
Ein Mann, mit vielen Charakteren-Franz Xaver Messerschmidt

Liebe Leute, im Allgemeinen ist es so, dass ein Künstler mit seinem Werk, dem Stil seiner Zeitepoche, und seinem Kulturkreis verhaftet ist. So sind auch Gemälde oder Kunstobjekte, meist auf den ersten Blick, einer bestimmten Zeitspanne zuzuordnen. Manche Kunstschaffende jedoch, es sind wenige, werden in einer Sternstunde derart von der Muse geküsst, dass, zumindest ein Teil ihres Werkes, zeitlos im Raum steht. Meiner Meinung nach, trifft dieses Prädikat auf die „Charakterköpfe“ des Franz Xaver Messerschmidt zu.
- Ein Erzbösewicht, Foto: © Belvedere Museum, Wien
- Ein abgezahrter Alter mit Augenschmerzen, Foto: © Belvedere Museum, Wien
Geboren wurde der Bildhauer 1736 im ländlichen Wiesensteig, Baden- Württemberg. Nach dem Tod des Vaters, übersiedelte die Mutter mit den Kindern zu ihrem Bruder, dem bayrischen Hofbildhauer Johann Baptist Straub. Bei diesem Onkle begann Franz eine Bildhauerlehre, und zog 1752 zu einem weiteren Bruder der Mutter, welcher in Graz lebte, und ebenfalls als Bildhauer tätig war. Dort arbeitete der junge Mann in dessen Werkstatt mit.
- Ein alter fröhlicher Lächler,Foto: © Belvedere Museum, Wien
- Das hohe Alter, Foto: © Belvedere Museum, Wien
Ein neuerlicher Umzug brachte den Jüngling 1755 nach Wien, wo er an der Akademie, unter anderem bei Jakob Christoph Schletterer, ein Studium begann. Im Hofmaler der Kaiserin Maria Theresia, Martin van Meytens, fand Messerschmidt einen Förderer, der ihm im Kaiserlichen Zeughaus eine Stelle verschaffte. Dort arbeitete er als „Stuckverschneider“ – damit war er, als Ziseleur, für die plastische Gestaltung von Kanonen zuständig.
- Der absichtliche Schalknarr, Foto: © Belvedere Museum, Wien
- Ein Erhängter, Foto: © Belvedere Museum, Wien
Anfang der 60er-Jahre begann der künstlerische Aufstieg Messerschmidts, vor allem durch Aufträge vom kaiserlichen Hof. Er modellierte Standbilder, aber auch Büsten des Kaiserpaares, die heute in der Galerie des Wiener Belvedere zu sehen sind. 1765 unternahm er eine mehrmonatige Reise nach Rom, die dem Studium der antiken Skulptur diente. Der Einfluss der Antike machte sich in seinem Werk bemerkbar, und er entwickelte sich zu einem der gefragtesten Porträtisten seiner Zeit, vor allem schätzte ihn die Kaiserin sehr.
- Kaiserin Maria Theresia. Foto: © Belvedere Museum, Wien
- Kaiser Franz I. Stephan von Lothringen, Foto: © Belvedere Museum, Wien
Mit seinen ersten Porträts in klassizistischem Stil erwarb er sich die Anerkennung der Wiener Akademie, wurde Mitglied dieser Institution und unterrichtete, ab 1769, dort als Substitutsprofessor. Er wurde vermögend, kaufte sich ein beträchtliches Anwesen in Wien, und eröffnete eine eigenen Werkstatt. Jedoch bald darauf kam es zu einer Zäsur in seinem Leben.
- Zweiter Schnabelkopf, Foto: © Belvedere Museum, Wien
- Ein wollüstig abgehärmter Geck, Foto: © Belvedere Museum, Wien
Messerschmidt begann an einer psychischen Erkrankung zu laborieren, die seine Persönlichkeit veränderte, und in seinem Werk machte sich ein stilistischer Umbruch bemerkbar. 1774 wurde er, bei einer ihm zugesagten Professur an der Akademie, auf Grund eines Vetos des Staatskanzlers Kaunitz, übergangen. Bald darauf erfolgte, wegen einer „zuweilen irrescheinenden Vernunft“, seine Entlassung, und mit einer kleinen Pension entledigte man sich seiner.
- Der Verdrüßliche, Foto: © Belvedere Museum, Wien
- Variante zu „Der Gähner“, Foto: © Belvedere Museum, Wien
Da auch die Aufträge ausblieben, verkaufte Messerschmidt seinen Wiener Besitz, kehrte zu seiner Familie nach Wiesensteig zurück und zog, wenig später, nach München. Um der Isolation zu entgehen, übersiedelte der Künstler 1777 nach Preßburg, wo auch sein Bruder, der ebenfalls Bildhauer war, lebte, und ließ sich dort endgültig nieder. In dieser Stadt konnte sich der Bildhauer eine neue Existenz aufbauen und auch eine neue Werkstatt gründen. Der überwiegende Teil des Werks-Zyklus, der bis heute seine Berühmtheit begründet, die „Charakterköpfe“, entstanden in Preßburg. Sechs Jahre später, im August 1783, starb Franz Xaver Messerschmidt, vermutlich an einer Lungenentzündung, in dieser Stadt.
