seinem Vater. 1871 wurde er Student für Bildhauerei an der Royal Academy, was sich aber bis 1874 in ein Malerei-Studium wandelt, denn in diesem Jahr stellt er in der Sommerausstellung der Akademie sein Bild „Schlaf und sein Halbbruder Tod“ aus.

 

Starken Einfluss auf sein Werk nahmen der Klassizismus und der akademische Realismus der Viktorianischen Epoche, aber weit mehr noch die Künstler aus dem Kreis der „Präraffaeliten“. Dieser Künstlerbund lehnte die Zwänge zur strengen Einhaltung der ästhetischen und technischen Regeln der Kunstakademien ab und wollte wieder zu einer natürlicheren Darstellungsweise finden. Vorbild für sie war die Klarheit und Strenge der Kunst des Spätmittelalters und der Frührenaissance – daher auch die Namenswahl ihrer Gruppe, denn sie bezogen sich auf die Kunst „vor Raffael“.

 

Was namentlich nach einem Rückschritt in eine frühere Epoche erscheint, war in Wirklichkeit avantgardistisch und auch provokant, denn nicht jedermann nahm Darstellungen der Jesusgeschichte, denen die Heiligkeit eine wenig abhanden gekommen war, wortlos hin. So führte Jesus im alltäglichen Umfeld der Werkstatt seines „Vaters“, oder Maria, die von einem flügellosen Erzengel zur Verkündigung im Bett geweckt wird, doch zu massiver Kritik.

 

Eine weitere Beeinflussung erlebte Waterhouse Werk durch die Landschaften des aufkommenden Impressionismus. Aus all diesen Berührungspunkten verschiedener Stile, fand John schlussendlich zu seinem Eigenen, der von Klassizismus, Mythologie, Literatur, Traum, Wirklichkeit, Romantik, Sehnsucht und vollendeten Frauengestalten geprägt ist.

 

Waterhouse war bereits jung erfolgreich in akademischen Ausstellungen vertreten und so konnte er es sich leisten, zwischen 1876 und 1883, lange Arbeitsaufenthalte in Italien zu absolvieren.
1883 heiratete der Künstler eine Lehrertochter und zog mit ihr in eines der 12 Künstlerhäuser des Architekten Alfred Healy, welche dieser im Londoner Stadtteil Primrose Hill erbaut hatte.

 

Akademische Ehrungen folgten in den nächsten Jahren, indem er 1885 Anwärter für die Mitgliedschaft der „Royal Academy of Arts“ und zehn Jahre später deren Vollmitglied wurde. Die Mitgliederzahl war damals auf 40 beschränkt und neue Angehörige wurden, aus den Bereichen Malerei, Bildhauerei und Architektur, von den anderen Mitgliedern gewählt.

 

Was beeindruckt den Betrachter an den Bildern eines John Waterhouse? Der Mittelpunkt der Darstellung ist fast immer eine ausgesucht schöne Frau. Jedoch von ihr ausgehend, bemerkt man, bei genauerer Betrachtung, den Drang zur Perfektion bis zu den Rändern des Bildes. Die Stofflichkeit, Farbe und Muster der Gewänder und des Interieurs vermitteln Exklusivität und Luxus. Szenen aus dem Innenbereich der Häuser atmen Stille und Komfort, Gärten und Landschaften lassen uns die Natur bis hin zum Geruch der Blumen für gegenwärtig zu halten.

 

Jedoch auch wenn der Künstler, bis ins kleinste Detail, alles realistisch und perfekt abbildet, verstand es Waterhouse dem Betrachter das Gefühl zu vermitteln stiller Statist in einem Traum oder einer Erzählung zu sein. Die atmosphärische Dichte zieht uns an und kein Negativum bringt unser seelisches Gleichgewicht ins Wanken.

 

Ein gutes Beispiel ist das, wahrscheinlich, bekannteste Bild des Künstlers. „The Lady of Shalott“ nimmt Bezug auf „Elaine“ aus der König Artus-Saga in einer Ballade von Alfred Tennyson. Der zum Impressionismus hingewendete Stil der Landschaft lässt uns sofort einen Sommertag an einem bewaldeten See wünschen, jedoch das pathetische Erscheinen Elaines versetzt den gesamten Augenblick in eine uns unbekannte Traumwelt, in der wir nur als stiller Betrachter geduldet sind.

 

Das Gemälde wurde 1888 von Sir Henry Tate gekauft und hängt noch heute in seinem Museum, der Londoner Tate Galerie. Waterhouse hat diese Szene aus der Welt des König Artus noch in zwei anderen, sehr unterschiedlichen, Versionen erstehen lassen.

 

John William Waterhouse konnte auf eine sehr erfolgreiche Karriere zurückblicken, als er 67-jährig, in London, einem Krebsleiden erlag.

 

Liebe Leute, ein Kritiker meinte einmal, dass Waterhouse Bilder „weder den Träumen noch dem Tageslicht“ entstammen, und da dürfte er richtig gelegen sein. Für unsere jetzigen Generationen bieten sie jedoch die Möglichkeit aus der heute drängenden, galoppierenden Welt, wann immer man will, eine kleine Rast in diesem Kosmos aus Ruhe, Schönheit und Frieden einzulegen, meint
Euer Kultur Jack!

Beitragsbild: Sleeping Beauty, Copyright: Irina

Über den Autor

Kultur Jack

Vor längerer Zeit in Wien geboren, und bis heute mit der Ortswahl glücklich! Da man von kultureller Leidenschaft allein schwer leben kann, bin ich, im kaufmännischen Bereich, selbständig tätig. Meiner Meinung nach, sollte man geistige Genüsse, nach deren Entdeckung, teilen und weitergeben, damit so viele Menschen wie möglich davon berührt werden. Es liegt ja auch im Sinne des Künstlers, sonst würde er ja kein Buch drucken lassen, oder Bilder zur Schau stellen. Mehr über mich !