- Ein mürrischer alter Soldat, Foto: © Belvedere Museum, Wien
- Ein Schalksnarr, Foto: © Belvedere Museum, Wien
Die Charakterköpfe
Franz Xaver Messerschmidt war, in seiner Wiener Zeit, ein gesuchter Porträt-Bildhauer, wirkte am Brunnen des Savoyenschen Damenstift mit und stattete die Savoyen-Kapelle im Wiener Stephansdom aus.
- Ein naseweiser spitzfindiger Spötter, Foto: © Belvedere Museum, Wien
- Ein schmerzhaft stark Verwundeter, Foto: © Belvedere Museum, Wien
Seine Berühmtheit und seinen, bis heute ungebrochenen Bekanntheitsgrad, erlangte der Künstler jedoch mit der Schaffung seiner Charakterköpfe. Er selbst nannte sie „Köpfe“ oder „Köpf-Stückhe“ und die Arbeit daran begann in Wien im Jahre 1771. Der überwiegende Teil dieser Serie, entstand jedoch erst nach seiner Übersiedlung nach Preßburg.
- Ein düsterer finsterer Mann, Foto: © Belvedere Museum, Wien
- Der Schaafkopf, Foto: © Belvedere Museum, Wien
Die Köpfe sind allesamt Selbstporträts, die seine Physiognomie in extremen Verzerrungen darstellen. Oft sind sie auf groteske Weise angespannt und nähren damit, bis heute, den Verdacht, dass sie von seiner eigenen psychischen Erkrankung, beeinflusst wurden.
Ob Schmerz, Freude, Erstaunen, Schrecken, Psychologie, Philosophie – alle Ausdrücke, deren unser Gesicht fähig ist, wurden von ihm, mit meisterlicher Präzision, in bleierne, steinerne, gipserne oder bronzene Realität umgesetzt. Die Legende besagt sogar, dass Messerschmidt, hinter Straßenecken versteckt, Passanten mit vorgehaltener Waffe erschreckte, um deren Physiognomie zu studieren.
- Der Edelmütige, Foto: © Belvedere Museum, Wien
- Der Bekümmerte, Foto: © Belvedere Museum, Wien
Mindestens 100 verschiedene Köpfe waren geplant, 69 sind es schlussendlich geworden, nachdem der Künstler, bis zum Ende seines Lebens daran gearbeitet hatte. Die Benennung der verschiedenen Darstellungen, wurden wahrscheinlich, erst nach seinem Ableben, den Büsten und Köpfen zugeordnet.
- Studienkopf mit herausgestreckter Zunge, Foto: © Kunst und Ambiente
- Der Erzbösewicht, Foto: © Kunst und Ambiente
- Kopf mit zusammengekniffenen Augen, Foto: © Kunst und Ambiente
Die Expressivität der Mimik, gibt den Gesichter eine Aura von Zeitlosigkeit, und übt, bis zur heutigen Zeit, eine Faszination auf den Betrachter aus. So werden noch immer, Abgüsse dieser Grimassen, von Unternehmen, zu erschwinglichen Preisen, hergestellt.
Bronze-Shop Kunst und Ambiente
Die fratzenhaften Bildnisse waren und sind, eine Quelle der Inspiration für Generationen von Künstlern, wie man, in der Gegenwart, an den Übermalungen Arnulf Rainers sehen kann.
- Übermalung Arnulf Rainer, Foto: © Belvedere Museum, Wien
- Übermalung Arnulf Rainer, Foto: © Belvedere Museum, Wien
Nach dem Tod des Bildhauers erbte sein Bruder die Köpfe und heute sind sie in Sammlungen und Museen über die ganze Welt verstreut. Wien hat das Glück, die weltweit größte Sammlung mit 16 Originalköpfen und etlichen Gipsabgüssen, im Belvedere Museum vereint zu haben. Dankend möchte ich auch darauf verweisen, dass mir diese Institution den Großteil der Abbildungen zur Verfügung stellte.
- Emotion VI, Foto: © Jerzy Kociatkiewicz
- THe Incapable Bassoonist, Foto: © Bildarchiv Austria
Die Exklusivität dieser Arbeiten schlägt sich auch in den Preisen nieder – so wurde 2005 ein Kopf, von Vertretern des Louvre, für $ 4,8 Millionen, bei Sotheby ersteigert.
Euer Kultur Jack!
Beitragsbild: Ein Heuchler und Verleumder, metmuseum.org